Neue Zürcher Zeitung - 02.10.2019

(singke) #1

Mittwoch, 2. Oktober 2019 ZÜRICH UNDREGION 19


Fusion im Oberland steht auf wackeligen Füssen


DieSpitäler Uster und Wetzikon wollen sich zusammenschliessen, um weiterhin genug kantonale Leistungsaufträge zu erhalten


ANDRÉ MÜLLER


Zwei Krankenhäuser zu fusionieren, ist


in der Schweiz ein heikles Unterfan-


gen. Das Bonmot «Jedem Täli sein Spi-


täli» entstand nicht grundlos. Uster und


Wetzikon, beziehungsweise das Zür-


cher Oberland und das Glatttal, versu-


chen es dennoch: Am17.Mai 2020 wer-


den alle 22 beteiligten Gemeindenüber


den InterkommunalenVertrag (IKV)


abstimmen, quasi dieVerfassung der


neuen Spitalorganisation. Die beim Spi-


tal Uster angeschlossenen Gemeinden


befinden zusätzlich über eine Umwand-


lung ihres Zweckverbands in eineAG


für denFall, dass dieFusion scheitert.


Die Trägerschaften der beiden Spi-

täler haben im September grünes Licht


gegeben, doch der Erfolg an der Urne


ist höchst unsicher:Jede einzelne Ge-


meinde mussJa sagen,und erste Gegner


haben sich schon gefunden.Die Spitäler


suchen die Flucht nach vorn und infor-


mieren,so früh und umfassend es geht.


In einem Mediengespräch habenJörg


Kündig, VR-Präsident der GZOAG


SpitalWetzikon, undReinhard Giger,


VR-Präsident des Zweckverbands Spi-


tal Uster, die Hintergründe der Pläne


genauer erläutert.


Die Macht des Kantons


Die Fusion geschieht nicht aus heiterem


Himmel. Die Mindestfallzahlen hätten


einen «wichtigenAnstoss» gegeben,sagt


FDP-KantonsratKündig.Der Kanton


erhöht per 2023 bekanntlich die Hür-


den für seine Leistungsaufträge: Kleine


Spitäler, welche die nötigenFallzahlen


in gewissen Spezialisierungennicht auf-


weisen,verlieren ihreAufträge, was eine


Negativspirale auslöst und sie in den


Bankrott treiben kann.Die Zürcher Ge-


sundheitsdirektion versicherte den bei-


den Häusern, dass ihreFallzahlen künf-


tig addiert werden – sofern sie die jewei-


ligen Behandlungen künftig an einem


Standort bündeln.


Auch wenn vor allemdie Siche-

rung der Leistungsaufträge eineFusion


dringlich erscheinen liess, soll sie wei-


tere Vorteile bringen.Die Spitäler Uster


und Wetzikon liegen bloss acht Kilo-


meter auseinander undkonkur renzie-


ren sich. Künftig wollen sieSynergien


nu tzen. Giger undKündig bestätigen


frühere Schätzungen,dass sich mit einer


Fusion allein bei den derzeitigenBau-


projekten rund 100 MillionenFranken


einsparen liessen.


Dass die Spitäler aufsTempodrü-

cken, liegt auch daran, dass sie beide


in nächster Zeit einiges um- und neu


bauen wollen. Diese Projekte müssen


sie je nachAusgang der Abstimmung


anpassen; je länger sie warten müssen,


desto teurer wird das. Zweitens sollen


die Mitarbeiter so bald wie möglich

Klarheit erhalten, wie es mit ihrem Spi-


tal weitergeht. Drittens müssen sie sich


bis im Herbst 2021 beimKanton um die


neuen Leistungsaufträge bewerben.


Mit dem IKV wird nun verankert,

dass beide Spitäler erhalten bleiben,wo-


bei inWetzikon vor allem planbare Ein-


griffe erfolgen sollen, während Uster die


Akutversorgung und Notfälle sowie die


Rehabilitation übernimmt.


Die finanziellen Einzelheiten sorgten


für Diskussionsstoff. Die beiden Seiten


werden sich je hälftig am Aktienkapi-

tal von 40 MillionenFranken beteiligen.


