22 PANORAMA Mittwoch, 2. Oktober 2019
ZAHLENRÄTSEL NR. 228
SPIELREGELN«KR INGEL»:Die Ziffern 1
bis 7 sind so einzutragen, dass sie in jeder
Reihe einmalvorkommen.Zwischenzwei
Feldern gilt: Ausgefüllt er Kreis: Eine Zahl
ist das Doppelte der anderen. LeererKreis:
Eine Zahl is t um 1 grösser als die andere.
Kein Kreis: Keine der beiden Eigenschaften
trifft zu.
Auflösung:
Zahlenrätsel Nr. 227
Orgasmus der Frau ist ein Überbleibsel
Der körperliche Reflex ist früh in der Evolution entstanden – hatte anfangs aber einen anderen Zweck
LENASTALLMACH
Die Sache mit dem weiblichen Orgas-
mus ist aus wissenschaftlicher Sicht
kompliziert. Denn anders als ein Mann
kann eineFrau, auch ohne einen Höhe-
punkt zu haben, Kinder zeugen. Der
Orgasmus trägt also nicht zumFort-
pflanzungserfolg bei.Aus evolutions-
biologischer Sicht ist es schwer zu erklä-
ren,warum etwas ausreinem Zufall ent-
stehen kann, wenn es bei derFortpflan-
zung keinen klarenVorteil bringt.Schon
vieleForscher haben sich darüber den
Kopf zerbrochen und verschiedene evo-
lutionäre Erklärungen geliefert.
GüntherWagner von derYale Uni-
versity in Connecticut, USA, und seine
Kollegin MihaelaPavlicev, die mittler-
weile an der UniversitätWien arbei-
tet, haben vor ein paar Jahren eine
neueTheorie vorgestellt. Nach dieser
stellt der Mechanismus, der beieini-
gen Säugetieren während derKopula-
tion einen Eisprung auslöst, die Grund-
lage für diekomplexenVorgänge beim
menschlichen Orgasmus dar. Nun lie-
fern sie in der wissenschaftlichen Zeit-
schrift «PNAS» einenersten empiri-
schen Beleg dafür.
Der induzierteEisprung
Im Gegensatz zu Menschen und vielen
anderen Säugetieren wird der Eisprung,
beispielsweise bei Kaninchen, Katzen,
FrettchenundKamelen,gezieltdurchGe-
schlechtsverkehr ausgelöst. In einer frü-
heren Untersuchung hatten dieForscher
bereits gezeigt, dass dieserinduzierte Ei-
sprung evolutionsgeschichtlich früher
entstanden ist als der mehr oder weniger
regelmässigeEisprungbeiMenschen.Da-
mals argumentierten sie, dass dieVerbin-
dung zwischen Orgasmus und Eisprung
erst später in der Evolution voneinander
getrennt worden seinkönnte.
Demnach haben auchTiere einen
Orgasmus? «Ich würde das, was sie er-
leben, vielleichtnichtgerade Orgasmus
nennen», sagt Pavlicev. Denn das Phäno-
men sei bei Menschen mit vielensubjek-
tivenErfahrungenverbunden,vondenen
man nicht davon ausgehenkönne, dass
Tieresiegleicherlebten.Aberwomöglich
steht ein ähnlicherkörperlicherReflex
dahinter. Um ihreTheorie weiter zu
untermauern, untersuchten dieForscher
nun,ob der Mechanismus, der bei Kanin-
cheneinenEisprungauslöst,aufdenglei-
chen biochemischen Abläufen beruht
wie der Orgasmus beim Menschen.
DasTeam gab den weiblichenTieren
über zweiWochen hinweg Fluoxetin,ein Antidepressivum vomTyp der Sero-
tonin-Wiederaufnahmehemmer. Diesesind bekannt dafür, bei Menschen dieOrgasmusfähigkeit zureduzieren. Nach
Ablauf von zweiWochen kamein männ-
liches Kaninchen ins Spiel. Eine nTagna ch einer erfolgtenKopulation zähl-ten dieForscher die frisch entstandenEizell-Vorläufer in den Eierstöcken der
Häsinnen.Tatsächlich hatten dieTiere,die Antidepressiva bekommen hatten,30 Prozent weniger Eisprünge als dieTiere in einerKontrollgruppe.
