Neue Zürcher Zeitung - 05.10.2019

(Steven Felgate) #1

2INTERNATIONAL Samstag, 5. Oktober 2019


Regierungsgegner an einerDemonstrationam Montag in Port-au-Prince. AP


Proteste und Gewalt legen Haiti lahm


(dpa)·Die seitTagen andauernden
Proteste gegen dieRegierung und ge-
walttätigen Krawalle haben das öffent-
liche Leben in Haiti weitgehend lahm-
gelegt. In der Stadt Les Cayes im Süden
des Karibikstaats plündertenBanden
eine Reihe von Geschäften und griffen
Händler an.Vermummte Schlägertrupps
kontrollierten die Strassen. Die Haupt-
stadtPort-au-Prince steht laut Medien-
berichten vor einer schweren Krise, weil
seit rund dreiWochen die wichtigsten
Zufahrtsstrassen blockiert sind und die
Nahrungsmittelrar werden.
Klini ken, Waisenhäuser und Ambu-
lanzen seien nur bedingt einsatzfähig,
weil es unter anderem an Benzin und
sauberemWasser fehle, teilte dasAmt

der Vereinten Nationen für dieKoordi-
nierung humanitärer Angelegenheiten
(Ocha) mit. Die Hilfsprogrammekönn-
ten wegen der Strassensperren nur ein-
geschränkt arbeiten.Viele Schulen seien
geschlossen.
Seit Monaten fordernRegierungs-
gegner denRücktritt von Präsident
Jovenel Moïse. Sie werfen derRegie-
rung vor, Geld aus demPetrocaribe-
Programm veruntreut zu haben, über
das Haiti jahrelang Erdöllieferungen aus
Venezuela zu günstigenKonditionen er-
haltenhatte. Haiti gilt als ärmstesLand
der westlichen Hemisphäre. Der Staat
mit etwa elf Millionen Einwohnern ist
weitgehend von Hilfszahlungen aus dem
Ausland abhängig.

Fall «Burisma»


wird neu aufgerollt


flü. Warschau·Der neue ukrainische
OberstaatsanwaltRuslan Rjaboschapka
hat amFreitag bestätigt, dass gerade
mehrere im Jahr 20 15 eingestellte Unter-
suchungen gegen das Unternehmen Bu-
risma Holding noch einmal aufgerollt
würden. Die private Gasförderfirma ge-
riet in die Schlagzeilen, nachdem vor ein
paar Tagen bekanntgeworden war, dass
der amerikanische Präsident Donald
Trump imJuni in seinem erstenTelefon-
gespräch mit dem neuen ukrainischen
AmtskollegenWolodimir Selenski eine
Untersuchung gegen angeblichkorrupte
Machenschaften von Hunter Biden in
der Ukraine gefordert hatte. Biden ju-
nior war von April 2014 bis April 20 19
ein Verwaltungsratsmitglied von Bu-
risma Holding.Auf diese hochdotierte
Stelle war er mutmasslich wegen seiner
familiärenVerbindung zum Stellvertre-
terBarack Obamas,Joe Biden, berufen
worden. Dieser wiederum ist ein poten-
zieller HerausfordererTrumps bei den
Präsidentschaftswahlen von 2020.
Bisher hätten sichkeine Hinweise
auf Gesetzesbrüche Hunter Bidens ge-
funden, sagte Rjaboschapka in Kiew
auf entsprechende Nachfragen. Dass
die Untersuchungen in Kiew gerade
jetzt wieder aufgerollt werden, kann
kein Zufall sein.Trump hatte 400
Millionen Dollar Militärhilfe an die
Ukraine wochenlang zurückgehalten
und erst Mitte September freigegeben.
Kaum war dies geschehen, wurde von
der Staatsanwaltschaft neben anderen
eingestellten Untersuchungen tatsäch-
lich ausgerechnet auch derFall «Bu-
risma» wieder aufgerollt.
Weiterer Artikel auf Seite 3

