Der Spiegel - 28.09.2019

(Ann) #1

lich unbekannter Whistleblower, der
Trump in eine Krise stürzte und sich bereit
erklärt hat, mit dem Kongress zusammen-
zuarbeiten. Dann sind da die Demokraten
um Nancy Pelosi, die mit dem Impeach-
ment eine gigantische Wette eingehen,
weil die Affäre ihren aussichtsreichsten
Präsidentschaftsbewerber Joe Biden be-
schädigen wird. Schließlich spielen die Re-
publikaner eine große Rolle, und natürlich
Trump selbst.
Die Fragen, die sich stellen: Wie unter-
scheidet sich dieser Skandal von anderen
der Trump-Ära? Wo stehen die Republi-
kaner in dieser Sache? Was ist dran an der
Geschichte um Joe und Hunter Biden, die
Trump verbreitet? Hat der Präsident ge-
gen seinen Amtseid verstoßen und gegen
die Verfassung? Und letztlich: Wie könnte
die Sache für alle Seiten ausgehen?


Der Whistleblower:
Bombe in Washington

Wie viele Affären beginnt auch diese mit
Ereignissen, für die es zunächst keine plau-
sible Erklärung gibt. Am 28. Juli, drei Tage
nach dem Telefonat zwischen Trump
und Selenskyj, kündigt der amerikanische
Geheimdienstdirektor Dan Coats seinen


Rückzug an. Trump vermeldet die Perso-
nalie per Twitter, aber die Meldung zieht
keine größeren Kreise. Zu viele Mitarbei-
ter aus Trumps Umfeld verlassen die Re-
gierung. Außerdem ist Washington noch
mit der Nachlese des Mueller-Auftritts im
Kongress beschäftigt.
In der Rückblende aber wirkt es, als
könnte Coats’ Rücktritt ein Akt des Pro-
tests gegen die Amtsanmaßung des Präsi-
denten gewesen sein. Am 8. August erklärt
auch Sue Gordon, die stellvertretende Ge-
heimdienstdirektorin, ihren Amtsverzicht.
Sie war eine enge Vertraute von Coats.
Vier Tage darauf, am 12. August, meldet
sich der Whistleblower mit einer offiziel-
len Beschwerde bei Michael Atkinson,
dem Generalinspekteur für die Geheim-
dienste. Atkinson fungiert als eine Art in-
terner Aufseher für die US-Spionage -
behörden und ist an politische Weisungen
nicht gebunden. Die Geschichte, die er
liest, ist haarsträubend. Es geht vor allem
um das Telefonat zwischen Trump und
dem ukrainischen Präsidenten, aber der
Whistleblower hat noch andere Informa-
tionen.
Seine Beschwerde ist sieben Seiten lang,
plus anderthalb Seiten Anhang. Trump
nutze die »Macht seines Amtes« dazu, die

Einmischung eines anderen Landes in die
Präsidentschaftswahlen 2020 zu fordern,
schreibt der Autor. Ferner wirft der Infor-
mant der Trump-Regierung Vertuschung
vor. Mehrere führende Mitarbeiter des
Weißen Hauses hätten sich in den Tagen
nach dem Telefonat bemüht, den Zugang
zu sämtlichen Aufzeichnungen rund um
das Gespräch, insbesondere einer wörtli-
chen Mitschrift, zu »sperren«.
Auch wenn zunächst nicht klar war, wer
den Brief verfasst hat, soll es sich bei dem
Whistleblower laut »New York Times« um
einen CIA-Analysten handeln, der zeitwei-
se dem Weißen Haus zugeteilt war.
Sein Brief wurde am Donnerstag vom
Geheimdienstausschuss des Repräsentan-
tenhauses veröffentlicht. Es ist ein explo-
sives Schreiben, es zeigt, dass Trumps Um-
feld schnell begriff, wie sensibel das Telefo -
nat des Präsidenten mit seinem ukrainischen
Amtskollegen war. Der Whistleblower hat
nicht direkt mitgehört, sondern bezieht
sich auf Regierungsquellen. Er stützt den
Teil seiner Beschwerde, der sich auf das
Gespräch zwischen Trump und Selenskyj
bezieht, auf Informationen, die mehrere
Mitarbeiter des Weißen Hauses »mit di-
rekter Kenntnis des Telefonats« mit ihm
geteilt hätten. Der Vorwurf der Vertu-

14 DER SPIEGEL Nr. 40 / 28. 9. 2019


UPI / LAIF / DDP IMAGES

Staatschef Selenskyj: »Ich darf Ihnen gestehen, dass ich die Gelegenheit hatte, von Ihnen zu lernen«
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