Um zu untersuchen, ob das Anti-depressivum den Eisprung verhinderte,
indem esden gleichenReflex unterband,
der bei Menschen zum Orgasmus führt,
machten dieForscher ein weiteres Expe-
riment. Sie verabreichten den weiblichen
Kaninchen zusätzlich zum Fluoxetin ein
Hormon, das HumaneChoriongonado-
tropin, das bei denTieren auch ohneKopulation,also ohne den darunter-liegendenReflex zu bemühen, einenEisprung auslöst.Auf dieseTiere hatte
Fluoxetinkeinen Effekt. Sie hatten fast
ebenso vieleEisprünge wie dieTiere der
Kontrollgruppe. Die Forscher schliessen
daraus, dass dasAusbleiben desReflexes
und nicht dieWirkung der Antidepres-
si va im Körper dieWahrscheinlichkeiteines Eisprungsreduzierte.
Koppelungging verloren
Dass das Medikament bei Kaninchenund Menschen einen ähnlichen Effekthat, werten die Evolutionsbiologen alseinen weiteren Hinweis dafür, dass derinduzierte Eisprung bei Kaninchen undder weibliche Orgasmus bei Menscheneinen gemeinsamen evolutionären Ur-sprung haben. Demnach ist der Orgas-mus in der frühen Evolution entstan-den, weiler für den Eisprung und da-mit für dieFortpflanzung notwendigwar. Später in der Evolution ist dieseKopplung aber verloren gegangen. DerEisprung entwickelte eine vom Ge-schlechtsverkehr unabhängige Dyna-mik, doch der Orgasmus blieb demMenschen erhalten.Allerdings kann man sich fragen,warum es den weiblichen Orgasmusimmer noch gibt,wenn er heute tatsäch-
lich keine biologischeFunktion mehrhaben sollte.Inder Regel verlieren sich
Merkmale während der Evolution,wenn
sie bei derFortpflanzungkeinen Vorteil
bringen. Denkbar ist aber, dass es einen
solchenVorteil immer noch gibt.
Eine andereTheorie schlägt vor, dass
der weibliche Orgasmus in der Entwick-
lung des Menscheneine Begleiterschei-
nung des männlichen Orgasmus ist.Denn die weiblichen und männlichenGeschlechtsorgane entwickeln sichaus den gleichen Anlagen.Womöglichhaben beide Erklärungsansätze einenPunkt. Indem der Ansatz von Pavlicev
un dWagner aufzeigt, wie gewisse Ab-läufe des weiblichen Höhepunkts in der
frühen Evolution entstandensind unddie andereTheorie erklärt,warum er in
der Evolution des Menschen nicht wie-
der verloren ging.
Wieein Feuerwerkaus Gefühlen–sokann sichein Orgasmus anfühlen. CHRISTOPH RUCKSTUHL / NZZ
Kein e Häufung von
Fehlbildungen bei Babys
Drei deutsche Bundesländer geben Entwarnung
slz. München·Es habe in denJahren
2017, 2018 und 2019 «keine offensicht-
lichenTrends undregionalen Häufun-
gen» von Handfehlbildungen bei Neu-
geborenen in Nordrhein-Westfalen ge-
geben.Das teilte das zuständige Ge-
sundheitsministerium am Montag mit.
Aufgeschreckt durch Meldungen über
ein Spital in Gelsenkirchen, in dem die-
sen Sommer innert zwölfWochen drei
Babys mitFehlbildungen einer Hand
zur Welt kamen, hatte die Behörde eine
Umfrage unter allen Geburtskliniken
des Bundeslandes gestartet.