IN KÜRZE


Microsoft meldet
iranischen Hackerangriff
ran.·Eine Hackergruppe, die der ira-
nischenRegierung nahestehen soll, hat
einen Angriff gegen eine Kampagne
eines Präsidentschaftskandidaten in
den USA durchgeführt. Dies hat Micro-
soft amFreitag in einem Blog-Beitrag
publik gemacht. Demnach beobachtete
das Unternehmen «signifikante Cyber-
aktivitäten» einer Hackerg ruppe, die
sich auch gegen derzeitige und ehema-
lige amerikanischeRegierungsbeamte,
Journalisten und prominente Iraner im
Ausland richteten.Das Unternehmen
teile dieseInformation, um Transparenz
zuschaffen,wennversuchtwerde,demo-
kratische Prozesse zu stören, und damit
entsprechende Sicherheitsmassnahmen
getroffen werdenkönnten. Die Gruppe,
die den Übernamen «Phosphorous» er-

AUFGEFALLEN


Gestatten, Kommissar


für europäische Lebensart


Daniel Steinvorth, Brüssel·Man kann darüber streiten, ob
Ursula von der Leyen Anfang September ein glückliches
Händchen bewies, als sie ihrTeam für die neue EU-Kommis-
sion vorstellte. Gleich sechs ihrerWunschkandidaten galten
als fragwürdig, bei einigen standenVorwürfe derKorruption
und der persönlichen Bereicherung imRaum. Auch über die
kreativenTitel undPortfolios der Anwärter liesse sich strei-
ten:Welche hellseherischenFähigkeiten wären etwa von dem
Slowaken Maros Sefcovic zu erwarten, der dasRessort «inter-
institutionelle Beziehungen undVoraussicht» führen soll? Mit
der Schaffung einesRessorts«Wirts chaft, die den Menschen
nützt» für den LettenValdis Dombrovskis bewies die Präsi-
dentin immerhin Geschmack für Anthroposophisches.
Fürechten Ärger aber sorgte in Brüssel derPosten eines
Kommissars «für den Schutz der europäischen Lebensart»
(«protecting the European way of life»), mit dem von der
Le yen den Griechen Margaritis Schinas betraute.Weil in
Schinas’komplexesRessort nicht nur die Bereiche Sicherheit,
Arbeitsmarkt und Bildung fallen, sondern vor allem auch die
Migration, hagelte es vonPolitikern und Aktivisten links der
Mitte Kritik.Was solle dieVerbindung von Migrationspolitik
und dem Schutz dereuropäischen Lebensart bedeuten?Müsse
Europa vor Flüchtlingen geschützt werden? Und was sei das
überhaupt, die europäische Lebensart?
Mit Spannung wurde denn auch am Donnerstagabend die
Anhörung von Schinas im EU-Parlament erwartet. Der hatte
zwar noch den «European way of life» aus seinemTwitter-
Account gestrichen, verteidigteden Titel aber mitVerve. Be-
droht sei Europa heute vor allem durch seine«Widersacher»,
so Schinas. Zu schützen seien europäische Grundwerte wie
Menschenwürde, Fr eiheit und Demokratie. Eine Mehrheit der
Abgeordneten überzeugte das, sie wollen den Griechen als
Kommissar akzeptieren,seinenTitel aber trotzdem gestrichen
sehen. Ob sich von der Leyen, die Schinas in ihremAuftrags-
schreiben noch die Prinzipien «Solidarität, Seelenfrieden und
Sicherheit» mit auf denWeggegeben hatte,umstimmen lässt?

Junge russische Aktivisten
müssen ins Straflager
(dpa)·Zu jeweils mehr als sechsJahren
Straflager hat die russischeJustiz zwei
Jugendliche verurteilt, die sich nach
einem Grossbrand inRostow am Don
für ihre Mitbürger eingesetzt hatten.Die
Menschenrechtsorganisation Amnesty
International kritisierte die Urteile
gegen den 20Jahre altenJan Sidorow
und den 23-jährigen Wladislaw Morda-
sow amFreitag als Beispiele für die In-
szenierung politischer Strafverfahren
und fürJustizwillkür inRussland. Die
beiden Aktivisten hatten im November
2017 einen friedlichen Protest organisie-
ren wollen – zur Unterstützung von Bür-
gern,die bei dem Brand in der Stadt ihre
Wohnungen verloren hatten.

