Der Spiegel - 28.09.2019

(Ann) #1

D


en Eingang zum repräsentativen
neuen YouTube-Space in der Stadt-
mitte von Berlin hat der britische
Stararchitekt David Chipperfield entwor-
fen. Wie den Eingang zum großen Gebäu-
dekomplex auf der Museumsinsel, direkt
nebenan. Deutlicher kann ein Konzern
seinen Ehrgeiz nicht zeigen. YouTube,
eine Tochter von Google, möchte nicht


mehr nur eine Abspielstation für alle
möglichen Videos sein. Im Ge bäude selbst
gibt es Video studios für In fluencer, ein
Tonstudio für Musiker, ein Konzertsaal
mit Platz für 120 Zuschauer. Wer bei You-
Tube groß ist, soll noch größer werden
können.
Lyor Cohen, 59, ehemaliger Hip-Hop-
Manager und einflussreicher Plattenfir-

menmann ist der Chef der Musikabteilung
von YouTube und der Kopf hinter diesen
Plänen.

SPIEGEL:Herr Cohen, YouTube ist als Vi-
deoplattform bekannt. Nun eröffnen Sie
hier in Berlin eine neue Zentrale, in der es
Studios und Coworking Spaces gibt. Was
haben Sie vor?
Cohen:Die Idee ist, dass alle Künstler,
Musiker und Songwriter im Wasser von You-
Tube schwimmen sollen. Jeder Künstler, der
eine bestimmte Zahl von Followern auf sei-
nem YouTube-Kanal hat, kann kommen.
Ohne zu bezahlen. Wer zuerst da ist, be-
kommt den Raum. Die Künstler sollen etwas
davon haben, wenn sie bei uns schwimmen.
SPIEGEL:Wollen Sie zum Plattenlabel
werden?
Cohen:Nein. Plattenfirmen haben keine
Aufnahmestudios mehr. Das ist vorbei.
Heute ist die Aufgabe eines Labels, einem
Musiker zu helfen, seine künstlerische
Richtung zu finden. Seine Musik zu
vermarkten. Werbung für sie zu machen.
Videos zu machen. Die Musik zu kompo-
nieren und aufzunehmen ist den Künstlern
selbst überlassen. Das ist teuer und braucht
Zeit. Dabei werden wir helfen.
SPIEGEL:Viele Vertreter der Musikindus-
trie werfen Ihnen vor, zu wenig Geld zu
zahlen. Spotify und Apple schütten mehr
Geld pro Stream aus als Sie.
Cohen:Die Streamingwelt wird von zwei
Motoren angetrieben: Abonnements und
Werbung. Nicht anders als die Welt der
Magazine und Zeitungen. Ein Zuschauer,
der mit Aufmerksamkeit bezahlt, zahlt
weniger als der, der ein Abonnement ab-
schließt. Das heißt für uns: Bei Abonne-
ments zahlen wir so viel an die Künstler
wie die anderen Services. Bei den Einnah-
men aus dem Werbebereich nicht. Aber
der Kuchen wird größer werden. Und dem-
entsprechend auch die Erlöse.
SPIEGEL:Bei den Abonnenten liegt You-
Tube hinter Spotify und Apple. Sind Sie
zufrieden mit Ihren Zahlen?
Cohen:Nein, bin ich nicht. Aber das ist
ein Marathon. Ich bin mir sicher, dass wir
im Jahr 2025 die größte Geldquelle der
Musikindustrie sein werden. Niemand
wird so viel ausschütten wie wir – das wird
auch bei den Künstlern landen.
SPIEGEL:Womit werden Musiker dann ihr
Geld verdienen?
Cohen:In der unmittelbaren Zukunft:
durch Werbung und Abonnements. Spä-
ter: mit dem direkten Zugang zum Konsu-
menten. Wir werden den Künstlern die
Möglichkeit geben, direkt in Kontakt mit
ihren Fans zu treten. Sei es für Ticketver-
käufe oder für Chats.
SPIEGEL:Was macht Sie so sicher, dass die
nicht lieber mit Apple kooperieren?
Cohen:Der einzige Ort, an dem die Künst-
ler wissen, mit wem sie es bei ihrem Publi-

128 DER SPIEGEL Nr. 40 / 28. 9. 2019


»Wir werden die


Größten sein«


UnterhaltungYouTube-Manager Lyor Cohen will die Plattform
zu einem Global Player der Musikindustrie machen.

STEFFEN JÄNICKE / DER SPIEGEL
Führungskraft Cohen im Berliner Studio: »Alle sollen in unserem Wasser schwimmen«
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