Man habe dieDaten der Kranken-häuser sowie der Qualitätssicherung
der Ärztekammern abgefragt.Das habe
ergeben, dass Handfehlbildungen bei
weniger als 0,1 Prozent der Geburten
vorkämen. Konkret seien bis Ende Sep-
tember für dieJahre 2017, 2018, 2019
jeweils 72, 64 bzw.61 Fehlbildungen
der oberen Extremitäten in Nordrhein-
Westfalen gemeldet worden. Dabei han-
delt es sich laut einem Sprecher nicht
nur um Handfehlbildungen wie in Gel-
senkirchen, sondern auch andereFehl-
entwicklungen wieVielfingrigkeit.
Zuvor hatten bereits die Gesund-heitsbehörde von Hamburg sowie dasGesundheitsministerium von Meck-lenburg-Vorpommern mitgeteilt, dassman von 2017 bis 2019 keine regiona-len Häufungen von Handfehlbildungen
festgestellt habe.
Das alles kann Schwangere beruhi-gen. Es gibt offenbar derzeitkeine Hin-
weise auf einen weiteren Medikamen-tenskandal oder auch eine bisher unbe-
kannte Giftsubstanz aus der Umwelt,di e zu Hunderten vonFehlbildungenführt.Dochfür die Hebamme Sonja Lig-
gett-Igelmund bleibenFragen. So seien
die abgefragten Zeiträumerecht kurz,betont sie im Gespräch. Zudem müsse
sich zeigen, wie zuverlässig dieDaten-erhebung gewesen sei. Sie hatte MitteSeptember diedrei GelsenkirchenerFälle publik gemacht.
«Bis anhin haben sich 130 Eltern,deren Kinder eine Extremitätenfehl-bildung haben,bei mir gemeldet.Sie lie-
ben ihrKind. Aber sie alle wollen eine
genaue Ursache und nicht den Satz, dass
die fehlende Hand ihres Kindes eineLaune der Natur sei», berichtet sie.
Riesiger Eisberg löst sich
vom Antarktis-Schelfeis
1636 Quadratkilometer – so gross wie der Kanton Freiburg
gam.·Dass in der Antarktis grössereEismengen von Gletschern abbrechenund als Eisberge im Ozean treiben, ist
- trotz Klimawandel –kein ungewöhn-
licherVorgang. Das in der Glaziologieals Kalben bezeichnete Naturphäno-men hat jüngst aber einen Eisbergpro-
duziert,dessen Grösse Bisheriges in den
Scha tten stellt.Die Rede ist von D-28,
der sich vergangeneWoche im Osten
der Antarktis vom sogenannten Amery-
Schelfeis ablöste. DerKoloss ist mit
einer Fläche von1636 Quadratkilome-
tern ungefähr so gross wie das gesamte
Stadtgebiet vonLondon und nur leicht
kleinerals die Flächedes KantonsFrei-
burg (1671 Quadratkilometer). Dies
teilte Copernicus mit, das Erdbeobach-
tungsprogramm der EU.
Experten sehen das Phänomen nicht
als eineFolge des Klimawandels, son-
dern als«Teil eines normalen Zyklus» im
Eis, wie er in dieser Grössenordnungalle
sechzig bis siebzigJahre vorkomme. Der
Abbruch des Eisbergs war laut Medien-
berichten sogar bereits seit derJahrtau-
sendwendeerwartetworden.«Währendes
in derArktis vieles gibt,worüber man be-
sorgt sein kann, gibt es in diesem speziel-
len Fall keinen Grund für einen Alarm»,
sagtedie Professorin HelenFricker von
der amerikanischen Scripps Institution
of Oceanography gegenüber BBC.Aus-
sergewöhnlich ist allerdings die Grössevon D-28. Letztmals hatte sich in denJahren1963/64 eine vergleichbare Eis-menge vom Amery-Schelfeis abgelöst.Aufgrund seiner Masse wird der Eis-berg, der nun im Südpolarmeer treibt,überwacht.FürdieSchifffahrtkönnteersonsteineBedrohungdarstellen.«A68»,der grösste Eisberg in der Umgebung,der imJuli 20 17 vom Larsen-C-Schelf-eis abbrach, ist etwa dreimal so gross.Das Amery-Schelfeis im Osten derAntarktis ist etwa 400 Kilometer langund 175 Kilometer breit. Mit einer Flä-
che von 62 600 Quadratkilometern ist es
nach demRoss-Schelfeis und demFilch-
ner-Ronne-Schelfeis das drittgrösste inder Antarktis. Obschon seine Oberflä-che im vergangenen Sommer stark ge-
schmolzen sein soll, befindet sich dasSchelfeis nach wie vor im Gleichgewicht
mitseinerUmwelt,wieesbeiderScripps
Institution of Oceanography heisst.
