Neue Zürcher Zeitung - 05.10.2019

(Steven Felgate) #1

6INTERNATIONAL Samsta g, 5. Oktober 2019


Es geht um Amazonien,


doch auch um den Zölibat


Synode zu r Zukunft der Kirche in der Regenwaldregion


STEFAN REIS SCHWEIZER


Seit FranziskusPapst ist, sorgenRömer
Synodenregelmässig fürAufregung. Da-
vor nahm vonden Bischofsversammlun-
gen kaum jemand Notiz.Dann kamen
die Familiensynoden (2014 und 2015)
und dieJugendsynode (2018);diskutiert
wurde über strittigeThemen wie den
Umgang mit wiederverheirateten Ge-
schiedenen, die kirchliche Sexualmoral,
die Stellung derFrau, Homosexualität
oder auch die Missbrauchsskandale.
NunistesdieamSonntagbeginnende
SondersynodezumAmazonasgebiet,die
für rote Köpfe sorgt. Der deutsche Kar-
dinalWalter Brandmülleretwamonierte,
im Vorbereitungsdokument, dem soge-
nannte InstrumentumLaboris, gebe es
sogargegenteiligeAuffassungenzurech-
tenLehrederKirche.ErsehedieGefahr,
dass selbst der priesterliche Zölibat in-
frage gestellt werdenkönnte. Reform-
orientierte Kräfte setzen dagegen hohe
Erwartungen in dieVersammlung zum
Amazonasbecken. Der österreichische
TheologePaul Zulehner spricht vom
«Ende des Priestermangels». Für den
Essener BischofFranz-Josef Overbeck
wird dieSynode gar zu einer «Zäsur» in
der katholischen Kirche führen.
EineVeränderung beim Zölibat er-
scheinttatsächlichgreifbar,zumindestals
regionaleAusnahmeregelung. Die Rede
ist von den «viriprobati» ,gemeint ist die
Priesterweihevonbewährtenverheirate-
ten Männern, über die in der Kirche be-
reits lange diskutiert wird. Befürchtun-
gen und Hoffnungen machen sich da-
bei etwa am Abschnitt 129 desVorbe-
reitungsdokumentsfest,woesunterdem
TitelEmpfehlungenheisst:«InderÜber-
zeugung, dass der Zölibat ein Geschenk
fürdieKircheist,wirddarumgebeten,im
Blick auf die entlegensten Gebiete der
Region die Möglichkeit zu prüfen,ältere
Menschen zu Priestern zu weihen. Sie
solltengeweihtwerden,obwohlsieschon
einekonstituierte und stabileFamilie
haben, mit dem Ziel, die Spendung der
Sakramente zu sichern.»Weiter ist dort
zu lesen:«ImWissen um die tragende
Rolle, die Frauen heute in der Kirche
Amazoniens wahrnehmen, müsste man
ein offizielles Dienstamt bestimmen,das
Frauen anvertraut werden kann.»

Rom dämpft Erwartungen
Der Untersekretär der Bischofssynode
Fabio Fabene unterstrich denn auch vor-
sorglich,demPapst gehe es nicht darum,
die Ehelosigkeit der katholischen Pries-
ter generell abzuschaffen. Dennoch
sprach er von einem Notstand angesichts
des Mangels von Eucharistiefeiern auf-
grund fehlender Priester. Bei näherem
Hinsehen erstaunt es, dass die Zölibats-
frage immer nochsolch eWellen schlägt.
Schliesslich finden sich unter demDach

der katholischen Kirche auch verheira-
tete Priester – in den katholischen Ost-
kirchen etwa oder unterkonvertierten
protestantischen Geistlichen.
ZumVorschlag eines Dienstamtes für
Frauen sagteFabene, von einem Diako-
natseinichtdieRede.Franziskusdämpfte
angesichtsder innerkirchlichen Debatte
über ein möglichesFrauendiakonat noch
im Mai die Erwartungen.Auf absehbare
Zeit gebe es dazukeine Entscheidung.

