Der Spiegel - 28.09.2019

(Ann) #1

die Bürokraten, die nichts vom Kämpfen
verstehen, wollen das letzte Wort haben.
Gefordert, so erzählt es Hoffmann, war
ein Modell mit Dieselmotor, über den das
von der Marine favorisierte Modell aber
leider nicht verfügte, weshalb er nun eilig
nachgerüstet werden sollte. Das klappte
nicht, jedenfalls nicht so, wie man sich das
vorgestellt hatte. »Mit dem Dieselmotor
war nach einer halben Stunde Flugzeit
Schluss«, sagt Hoffmann. Das Projekt
drohte zum Fiasko zu werden.
Am Ende hörte man doch auf ihn und
fing noch einmal neu an. Jetzt konnte man
die Drohne auswählen, die am besten ge-
eignet war. Mittlerweile läuft das Projekt
nach Plan – wenn man von der Verzöge-
rung von mehr als vier Jahren absieht.


Statt, wie ursprünglich geplant, im De-
zember 2018, sollen die Drohnen im
nächsten Jahr mit einer sogenannten Erst-
befähigung und erst bis Ende 2023 mit der
vollen Einsatzreife bereitstehen. Wenn es
gut läuft.
»Und dann heißt es am Ende wieder:
Koblenz kriegt es nicht hin«, sagt Hoff-
mann. »Ich kann das nicht mehr hören.«
Hinter dem Wort Rüstung verbirgt sich
ein komplexes Geflecht von Interessen.
Die Truppe braucht Material, die Industrie
will verkaufen, dazwischen sitzt das Amt.
Es gibt Nähe, Abhängigkeiten, auch zwi-
schen Amt und Industrie, man arbeitet im-
mer wieder Hand in Hand. Schon häufig
entstand dabei etwas zu viel Nähe.
Das Amt ist nicht immer schuld. Aber
es hat viel für seinen miesen Ruf getan.
Der Eurofighter flog erst neun Jahre spä-
ter als geplant, der Kampfhubschrauber


»Tiger« kam 18 Jahre später als kalkuliert
zum Einsatz. Das Transportflugzeug
A400M wurde knapp 1,5 Milliarden Euro
teurer als geplant, beim Eurofighter waren
es fast sieben Milliarden Euro, was einer
Steigerung um 40 Prozent entsprach. Ver-
gleichsweise günstig kam der Staat beim
»Tiger« weg, wo man knapp unter einer
Milliarde Euro Mehrkosten blieb.
Das ist das Grundrauschen, das dieses
Amt umgibt. Hinzu kommen Geschichten
wie die aus dem vergangenen Jahr. Da
machte ein Beamter aus Koblenz Schlag-
zeilen, weil er eine Stellenanzeige geschal-
tet hatte: Er klagte über Unterbeschäfti-
gung und suchte einen neuen Job. Der
»Rhein Zeitung« erklärte er dann, er sitze
seit einem Jahr täglich ohne Arbeit allein

in einem Zehn-Quadratmeter-Büro im
Amt, sei deshalb in Behandlung und habe
bereits einen Herzinfarkt erlitten.
Dabei können sie in Koblenz eigentlich
nicht über zu wenig Arbeit klagen.
Matthias Mantey, 44, randlose Brille,
weißes Hemd, auf der Stirn ein feiner
Schweißfilm, ist Spezialist für Vergabe-
recht und leitet derzeit neben dem Referat
J1 noch das Justiziariat, weil der Dienst-
posten seit Oktober 2018 unbesetzt ist.
Mantey ist ganz gut ausgelastet.
In seinem Referat gibt es elf juristische
Dienstposten, drei davon sind unbesetzt,
außerdem ist immer jemand im Urlaub,
krank oder auf Dienstreise. Meistens, sagt
Mantey, komme er vom Personal her auf
50 bis 60 Prozent. »Wir sitzen hier eigent-
lich jeden Tag länger, als wir sollten«, sagt
er, was bedeutet, dass sich sein Überstun-
denkonto im dreistelligen Bereich befindet

und er abends selten vor 20 Uhr das Amt
verlässt. Um 20 Uhr müsse er allerdings
draußen sein, sagt er. »Das ist ein ganz
guter Kontrollmechanismus, weil sie dann
unten die Pforte zusperren.«
Nach Angaben der Leitung sind derzeit
2200 Dienstposten unbesetzt. Mit Reser-
visten und Aushilfskräften aus der Truppe
versuche man, die größten Lücken zu stop-
fen, sodass derzeit nur 1850 Leute fehlten.
Besonders schwierig sei es, Ingenieure zu
gewinnen, die könnten in der Industrie
deutlich mehr verdienen. Ebenfalls schwie-
rig sei es bei Juristen und Wirtschaftswis-
senschaftlern.
Koblenz ist ja ganz hübsch – aber wenn
man stattdessen in Köln in einer Groß-
kanzlei anfangen kann?
Bei Mantey kommt ein Problem hinzu.
Er muss ständig neue Mitarbeiter ein -
arbeiten, weil die Leute in der Regel zwei
Jahre auf ihrem Dienstposten sitzen, um
dann weiterzuziehen. Für ihre Karriere sei
das sinnvoll. »Aber für mich hier ist es ein
schwerer Nachteil, weil ich die Leute ge-
rade ausgebildet und eingearbeitet habe,
da sind sie schon wieder weg.«
Zumal die fertig ausgebildeten Juristen,
die bei Mantey ankommen, meistens kei-
ne Ahnung vom Vergaberecht haben, es
ist kein Bestandteil der klassischen juris-
tischen Ausbildung. »Die Industrie dage-
gen steht uns mit fertig ausgebildeten
Fach anwälten für Vergaberecht gegen-
über.«
Immerhin, sagt Mantey, habe er jetzt
im Fall einer Kollegin durchgesetzt, dass
sie ihm vier Jahre erhalten bleibe. »Das
ist schon fast revolutionär.«
Was es aus Manteys Sicht geben müsste:
sogenannte Fachkarrieren bei Juristen,
also die Möglichkeit, sich zu spezialisieren
und trotzdem im Amt aufzusteigen.

Fachkarrieren.Das ist so ein Wort, das
eigentlich viel zu klein ist für das Ausmaß
der Misere. Aber es wäre wohl tatsächlich
ein Anfang. Und Kramp-Karrenbauer hat
vergangene Woche angedeutet, dass es in
diese Richtung gehen könnte.
Was sie außerdem sagte: »Es wird keine
Privatisierung geben, es wird keine GmbH
geben.« Es war das endgültige Aus für die
Planspiele, die von der Leyens Staats -
sekretärin Suder im Hintergrund stets
weiterbetrieben hatte. Stattdessen nun:
58 »Einzelmaßnahmen«. Aber kann das
gut gehen? Kann das genügen für ein Amt,
das in Zukunft eher noch mehr wird leisten
müssen, nicht weniger?
Marion Zekorn, 55, Abteilung Einkauf,
Gruppenleiterin E2, ist für die Beschaffung
von Ersatzteilen für die Waffensysteme
der Bundeswehr verantwortlich. Zekorn
ist eine elegante Frau, von ihrem Bürofens-
ter in Lahnstein blickt sie auf eine Blüh-
wiese, so heißt das hier offiziell. Man könn-

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Gruppenleiterin Zekorn: »Mehr miteinander reden«
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