Anti-Terror-Ermittlungen
nach Angriff in Pa ris
(dpa)·Nach der tödlichen Messer-
attacke imPariser Polizeihauptquar-
tier haben Anti-Terror-Spezialisten der
Staatsanwaltschaft die Ermittlungen
übernommen.Das bestätigte diePari-
ser Staatsanwaltschaft amFreitagabend.
Ein Mitarbeiter desPolizeihauptquar-
tiers im Herzen vonParis hatte am Don-
nerstagvier Menschen mit einem Mes-
ser getötet. Bei den Opfern handelt es
sich um drei Männer und eineFrau.Der
Angreifer wurde erschossen. Über das
Motiv des Täters war inFrankreich ge-
rätselt worden. Medien berichteten,dass
der 45-jährigeAngreifer 2017 zum Islam
konvertiert sei.Am Morgen hatteRegie-
rungssprecherin Sibeth Ndiaye noch
erklärt, dass es bisherkeine Hinweise
auf eineRadikalisierung des Angrei-
fers gebe. Der PariserPolizeipräsident
DidierLallement hatte am Nachmittag
gesagt, dasskeine Hypothese bei den
Ermittlungen ausgeschlossen werden
könne. Der 45-Jährige sei als Informa-
tiker bei derPolizei tätig gewesen und

Boris Johnson laut B ericht


zu Brexit-Aufschub bereit


(Reuters/dpa)·Der britische Premier-
minister BorisJohnson hat laut Medien-
berichten in Gerichtsdokumenten zuge-
sagt, eine Brexit-Verlängerung bei der
EU zu beantragen, sollten die beiden
Seiten bis zum19.Oktoberkein Schei-
dungsabkommen erreichen. Die BBC
und die britische Nachrichtenagentur
PA beriefen sich dabei auf Unterlagen,
die von derRegierung bei einem schotti-
schen Gericht eingereicht worden seien.
Dort wollen Brexit-Gegner durchsetzen,
dassJohnson ein kürzlichverabschie-
detes Gesetz befolgt, das imFalle einer
ausbleibenden Einigung mit der EU eine
Bitte um einen Brexit-Aufschub vorsieht.
Johnson hatte zwar angekündigt,sich an
das Gesetz zu halten, aber auch gesagt,
dass er Grossbritannien am 31.Oktober
zum Ablauf derFrist notfalls auch ohne
Abkommen aus der EU führen wolle.


Druck auf die Regierung
des Iraks wächst
(dpa)·Trotz Reformversprechen der
Regierung gehen die Proteste im Irak
gegenKorruption und Misswirtschaft
weiter. Sicherheitskräfte verhinderten
am Freitag lautAugenzeugen, dass sich
kleinere Gruppen von Demonstranten
in der HauptstadtBagdad auf einem
zentralen Platz versammelten. Die Zahl
der Toten seit Beginn der Proteste stieg
auf mindestens 38. Mehr als1600 Perso-
nen wurden verletzt. Der höchste schi-
itische Geistliche des Iraks, Grossayatol-
lah Ali Sistani, rief diePolitik zu ernst-

habe seit 2003 dort gearbeitet. Ein Poli-
zei-Gewerkschafter beschrieb denTäter
als vorbildlichen Beamten, der von sei-
nen Kollegen sehr geschätzt worden sei.

hielt, soll in einem Zeitraum von rund
dreissigTagenzwischenAugustundSep-
tember mehrals 2700Versuche unter-
nommenhaben,E-Mail-Kontenzuiden-
tifizieren. 241 davon wurden schliesslich
gezielt angegriffen.4 Konten wurden ge-
hackt,darunter sind laut Microsoft aller-
dingskeine vonRegierungsvertretern
und auchkeine von Mitarbeitern einer
Präsidentschaftskampagne.

haftenReformen auf, bevores zu spät
sei.In der Hauptstadt sowie in mehreren
anderen Provinzen vor allem im Süden
des Landes waren am Dienstag Proteste
gegenKorruption und Misswirtschaft
ausgebrochen.

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