Extremer Priestermangel
AuchwennbeidesinAmazonienletztlich
verknüpft ist, führt der aufgeregte Blick
ausgesamtkirchlicherPerspektiveaufdie
ÄmterfragezunächstwegvomAusgangs-
punktderSynodeunddrohtdiesengarzu
instrumentalisieren. «Amazonien – neue
WegefürdieKircheundeineumfassende
Ökologie» lautet der offizielleTitel der
Synode. Zunächst geht es um dieFragen
undProblemederindigenenVölkerinder
Region, die in jüngster Zeit durch eine
wieder steigende illegaleAbholzung und
verheerende Brandrodung in den Blick
der Weltöffentlichkeit geraten ist. Deut-
lich geworden ist dadurch erneutdie Be-
deutung des grösstenTropenwaldes der
Erde für dasWeltklima.Papst Franziskus
hat bereits in seiner Enzyklika «Laudato
si»Klimawandel,WasserfrageundArten-
viel falt zumThema gemacht. In seinem
Rundschreiben von 2015 forderte er von
den Industrienationen eine «ökologische
Umkehr», umdieZerstörungderUmwelt
und den Klimawandel zu stoppen.
Der aus Vorarlberg stammende
Bischof Erwin Kräutler, der als einer der
«Ghostwriter» der Enzyklika gilt und
auch wesentlich amVorbereitungsdoku-
ment für dieSynode mitgearbeitet hat,
war 25Jahre lang Bischof der Amazo-
nas-Diözese Xingu. DieKennzahlen sei-
nes Bistums stehenbeispielhaft für den
extremen Priestermangel im Amazonas-
gebiet:Die Fläche der Prälatur ist mehr
als achtmal so gross wie die Schweiz; in
den 800 Gemeinden wirken gerade ein-
malrund30Priester.Der2015 emeritierte
Diöz esanbischofsprichtsichfürdiePries-
terweihe vonFrauen aus. Statt von «viri
probati» spricht er lieber von «personae
probatae», um dieFrauen mit zu meinen.
Kräutler argumentiert, die Leiterinnen
der Basisgemeinde seiner Diözese mach-
ten ohnehin alles, was ein Priester mache.
Die Synode tagt insgesamt drei
Wochen,die Teilnehmer habeneine nur
beratendeFunktion.Dann liegt alles am
Papst, der sich eine gewisse Zeit nach
der Synode in einem Schreiben äussern
wird.SchonvorJahrenberichteteKräut-
ler, Franziskus habe von den brasiliani-
schen Bischöfen «mutige und coura-
gierte» Lösungsvorschläge für die Seel-
sorgederZukunfterbeten.Nunmussder
Papst den Mut haben, solchenVorschlä-
gen dann auch denWeg zu bereiten.

Katalanen demonstrierenam 1. Oktober,zwei Jahre nachdem Unabhängigkeitsreferendum, inBarcelona. QUIQUE GARCIA / EPA


Alles dreht sich um Katalonien


Einen Monat vor der Neuwahl in Spanien wird die Rhetorik schärfer


UTE MÜLLER, MADRID


Die Richter am Obersten Spanischen
Gerichtshof werden in den nächsten
Tagen das Strafmass gegenzwölf kata-
lanischePolitiker und Bürgerrechtler
verkünden. Die Angeklagten waren an
der Durchführung des illegalen Unab-
hängigkeitsreferendums am1. Oktober
2017 beteiligt gewesen.DasUrteil wird
in Spanien mit Spannung erwartet und
dürfte die politischen Spannungen wei-
terverschärfen.Vielesdeutetdaraufhin,
dass die seit fast zweiJahren in Unter-
suchungshaft sitzendenAngeklagten zu
langjährigenGefängnisstrafenverurteilt
werden.


Sánchez drohtden Katalanen


Ein heisser Herbst ist somit program-
miert. Katalanische Gewerkschaften,
die einenFreispruch für die «politi-
schen Gefangenen» fordern, haben be-
reits zum Generalstreik am 11.Okto-
ber aufgerufen. Eine Plattform, die sich
«demokratischer Tsunami» nennt, hat
zudem an die Bürgerinnen und Bürger
appelliert, nach der Bekanntgabe des
Urteilsspruchs sofort zu protestieren.
Auch die sogenanntenKomitees zur
Verteidigung derRepublik (CDR), die
vor zweiJahren gegründet wurden, um
bei derDurchführung desReferendums
zu helfen, haben sich zuWort gemeldet.
Man wolle denFeind dasFürchten leh-
ren, hiess es auf ihremTwitter-Account.


