Der Spiegel - 28.09.2019

(Ann) #1
AFP

Zerstörter Wohnkomplex »Green Village« in Kabul

22


Deutschland

Afghanistan-Einsatz

Bundespolizei kontra Innenministerium


Seehofers Beamte drängen auf Rückkehr der deutschen Polizisten nach Kabul.

 Zwischen Bundesregierung und Bundespolizei gibt es erheb -
liche Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft der deut-
schen Polizeimission in Afghanistan. Nach einem Terroranschlag
auf den schwer gesicherten Wohnkomplex »Green Village« im
Osten Kabuls, in dem das »German Police Projekt Team« (GPPT)
bis dahin sein Büro betrieb und die 22 eingesetzten deutschen
Polizisten einquartierte, wurde Anfang September die Hälfte der
Beamten außer Landes gebracht. Seitdem ruht das Ausbildungs-
projekt für die lokalen Sicherheitskräfte; nur eine Handvoll der
Polizeiausbilder harrt auf dem Gelände der deutschen Botschaft
aus. Das Innenressort von Minister Horst Seehofer (CSU) drängt
jedoch darauf, schnell wieder Polizisten nach Afghanistan zu
schicken, da diese parallel zur Ausbildungs mission die Abschie-
bungen von Afghanen aus Deutschland in Kabul abwickeln. Als


Ende vergangener Woche auf Anweisung des Ministeriums eine
Gruppe der evakuierten Beamten wieder nach Kabul zurück -
kehren sollte, intervenierte die Führung der Bundespolizei und
verhinderte den Abflug. Die Bundespolizei hält die Lage in
Kabul für zu gefährlich, zudem verfügt die GPPT-Mission der-
zeit weder über ein sicheres Büro noch über Unterkünfte für
seine Mitarbeiter.
Bei der Attacke am 2. September kamen die deutschen Ausbilder
nur durch Glück unbeschadet davon. Zunächst hatte ein Angrei -
fer am Tor des »Green Village« eine Autobombe gezündet. Dann
stürmte eine Gruppe Bewaffneter in den Wohnkomplex, es gab
stundenlange Gefechte mit privaten Sicherheitskräften. Am Tag
darauf wurden fast alle gepanzerten Jeeps des deutschen Polizei-
projekts von Brandbomben wütender Afghanen zerstört.MGB, WOW

»Plötzlich sagte er: Mama, der Pfarrer hat was Komisches gemacht.« ‣S. 50

Migration


Weniger Abschiebungen


 Die Zahl ausreisepflichtiger Ausländer
in Deutschland steigt weiter an. Laut
eines aktuellen Lagebilds des Gemein -
samen Zentrums zur Unterstützung der
Rückkehr (ZUR) wuchs die Anzahl der
vollziehbar ausreisepflichtigen Personen
innerhalb eines Jahres zum Stichtag



  1. Juni 2019 von 234 603 auf 246 737,
    ein Plus von 5,2 Prozent. Den größten
    Anstieg ausreisepflichtiger Ausländer
    verzeichnete das ZUR bei Irakern (plus
    43 Prozent), Nigerianern (plus 43 Pro-
    zent) und Iranern (37 Prozent). Gleichzei-
    tig wurden weniger Migranten ohne Blei-
    berecht abgeschoben. So sank die Zahl
    im ersten Halbjahr 2019 im Vergleich zum
    Vorjahreszeitraum von 12 266 auf 11 496


Personen, ein Minus von 6,3 Prozent. Die
Zahl der Überstellungen nach dem soge-
nannten Dublin-Verfahren in andere
EU-Mitgliedstaaten ging um 15,4 Prozent
zurück. Ebenso sank die Zahl der staat lich
geförderten freiwilligen Rückkehrer in
den vergangenen Jahren kontinuierlich.
Die meisten ausreisepflichtigen Ausländer
kommen aktuell aus Afghanistan (20 921),
Irak (18 457) und Serbien (12 659). ROL
Free download pdf