Der Spiegel - 28.09.2019

(Ann) #1

Sylvester Stallone, einte die »Bereitschaft
zu kämpfen, auch wenn es zunächst noch
so aussichtslos erscheint«, schreibt Mart-
schukat.
Der Rocky- und der Rambo-Körper wa-
ren Männerkörper, die im Rückblick fast
ordinär wirken, so brutal und schwer und
dominant – noch keine fein definierten,
flexiblen, hochfunktionellen Yoga-Män-
nerkörper, wie sie heute Trend sind. Und
doch feierte das Kino mit ihnen schon das
selbstverantwortliche Individuum, das bis
heute den Ton angibt, im Kino und in der
Welt da draußen. Fitness wurde zum Zei-
chen dafür, leistungsfähig und leistungs-
willig zu sein, für sich und für andere Ver-
antwortung übernehmen zu können und
zu wollen. Die Menschen sollten perma-
nent an sich arbeiten, sich auf dem Markt
in eine bessere Position bringen, »schlanke
Bürger für einen schlanken Staat« nennt
der Historiker Martschukat das.
»Ich bin froh, dass ich kein Dicker bin,
denn Dicksein ist ’ne Quälerei«, grölte der
Rockmusiker Marius Müller-Western -
hagen Ende der Siebzigerjahre. »Dicke
schwitzen wie die Schweine / Stopfen,
fressen in sich rin.« Heute würde Wes -
ternhagen mit dem Song sicher einen
Shitstorm in den sozialen Netzwerken
aus lösen, aber ebenso sicher würden die
meisten Deutschen allein zu Hause vorm
Radio noch immer mitgrölen.
Die Body-Positivity-Bewegung hat
einen Trend gesetzt, aber bislang ist es
nur ein Gegentrend zum Megatrend
Fitness, Subkultur in Abgrenzung vom
Mainstream.
Zum Fitnesswahn passt der aktuelle Er-
nährungswahn: Vegetarismus und Vega-
nismus, die radikal regionale Küche, Essen
wie die Steinzeitmenschen, dazu die
Trends des sogenannten Clean Eating –
keine Fertiggerichte, kein Fast Food, keine
künstlichen Süß-, Farb- und Konservie-
rungsstoffe, möglichst wenig Weißmehl,
Zucker, Salz. Je kürzer die Zutatenliste,
desto besser.
Geht es beim Fitnesswahn um Fleiß, so
geht es beim Ernährungswahn um Ver-
zicht. Und so geht es bei beiden darum,
sich selbst im Griff zu haben.
Es geht um Affektkontrolle – eine alte
protestantisch-preußische Tugend, über
die seit Jahrhunderten Klassenunterschie-
de markiert werden.
Die Pointe ist, dass der Fitness- wie der
Ernährungswahn eine Wurzel in der Ge-
genkultur haben. Fitnesstraining, darauf
weist Martschukat hin, ließ sich in seiner
Frühzeit auch als emanzipatorischer Akt
begreifen, als Selbstermächtigung: der mo-
derne Mensch nicht mehr nur als Autor
der eigenen Biografie – sondern nun auch
Autor des eigenen Körpers.
Ein Beispiel: Die Aerobicwelle der
Achtziger, die die Schauspielerin Jane


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