Die CDR, lose Zusammenschlüsse
vonUnabhängigkeitsbefürwortern,hat-
te nbisherehermitBlockadenundStras-
sen sperrenauf sich aufmerksam ge-
macht. Nun wollen Ermittler inMadrid
aber herausgefunden haben,dass die
CDR auch zuradikaleren Aktionen
bereit seien. Ende September liess ein
Richter mehrere ihrer Mitglieder fest-
nehmen. Der Vorwurf: Sie hätten eine
terroristischeVereinigung gebildet.In
abgehörtenTelefongesprächen soll von
einer möglichen Besetzung des katala-
nischenParlaments, von der Sperrung
von Autobahnen und der Sprengung
von Mobilfunkantennen dieRede ge-
wesen sein.
Angesichts derAufregung in Katalo-
nien hat Spaniens amtierender Minister-
präsidentPedro Sánchez seinenKurs ge-
ändert.Einst äusserteerVerständnis für
denWunsch vieler Katalanen nachmehr
Selbstbestimmung und zeigte sich ver-
handlungsbereit.Nun droht erdamit, die
Region mit Hilfe des Artikels155 der
sp anischenVerfassungunter Zwangs-
verw altung zu stellen.Dasselbe hatte
schon sein konser vativer Vorgänger
MarianoRajoy getan.
Sánchez steht unter Druck, weil am


  1. November wieder einneuesPar-
    lament gewählt wird. Das gegneri-
    sche konservativeLager legt ihm jeden
    Hinweis auf einen möglichen Dialog als
    Schwäche aus und spricht von«Verrat
    an Spanien». Die konservativenPar-
    teien überbieten sich gegenseitig mit


Vorschlägen zu einer härteren Gangart
gegenüber Katalonien.

Misstrauensantraggegen Torra
Albert Rivera, der ehrgeizigeVorsit-
zendederrechtsliberalenParteiCiudada-
nos,istbereitsvorgeprescht.Erliessseine
Partei im katalanischenParlamenteinen
Misstrauensantrag gegendie Regierung
vonQuimTorrastellen.DieBegründung:
Torra arbeite mit denradikalen Unab-
hängigkeitsbefürwortern zusammen.
Über denAntrag wirdam Montag abge-
stimmt. Er ist jedoch zum Scheitern ver-
urteilt, weil Ciudadanos zusammen mit
ihremVerbündeten, demkonservativen
PartidoPopular,nur40der135Abgeord-
neten in Katalonien stellt.
Torra hat dieVorwürfe von Ciudada-
nos zurückgewiesen. Erkönne die Ge-
walt der Separatisten nicht verurteilen,
weil diese noch nie zu Gewalt gegriffen
hätten, sagte er.Sein Mentor undVor-
gänger Carles Puigdemont distanzierte
sich im belgischen Exil von möglicher
Gewaltanwendung auf demWeg zur
Republik. Die Ermittler hatten Puigde-
mont zuvorVerbindungen zu den ver-
hafteten Aktivisten nachgesagt. Der
frühere katalanische Ministerpräsident
bestritt, die Beschuldigten gekannt zu
haben.ErwarfdenMadriderErmittlern
vor, die Unabhängigkeitsbewegung zu
kriminalisieren, um einen neueneuro-
päischen Haftbefehl gegen seinePerson
zu erwirken.

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Das Reside nzorchester
KKLLuzern
freut sich aufSie!

16./1 7. Oktober 2019
Saisoneröffnung mit Bruckner
und Brahms
James Gaffigan, Leitung
Joshua Bell,Violine
13./1 4. November 2019
Ungarn –Klänge derHeimat
Juanjo Mena, Dirigent
FrancescoPiemontesi,KKllavier
4./5. Dezember 2019:
Fazil SayzuSchubert&Mozart
Fazil Say,KKllavier undLeitung
Solisteninnen undSolisten
LuzernerSinfonieorchester

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