Mindestens 80 Prozent der Aktien müs-


sen zudem im Besitz der öffentlichen

Hand bleiben, 60 Prozent der Stimmen


bei den Aktionärsgemeinden.Diese

Werte sind nach Kritik von Gewerk-

schaften und dem Stadtrat Uster,der

100 Prozent gefordert hatte, nach oben


angepasst worden.


Warum nicht 100 Prozent, wo doch

die Schaffung von Spital-AG in letz-

ter Zeit oft an der Angst vor Privati-

sierungen gescheitertist? Kleinere Ge-


meinden, sagtReinhard Giger, hätten

sich dieMöglichkeit offenlassenwollen,


ihrenAnteil später einmal zu verkaufen.


Durch ein zweifachesVorkaufsrecht der


anderen Aktionäre ist die Chancerecht


klein, dass Private zum Zugkommen.

Viel Gewinn lässt sich mit den Spital-

aktien auch nicht machen: EineVerzin-


sung ist erst ab einer Eigenkapitalquote


von 40 Prozentvorgesehen, sie darf zu-


dem nur einen Prozentpunktüber dem


Referenzzinssatz liegen.


Die beiden Spitäler werden selbst

keine Kampagne führen. Giger und

Kündig hoffen auf ein überparteiliches


Komitee, das Politiker vonrechts bis

möglichst nach links umfasst. Die SP

Uster erachtet dieFusion als sinnvoll,

würde auf die Umwandlung in eineAG


aber am liebsten verzichten.Zwar ent-


scheidet die Bevölkerung, doch wird

jede Gemeinde bis imFebruarauch

eine Stimmempfehlung abgeben – in

Uster, Dübendorf undWetzikon das

Parlament, in den kleineren Orten der


Gemeinderat.


Die Fusion bleibt eine Hochrisiko-

Operation. Lehnt nur eine der 22 betei-


ligten Gemeinden sie ab, ist das ganze

Projekt gescheitert.Pointiert gesagt,

entscheiden die 1000 Einwohner von

Wildberg über die Zukunft der Spital-

versorgung von fast 300000 Personen.

Gefahr droht vor allem von zwei Sei-

ten : Einerseitsbefürchten abgelegene

Oberländer Gemeinden – man denke

vielleicht an das bergigeFischenthal–,


dass ihrePatienten im Notfall einen län-


gerenWeg zum Spital zurücklegen müs-


sen. Hier hoffen dieVerantwortlichen,

di e Bevölkerung mit dem IKV zu be-

ruhigen:Darin steht, dass beideStand-


orte über eine Notfallaufnahme ver-

fügen werden.Wiegross diesein Wetzi-


kon langfristig sein wird, kann aber erst


die Erfahrung der erstenJahre zeigen.


Zum anderen ist die Umwandlung

des Zweckverbands Uster in eineAG


  • eineVorbedingung für den Zusam-


menschluss – sehr umstritten bei der

Linken. Erst vor vierJahren ist eine

Rechtsformänderung an der Urne ab-

gelehnt worden. Reinhard Giger sagt,

die Ausgangslage und die Sinngebung

seien wegen derFusion diesmal ganz

andere. «Wir sind bedeutend besser

vorgegangen», so habe man die Diskus-

sion mit den Gegnern von 2015 früh-

zeitig gesucht.

Die Gewerkschaft VPOD hat sich in


derVernehmlassungundnochmalsimJuli


dennoch schon sehr kritisch zur «Spital-


privatisierungsfusion»,wiesiedasZusam-


mengehen nennt, geäussert. DerVPOD


ist grundsätzlich gegen die Umwand-


lung in eineAG, fordert einen Gesamt-


arbeitsvertrag und warnt vorVerschlech-


terungen für dasPersonal. EinGAV ist


bei den Spitalführungen so zwarkein


Thema.Doch Kündig sagt: «Es wirdkeine


fusionsbedingtenEntlassungengeben,das


ist unser Commitment.» Bei einer jähr-


lichen Fluktuationsrate von 10 bis 20 Pro-


zent der Mitarbeiter sollte eskeine Pro-


bleme bereiten, deren Zahl langfristig


etwas zu senken.Reinhard Giger betont,


dass es sich nicht um eineFusion gewinn-


orientierterFirmen handle, «wir müssen


nicht innert sechs MonatenKosten ein-


sparen». Die ersten fünf bis siebenJahre


werde sich das fusionierte Spital sowieso


vorallemumdieSicherungderLeistungs-


aufträge,umdie laufendenBauprojekte


und die Entwicklung des operativen Ge-


schäftsmodells kümmern müssen.