Der Ärmel gehört
zum Telefon
Google und Levi’s prod uzieren
eine «intelligente» Jeansjacke
JOCHEN SIEGLE
Levi’s hat in Zusammenarbeit mit Goo-
gle seine klassischeJeansjacke intel-ligent gemacht. Dank Smart-Fashion-Technologie des kalifornischenTech-Konzerns erkennt das legendäreTru-cker-Jacket nunTouch-Gesten.Trägerkönnen damit verschiedeneFunktionen
ihres Smartphones und der Sprachsoft-
ware GoogleAssistant nutzen,indem sie
lediglich denJeansstoff berühren.DasHandy selbst kann in derTasche bleiben.
Dabei reagiert der Bund des linken
Ärmels auf verschiedene,personalisier-
bareTouch-Befehle. Nutzerkönnen mit
der rechten Hand wischen oder tippen,
um sich etwa von Google Maps navigie-
ren zu lassen, auf News oderVerkehrs-
informationen zuzugreifen, Nachrich-ten abzuhören oder Orte zu merken,um beispielsweise das parkierteAutoeinfacher wieder zu finden.Auch Musik
lässt sich über die smarteJacke abspie-
len oder mit nur einer Handbewegung
ein Foto aufnehmen.
Äusserlich unterscheidet sich derStoff des Ärmelbundes nicht von dem,
was Levi’s sonst in seinenJeansproduk-
ten verarbeitet,ist aber mit leitfähigen
Fäden durchsetzt.Für die kabelloseVer-
bindung zum Smartphone sorgt ein ab-
nehmbarer Bluetooth-Sensor. Die ent-haltene Google-Technik nennt sichJac-
quard. In Kooperation mit anderenHerstellern stattet der Suchmaschinen-
konzernaufdieseWeiseauchRucksäcke
oder Schuhe mit digitalenFunktionenaus und will künftig noch weitere All-tagsobjektezudigitalenHelfernmachen.
Der mit dem Smartphone vernetzte
SensorJacquard-Tagkommuniziert mit
einer zugehörigenApp und soll vor dem
Waschen vom Kleidungsstück entferntwerden.Vergisst der Nutzer sein Smart-
phone, leuchtet derTag und bringt den
Ärmelbund zumVibrieren, um daraufaufmerksam zu machen. GooglesJac-quard-Hardware ist mittlerweile kleiner
als ein Kaugummi.Womöglich kann die
Technik auch baldselber inJeanshosen
verbaut werden – die trägt man anders
als eineJacke schliesslich den ganzenTag über und nicht nur imFreien.
NutzerkönnendiegewünschtenFunk-
tionenpersonalisieren undTouch-Bewe-
gungen zuteilen. Laut Googlekommen
regelmässig neueFunktionen hinzu –
über Software-Updates wird dieJacke
mitderZeitentsprechendimmersmarter.
Googlearbeitet bereits seit 2015 an
dem ProjektJacquard.Vorzwei Jahren
ist mit dem sogenannten Commuter-Ja-
cket die erste smarte Levi’s-Jacke daraus
hervorgegangen, die nun auch ein Up-
grade erhält. Die neueJeansjacke, dieauch telefonieren kann,kommtin ver-
schiedenenAusführungen amFreitagauf den Markt.