Der Spiegel - 28.09.2019

(Ann) #1

main. Das Protokoll der Vernehmung konn-
ten das französische Portal Mediapart, der
»Guardian« sowie der SPIEGELeinsehen.
Es ist ein einseitiges Gespräch: Zu Beginn
erklärt Khelaifi, dass er großen Respekt vor
der Arbeit der Ermittler habe. Danach kom-
men ihm nur noch sehr wenige Worte über
die Lippen, zumeist die gleichen: Ich berufe
mich auf mein Recht zu schweigen.
Die Ermittler stellen Khelaifi ausführ -
liche Fragen: Als 2011 die Vergabe der
WM 2017 angestanden habe, habe Papa
Massata Diack, der damalige Marketing-
berater der IAAF, in einer Mail fünf Mil-
lionen Dollar aus Katar verlangt. Hat Khe-
laifi davon gewusst? Khelaifi beruft sich
auf sein Recht zu schweigen.
Eine Firma, die Khelaifi und seinem
Bruder gehöre, habe daraufhin Millionen-
gelder an Diacks Firma überwiesen – eini-
ge Zahlungen seien nur Tage vor der WM-
Vergabe auf dem Konto eingegangen. Den
Zuschlag für die WM 2017 bekam Katar
allerdings nicht. Seien die Gelder etwa um-
sonst geflossen? Khelaifi beruft sich auf
sein Recht zu schweigen.
Der Katarer schweigt auch zur schließ-
lich erfolgreichen Bewerbung für die WM



  1. Die Ermittler zitieren aus einem
    Vertragsentwurf, den das katarische Or -
    gani sationskomitee und eine
    Firma namens The Sporting
    Age (TSA) unterschreiben
    sollten. Für angebliche Ver-
    marktungsrechte der WM soll-
    ten die katarischen Organisato-
    ren 4,5 Mil lionen Dollar zah-
    len, TSA sei Papa Massata
    Diack, dem Sohn des Verbands-
    präsidenten, zuzurechnen.
    Dieser Vertragsentwurf könn-
    te ein wichtiges Puzzleteil für
    die Ermittler sein. Denn es er-
    scheint unlogisch, dass die Ka-
    tarer die Sponsorenrechte von


TSA kaufen sollten, weil eigentlich schon
zwei andere Agenturen mit der Vermark-
tung beauftragt waren. Wieso also war dann
noch Diacks Firma dazwischengeschaltet?
Verbirgt sich dahinter eine Schmiergeldzah-
lung an Diack junior, damit er mit seinem
Vater die WM in den Wüstenstaat bringt?
Am 18. November 2014, dem Tag der
Entscheidung für Doha, stellte das Orga-
nisationskomitee dem IAAF-Präsidenten
Diack einen Brief zu, in dem der Wert des
Sponsorenvertrags von 2 Millionen auf
4,5 Millionen Dollar angehoben wurde.
Auf Anfrage erklärt der IAAF, der finale
Vertrag sei erst dieses Jahr unterzeichnet
worden, das Geld sei an die wahren Ver-
markter gegangen – nicht an TSA. Wie
entscheidend der Vertragsentwurf für die
Wahl Dohas war und warum sein Wert
kurz vor der Wahl mehr als verdoppelt
wurde, kommentiert der Verband nicht.
Lamine Diack und Khelaifi wollten sich
auf Anfrage nicht äußern. Der damalige
Chef des katarischen Organisationskomi-
tees war bis August Botschafter des Emirats
in Berlin. Eine Botschaftssprecherin erklär-
te auf Anfrage, man werde sich melden,
sobald ein neuer Diplomat im Amt sei.
Die Doha-Ermittlungen passen zu den
Mauscheleien, die den Diacks bereits bei
der Vergabe zahlreicher ande-
rer Sportwettbewerbe zuge-
schrieben wurden. Neben den
Olympischen Spielen 2016 in
Rio de Janeiro und der Leicht-
athletik-WM 2015 in Peking
steht auch die Abstimmung für
Tokio als Olympiaort 2022 im
Fokus. Der Chef des japani-
schen Olympischen Komitees
musste wegen Korruptionsvor-
würfen zurücktreten. Auch hier
geht es um Überweisungen an
eine Firma, die offenbar Diack
junior zuzuschreiben ist.

Papa Massata Diack taucht bei den
Strafermittlungen immer wieder als Strip-
penzieher auf. Seit 2016 wird er von In-
terpol gesucht, offenbar hält er sich im
Senegal auf und wird nicht ausgeliefert.
Nun interveniert offenbar das Internatio-
nale Olympische Komitee: Ein IOC-Spre-
cher erklärte, man habe den senegale -
sischen Präsidenten Macky Sall um Unter-
stützung der Ermittlungen gebeten. Sall
habe eingewilligt.
Diack junior antwortet mit mehreren
E-Mails auf eine Bitte um Stellungnahme.
Darin erklärt er unter anderem, die fran-
zösischen Behörden seien überhaupt nicht
für die fraglichen Verträge zuständig. Der
Untersuchungsrichter, so glaubt Diack, sei
ein voreingenommener »fucking racist bas-
tard«. Die aktuelle IAAF-Führung solle
»die Eier haben«, ihn zu verklagen, wenn
sie Beweise für Fehlverhalten habe. Er
habe nie Geld kassiert, das dem Verband
zugestanden habe.
Ein Lausbub oder Schurke, ein »filou«
sei dieser Diack, sagt ein deutscher Ex-
Funktionär, der ihn gut kennt: Helmut
Digel. Der frühere Chef des Deutschen
Leichtathletik-Verbands hat Lamine Diack
bis 2007 acht Jahre lang als IAAF-Vizeprä-
sident vertreten. Digel war beim Verband
für Marketing zuständig und hatte immer
wieder mit Diacks Sohn zu tun.
Für die französischen Untersuchungs-
richter ist der 75-Jährige darum ein wich-
tiger Zeuge. Bei einem Verhör blieb Digel
jedoch vage. Ja, er habe immer wieder
Probleme mit Papa Massata Diack gehabt.
Die endgültigen Verträge habe er aber nie
gesehen, obwohl er als Marketingchef
die Verhandlungen dazu »vorbereitet und
geführt« habe.
Auf SPIEGEL-Anfrage antwortet Digel,
er sei auf einer Auslandsreise und könne
den Sachverhalt nicht kommentieren. Das
Protokoll seiner Zeugenaussage passt zu
seinen bisherigen Einlassungen über die
Diacks, die erstaunlich naiv anmuten:
nichts geahnt, nichts mitbekommen. Da-
bei war der Deutsche selbst einmal anwe-
send, als Papa Massata Diack 2006 von
der Stuttgarter Messegesellschaft Schmier-
geld für die Ausrichtung eines IAAF-Welt-
finales verlangte. Digel meldete den Vor-
gang anschließend seinem Verband.
Im Verhör erzählt er, dass Vater Lamine
Diack sich später bei einem Treffen mit
seinem Sohn, Digel und dem damaligen
IAAF-Generalsekretär »schockiert und
genervt« gezeigt und seinem Filius einen
Einlauf verpasst habe: Wenn der Vorgang
öffentlich würde, wäre er als IAAF-Präsi-
dent erledigt.
Dieser Einlauf hat offenbar wenig be-
wirkt.
Rafael Buschmann, Christoph Winterbach,
Michael Wulzinger

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CLAUDE PARIS / PICTURE ALLIANCE
Funktionär
Lamine Diack
Prozess im Januar

FRANCOIS NEL / GETTY IMAGES
IAAF-Event im Khalifa-Stadion in Doha im Mai: Künstlich heruntergekühlt
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