Es gibtnoch das Tagesgeschäft


«Wir müssen parallel das Geschäft nor-


mal weiterführen und dieFusion voran-


treiben, das bringt eine Doppelbelas-

tung», sagt Kündig. Derzeit planen beide


Spitäler Um- und Erweiterungsbauten:


Wetzikon hat bereits begonnen, will die


Arbeiten aber nur so weit vorantreiben,


dass man noch sinnvoll auf ein Nein im


Mai reagier en kann. Uster steckt der-

weil in zähenRechtsstreitigkeiten mit

Nachbarn fest: Der Gestaltungsplan

liegt vor demVerwaltungsgericht. Die

Spitalführungrechnet indes damit, dass


die Gegenseite auch das Bundesgericht


anruft und zudem die einzelnenBaupro-


jekte juristisch bekämpft.


Wetzikon-Usterist nicht die erste

Kooperation unter Zürcher Spitälern:

Die Zürcher StadtspitälerWaid und

Triemli haben2018 de facto fusioniert.


Das war ohne Abstimmung möglich,

weil beides städtische Dienstabteilun-

gen sind.Daskleine Spital Männedorf


nähert sich dem grossen Universitäts-

spital(USZ)an, das sogarein Aktien-


paket desRegionalspitals übernehmen


soll. Auch zwischen dem Spital Uster

und dem USZ, die heute schon über

einenKooperationsvertrag verfügen, sei


ein solches Modell schon einmal ange-


sprochenworden, sagt Giger.Bei Kan-


tonspolitikern hat diese Expansion des


USZ aber auch schon für Kritik gesorgt,


denn der Kanton wird über diese Käufe


indirekt Eigentümer derRegionalspitä-


ler, was die Vergabe der Leistungsauf-

träge beeinflussenkönnte (aber natür-

lich nicht sollte).


DasSpital Uster (im Bild) soll mit demjenigen inWetzikon zusammenarbeiten–doch die Hürden sind hoch. ADRIAN BAER/NZZ


Auch gebrauchte Kleider können fette Beute sein


Die Polizei nimmt in Winterthur vier Diebi nnen von Altkleidersäcken fest – noch ist unklar, ob sie die Klamotten verkaufen wollten


REBEKKA HAEFELI


Was will jemand mit altenFinken, aus-


gebleichten Hemden oder einem aus


der Mode gekommenen Wollpull-


over? DieseFrage kann man sich ge-


trost stellen. Offensichtlich haben Alt-


kleider für gewisse Leute aber durchaus


einenWert. Die StadtpolizeiWinterthur


jedenfallshat in der Nacht auf Montag,


kurz nach 1 Uhr, vier Frauen angehal-


ten, die mit gestohlenen Altkleidersä-


cken unterwegs waren.


Die Frauen waren einerPatrouille

der Stadtpolizei im Quartier Blumenau


aufgefallen, weil sie mehrereSäckebei


sich trugen. Abklärungen ergaben, dass


die Frauen die Kleidersäcke aus einer


Altkleider-Sammelstelle entwendet hat-


ten. Nach der Befragung und derRap-


porterstattungans Stadtrichteramt wur-


den dieFrauen wieder auf freienFuss


gesetzt. Bei den Diebinnen handelt


es sich um eine 29-, eine 35- und eine


37-jährige Rumänin sowie um eine

27-jährige Ungarin.


Der Diebstahl ist ein Einzelfall, wie


eine Sprecherin derWinterthurer Stadt-


polizei auf Anfrage sagt. Über die Hin-


tergründe desVorfalls sei noch nichts be-


kannt. Unklar ist also, ob es sich allen-


falls um eineBande handelt, die Altklei-


der weiterverkauft,oder ob dieFrauen


dieTextilien zum Eigengebrauch stahlen.


