Der Spiegel - 28.09.2019

(Ann) #1
129

Kultur

77%
der Onlinebefragten haben
im vergangenen Monat Musik
auf YouTube konsumiert.

Quelle: IFPI

Streaming
(z. B. Apple Music,
Spotify, YouTube Music)

Downloads

CD, Vinyl u. a.

Lizenzgebühren
(GEMA)

andere

2018
gesamt: 19,1

1,4


4,3

6,8

1,8

2,3

4,7

2013 2,7
gesamt: 14,8

Klangwelten
Musikmarkt weltweit
Absatz in Milliarden Dollar

8,9


Repräsentative Umfragen (34 000 Befragte)
in 19 Ländern April/Mai 2019

kum wirklich zu tun haben, ist You Tube.
Unsere Konkurrenten haben das nicht.
Spotify und Apple funktionieren eher
wie klassische Plattenläden. Snapchat und
In stagram sind soziale Plattformen. Wir
bieten alles zusammen.
SPIEGEL:Und keiner wertet die Daten so
gnadenlos aus wie Sie
Cohen:Um etwa Playlisten zu erstellen,
ist künstliche Intelligenz wichtig – aber
ganz ohne menschliche Erfahrung geht es
auch künftig nicht.
SPIEGEL:Viele In fluencer drängen derzeit
ins Musikgeschäft. Finden Sie das gut?
Cohen:Kultur lebt vom Geschichten -
erzählen. Insofern wollen wir jedem, der
seine Kunst machen möchte, die Gelegen-
heiten dazu geben. Musiker zu sein ist aber
etwas Besonderes Wir wollen aber nicht,
dass jeder Musik macht, nur weil er oder
sie glaubt, das müsse nun sein.
SPIEGEL:Wie wollen Sie denn zum Ge-
schichtenerzähler werden?
Cohen:Wir haben ein neues Feature ein-
geführt: YouTube Music Premiere. Musik
handelt von großen Momenten. Deshalb
gehen Menschen in Konzerte. Premiere
soll das zu uns bringen.
SPIEGEL:Und wie?
Cohen:Stellen Sie sich einen Künstler
wie den Rapper Eminem vor. Er hat eine
Weile nichts gemacht. Jetzt hat er ein
neues Album produziert, und das erste
Video dazu ist fertig. Was kann er
tun? Wir möchten, dass er allen seinen
Fans sagt: Kommt zusammen. In
einem Chatroom. Zu einer bestimmten


Uhrzeit. Und wenn dann alle da sind, zäh-
len wir die Sekunden herunter: bum!,
läuft das Video. Und alle können sich pa-
rallel dazu unterhalten. Der Künstler
selbst ist da und redet mit! Jeder wird es
benutzen.
SPIEGEL:Wird sich die Musik durch die
digitale Vernetzung ähnlicher?
Cohen:Nein. Ein Teil von dem, was
YouTube macht, ist ja die Bewahrung
von Traditionen. Fast jede Musik findet
sich mittlerweile auf der Plattform, viele
alte Aufnahmen. Ich sehe keine Homoge-
nisierung. Sogar Schlager hat bei uns
seinen Ort, auch klassische Musik steht
mittlerweile bei YouTube. Als ich vor
19 Jahren hier in Berlin das Deutschland-
büro der Hip-Hop-Plattenfirma Def Jam
eröffnet habe, kam mir die deutsche
Szene immer vor, als würden die Künstler
bei uns Amerikanern um Erlaubnis fragen:
Dürfen wir rappen? Heute ist das anders:
Acht der zehn meistgestreamten Songs
auf unserer Seite in diesem Sommer
in Deutschland waren deutsche Rap -
stücke.
SPIEGEL: Irritiert Sie das?
Cohen:Es macht mich stolz. Ich war in
den Achtzigern der Tourmanager von Run-
DMC. Ich habe mit den Beastie Boys zu-
sammengearbeitet, mit Public Enemy, mit
Jay-Z. Eine Menge Leute sagen mir: Lyor,
du hast die goldene Ära des Hip-Hop mit-
gestaltet. Aber ich sehe das nicht so. Denn
es hört nicht auf, sondern geht immer
weiter.
SPIEGEL:Hip-Hop war immer der Sound-
track der Unterschicht. Ist es nicht eigen-
artig, jetzt hier im Herzen der Hauptstadt
zu residieren? 500 Meter von der Woh-
nung der Kanzlerin entfernt?
Cohen:Ach, die soll einfach mal vorbei-
kommen.
SPIEGEL:Was sagen Ihre alten Freunde
aus den Plattenfirmen eigentlich dazu,
dass Sie die Seiten gewechselt haben? Das
Internet hat deren Leben sehr viel schwe-
rer gemacht.
Cohen:Die sind froh, dass ich weg bin. So
bin ich kein Konkurrent mehr.
SPIEGEL:Der uneigennützige Herr Cohen
von YouTube – come on?
Cohen:Ich mache das, was ich immer
gemacht habe. Ich war neulich bei einer
Elternversammlung an der Schule meiner
Tochter. Gute Schule in New York. Es gibt
eine Runde, alle Eltern stellen sich vor.
»Ich bin bei Goldman Sachs«, sagt der Ers-
te. »Ich bin bei der Bank of America«, sagt
der Nächste. Dann komme ich an die Rei-
he. Was machen Sie? »Ich helfe Künstlern
und Songschreibern, ihren Lebensunter-
halt zu verdienen.« Danach waren alle still.
Mic drop nennt man das im Battle-Rap.
Wenn klar ist, wer gewonnen hat.
Interview: Tobias Rapp

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