Der Spiegel - 28.09.2019

(Ann) #1
ton, bei Joe Biden, bei den Demokraten.
Gezielt attackiert er seriöse, investigative
Medien wie die »New York Times« oder
die »Washington Post«, um deren Glaub-
würdigkeit zu beschädigen.
Das Gift wirkt: Trumps Anhänger an der
Basis und in rechtsgerichteten Fernsehsen-
dern wie Fox News nehmen seine Erzäh-
lungen gern auf. Sie teilen seine Ressenti-
ments gegen »Globalisierungsfreunde« und
eine abgehobene »liberale Elite« in Wa-
shington. Trump hat das Kunststück ge-
schafft, sich als Superreicher zum vermeint-
lichen Fürsprecher der verarmten amerika-
nischen Arbeiterschicht zu machen.
Seine Popularität bei diesen Wählern si-
chert ihm die Macht in Washington – zu-
mindest bisher. Praktisch jeder Abgeord-
nete der Republikaner ist inzwischen mehr
oder weniger von Trumps Wohlwollen ab-
hängig. Wer sein Mandat behalten will,
braucht die Unterstützung des Präsidenten
bei parteiinternen Vorwahlen. Über Kan-
didaten, die es wagen, ihn zu kritisieren,
senkt er den Daumen.
Ob dieses Bündnis stark genug ist, auch
die Ukrainekrise und ein Impeachment-
Verfahren zu überstehen? Treue Verteidi-
ger des Präsidenten wie Senator Lindsey
Graham, der Vorsitzende des Justizaus-

schusses, beeilten sich kurz nach der Ver-
öffentlichung der Mitschrift des Telefonats,
Trump von jeder Schuld freizusprechen:
Das Telefonprotokoll zeige, wie harmlos
die Sache in Wahrheit sei, erklärte Gra-
ham. Ein Amtsenthebungsverfahren wäre
Unsinn. »Da ist nichts.«
Aber nicht alle Republikaner stehen
diesmal in Treue fest zu Trump. Mancher
Parteifreund bleibt auffallend still. Insbe-
sondere unter den republikanischen Se-
natoren, die am Ende über Trumps Amts-
enthebung abstimmen müssten, wollen
offenbar viele abwarten, ob weitere Ent-
hüllungen kommen. Der Geheimdienst-
ausschuss, in dem die Republikaner den
Ton angeben, will den Fall weiterhin un-
tersuchen. Die Republikaner hatten auch
mit durchgesetzt, dass das Weiße Haus
die Beschwerde des Whistleblowers an
den Kongress übergibt.
Bislang wagen nur wenige, sich öffent-
lich gegen den Präsidenten zu stellen. Mitt
Romney, Senator der Republikaner aus
Utah und langjähriger Feind Trumps, wieg-
te sorgenvoll den Kopf und nannte Trumps
Telefongespräch mit Selenskyj »extrem be-
sorgniserregend«. Romney wird nachge-
sagt, dass er die Republikaner in die Ära
nach Trump führen will.

Genauso gefährlich wie die Republika-
ner könnten Trump allerdings die eigenen
Mitarbeiter werden. Bisher haben die
meisten Dissidenten still ihren Dienst quit-
tiert, um sich den Zumutungen zu entzie-
hen. Der CIA-Whistleblower hat sich dazu
entschieden, eine Bombe zu zünden. In
seinem Bericht nennt er Namen weiterer
Beamte, die wie er unglücklich sein sollen
über die Amtsauffassung des Präsiden-
ten – darunter respektable Diplomaten
wie Kurt Volker, der US-Sonderbeauftrag-
te für die Ukraine.
Wenn Leute wie Volker in einem Impeach -
ment-Verfahren auspacken würden, dann
könnte es eng werden für Trump. Die Atta-
cken von Demokraten kennt er seit Jahren –
eine Rebellion aus dem Innern des Appa-
rats wäre auch für ihn überraschend.
Christian Esch, Roland Nelles,
René Pfister, Marc Pitzke,
Maximilian Popp, Alexander Sarovic,
Christoph Scheuermann

DER SPIEGEL Nr. 40 / 28. 9. 2019 21

Video
Wie wahrscheinlich ist
Trumps Absetzung?
spiegel.de/sp402019trump
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ANNA MONEYMAKER / NYT / REDUX / LAIF


Demokratin Pelosi: Das Gift wirkt
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