Keine Diebstahlserie bekannt


Der Diebstahl von Altkleidersäcken in


der StadtWinterthur hat sich bei einer


Texaid-Sammelstelle zugetragen, wie

die Firma auf Anfrage bestätigt. Dies

sei in der Schweizrelativ selten.«Wir

verzeichnen etwa zwei bis dreiFälle pro


Jahr», teilt Texaid mit.«Wenn diePer-

sonen, die den Diebstahl verübt haben,


ausfindig gemacht werdenkönnen, prü-


fen wir grundsätzlich eine Strafanzeige.»


Die Container seien aber so gebaut,dass


eine Entnahme der Altkleidersäckenur


sehr mühsam und mit entsprechendem


Werkzeug erfolgenkönne.


Dass es in derVergangenheit immer


wieder solcheFälle gab, bestätigt auch

Gisela Pleuss, Geschäftsführerin der

Firma Tell-Tex mit Sitzim aargauischen


Safenwil.Tell-Tex ist nebenTexaid eines


der grössten Kleidersammlungs-Unter-

nehmen in der Schweiz.


Tell-Tex unterhält hierzulande knapp


4000 Container und organisiert zudem


regelmässige Strassensammlungen,etwa


in der Stadt Zürich. Pleuss sagt, gestoh-


len würden meistens Altkleidersäcke

auf der Strasse und viel seltener solche


aus Containern. Ihr sei jedoch nicht be-


kannt, dass es zurzeit gerade eine Dieb-


stahlserie gebe. Punktuelle Vorfälle

seien ihr ausBasel,in der Nähe der fran-


zösischen Grenze,sowie ausBallungs-

gebieten wie der Stadt Zürich bekannt.


«Manche Leute denken,was auf der


Strasseliege, sei zum Mitnehmen», er-


kl ärt Pleuss. Wenn Tell-Tex durch An-

wohner von Kleidersack-Diebstählen

erfahre, ers tatte mankonsequent An-

zeige bei derPolizei.«Wir erhoffen uns


davon einen abschreckenden Effekt.

Auf den Säcken sind die Namen der

Hilfswerke aufgedruckt,zu deren Guns-


ten wir die Sammlungen durchführen.

Insofern handelt es sich durchaus um

Diebstahl.»


Tell-Texkonzentriert sich laut Pleuss


künftig mehr auf Sammlungen in statio-


nären Containern als auf Strassensamm-


lungen. Die Container kämen den heuti-


gen Gewohnheiten eher entgegen. «Die


Leute wollen ausgetrageneKleider und


Schuhe jederzeit entsorgenkönnen.»

Die Geduld, auf eine viertel- oder halb-


jährliche Sammlung zu warten, bringe

heute kaum mehr jemandauf.


Auch Caritas sammelt in der gan-

zen Schweiz gebrauchte Kleider und

Schuhe.Allein in Zürich undWinterthur


betreibt die Organisation sechsLäden,


die Textilien annehmen. Max Elmiger,

Direktor von Caritas Zürich, erklärt auf


Anfrage , Diebstähle seien kaum je ein


Problem.Die Einwurfklappen seien cle-


ver konstruiert, so dass es schwierig sei,


Ware herauszufischen.


Ein ungeschickterDieb


Elmiger erzählt allerdings von einem

mehr als zwölfJahre zurückliegenden

Fall: Beim Geschäft an der Birmensdor-


ferstrasse in Zürich habe ein Mann ver-


sucht,Kleider aus einem Einwurf zu ent-


wenden.Er öffnete die Klappe und stieg


ein. «Es gelang ihm nicht, ohne Hilfe

wieder herauszukommen. Am nächsten


Morgen fand man ihn unverletzt vor.»

Bei dem verunglückten Dieb habe es

sich um einen Sammler auf derJagd

nach besonderen Einzelstücken gehan-


delt. Die Einwurfklappe sei danach so

umgestaltet worden, dasskein Einstieg


mehr möglich sei.


NZZ/PD


Reinhard Giger


VR-Präsident


Spital Uster


JörgKündig


VR-Präsident


SpitalWetzikon

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