22 DEUTSCHLAND & DIE WELT WELT AM SONNTAG NR.40 6.OKTOBER2019
ie Stubenfliege nervt. „Der Brummer
muss weg.“ Anja Rauh schiebt sich aus der
Eckbank, sucht die Klatsche. Ah, da. Sie
setzt sich wieder. Die Fliege ist vorerst
verschwunden, aber die Klatsche liegt
jetzt da, griffbereit. Das ist es wohl, was Bruno Rauh
gemeint hat, als er sich eine „handfeste Frau“ wünsch-
te. „Noch Sahne, Schatz?“, fragt sie und lächelt.
VON BRENDA STROHMAIER
Dann erzählen sie und Bruno, wie das wirklich ge-
wesen ist, damals im Jahr 2007 bei „Bauer sucht Frau“.
Da ist sie probeweise zu ihm auf den Hof gezogen und
hat – so ist es im Fernsehen zu sehen gewesen – all-
abendlich in einem Wohnmobil vor dem Bauernhaus
geschlafen. „Kaum war das Kamerateam weg, kam
mein Schatz wieder zu mir herein“, sagt Bruno Rauh
mit seinem fränkischen R. Seine Frau ergänzt: „Da ha-
ben wir heftig geknutscht. Und unglaublich viel er-
zählt, nicht wahr, Schatz?“ Anja hieß damals noch Gri-
gutsch, war 38 Jahre alt und lebte in der Nähe von
Mönchengladbach. Als „rheinische Frohnatur“ charak-
terisierte RTL die Arzthelferin. Der fränkische Milch-
viehhalter Bruno Rauh war 45, seit Jahren Junggeselle,
die Sendung verpasste ihm das Etikett „liebevoller
Bauer“. Schon in der ersten Folge, als die beiden sich
das erste Mal begegneten und anstrahlten wie verhext,
ahnten Millionen von Zuschauern, dass da gerade eine
wahre Liebe entflammt war. Von einem „unglaublich
erhebenden Augenblick“ spricht Bruno Rauh heute
noch. Inzwischen haben die beiden – ebenfalls vor lau-
fender Kamera – ihren zehnten Hochzeitstag gefeiert.
30 Hochzeiten hat die Datingshow, die 2005 erst-
mals gezeigt wurde und bei der zu Rekordzeiten über
acht Millionen Zuschauer eingeschaltet hatten, bereits
angezettelt. Die meisten der Ehen halten bis heute,
erst Anfang August haben wieder mal zwei (Stephan
und Steffi) geheiratet, demnächst startet Staffel Num-
mer 15. Kein anderes Fernsehformat ist erfolgreicher
darin, Beziehungen zu stiften. Das rechnete jüngst die
Dating-App Jaumo vor, die auch Kuppelsendungen wie
„Adam und Eva“ und „Bachelorette“ akribisch auf ihre
Liebschafts-Haltbarkeit hin analysierte (und bei der
„Adam und Eva“ auf dem letzten Platz landete).
Anja und Bruno haben – bis auf ein anderes Bauern-
paar, das jetzt zurückgezogen lebt – demnach die äl-
teste amtierende deutsche Kuppelshow-Liaison. Sie
sind damit prädestiniert, darüber Auskunft zu geben,
warum im Fernsehen gerade der Bauer so erfolgreich
findet, wenn er denn mal sucht.
Der zweistöckige Hof sieht aus wie im Fernsehen,
nur irgendwie kleiner. Die Einrichtung hat 2008 die
Aufmöblerin Tine Wittler in der Sendung „Einsatz in
vier Wänden“ spendiert, das Bad mit den hellbraunen
Mosaikfliesen ebenso wie die weißen Gardinen mit
den Pflänzlein und Schmetterlingen drauf, rund 20
Mann hatten acht Tage lang am Hof gewerkelt, am En-
de der Sendung machte Bruno Anja einen Heiratsan-
trag. „Alles fürs Fernsehen schön gemacht“, sagt Anja
und zeigt auf ein Stück Tapete, das sich von der Decke
gelöst hat: „Kam schon kurz nach der Sendung run-
ter.“ Die Ehe aber hält.
„Weil Bauer sucht Frau das wahre Leben ist“, erklärt
Bruno. „Ich wollte ja nicht berühmt werden. Ich be-
griff das ernsthaft als Chance, eine Partnerin zu fin-
den. Da sehen dich Millionen von Frauen im Fernse-
hen, das schafft kein Datingportal. Und jede, die sich
bewirbt, weiß, auf was sie sich da einlässt.“ Gerade mal
20 Jahre alt war Rauh gewesen, als sein Vater in Rente
ging und er den Hof übernahm. Immer wieder lernte
er danach Frauen kennen. „Sobald ich vom Hof erzähl-
te, war da plötzlich eine unsichtbare Wand.“ Von we-
gen Landlust. Es schien, als gebe es keine, die bereit
wäre, ein Leben ohne Wochenende zu führen, sich von
Tieren, Wetter, Jahreszeiten herumkommandieren zu
lassen. Dann waren Bauern plötzlich Fernsehstars, ih-
re teilweise tollpatschigen Dating-Versuche fesselten
die Nation. Moderatorin Inka Bause schwärmt: „Die
Landwirte, die ich kennengelernt habe, sind mit ihrem
Beruf an sich und dem Leben in der Natur und mit den
Tieren sehr im Reinen. Sie strahlen eine Grundzufrie-
denheit aus, wie ich sie von kaum einem anderen Be-
rufsstand kenne.“ Freunde meldeten Bruno Rauh für
die dritte Staffel an, kurze Zeit später fragte die Pro-
duktionsfirma nach seinen Vorlieben: „Eine Frau zum
Anfassen, nicht zu dünn, nicht Schickimicki, kein Na-
gellack, eine, die voll im Leben steht.“
An Pfingsten war der schnurrbärtige Bauer erstmals
im Fernsehen zu sehen – und Anja sofort angetan. „Ich
hab den Bruno gleich aus dem Internet ausgedruckt
und meinen Kolleginnen gezeigt. ‚Sieht der nicht gut
aus?‘, hab ich gesagt.“ Ohnehin habe sie, die viele Bau-
ern in der Verwandtschaft hat, immer schon einen ge-
Immer wieder den Hof
Bauer hat Frau:
Vor zwölf Jahren brachten
Fernsehredakteure den
Bauern Bruno Rauh und die
Arzthelferin Anja Grigutsch
zusammen. Sie sind der
Beweis, dass TV-Ehen
funktionieren können
TTTatsächlich glücklich, immer noch atsächlich glücklich, immer noch Bruno Rauh und Anja in diesen Sommer
ANDREAS WETZEL; RTL/GUIDO ENGELS
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