Der Spiegel - 28.09.2019

(Ann) #1

te auch ungemähte Wiese sagen, aber
Blühwiese klingt freundlicher.
Die Wiese also, sagt Frau Zekorn, müsse
erhalten bleiben, weil aus rechtlichen
Gründen nicht noch mehr Flächen versie-
gelt werden dürften. Das aber führe dazu,
dass es nur für etwa ein Drittel der Beleg-
schaft hier in Lahnstein Parkplätze gebe.
»Deswegen kommen viele morgens mög-
lichst früh und stürzen sich auf die Park-
plätze. Und abends fahren sie dann natür-
lich auch wieder früh«, sagt Zekorn. »Viel-
leicht hat das zu dem Vorurteil geführt,
hier würde nicht so gern gearbeitet.«
Zekorn ist Maschinenbauingenieurin.
Das wohl anspruchsvollste Projekt ihrer
Laufbahn war der Start des IT-Systems
SASPF im Verteidigungsministerium, sie
leitete die Einführungsorganisation.
»Es vereinfacht vieles an unserer Arbeit,
keine Frage«, sagt sie. »Das Problem ist
nur: Seit wir dieses System haben, müssen
die Leute hier im Grunde nicht mehr mit-
einander reden. Und das ist ein Problem.«
Es werde zu wenig miteinander geredet.
Zekorn hat deshalb beispielsweise einen
Jour fixe ins Leben gerufen, der Titel: »Op-
timierung Ersatzteilbeschaffung«. Und
trotzdem passieren Geschichten wie die
mit den gepanzerten Scheiben.


Gepanzerte Scheibenbraucht die Bun-
deswehr für ihre Fahrzeuge dringend, etwa
für die Typen »Enok« und »Eagle«, die
auch im Auslandseinsatz sind. Für solche
Scheiben ist eine Verpackung vorgegeben


  • und zwar, weil alles immer möglichst wirt-
    schaftlich sein muss, eine »handelsübliche«.
    Werden beispielsweise 20 Scheiben be-
    stellt, verpackt die Firma je zehn von ihnen
    zusammen in einer Holzkiste – so ist es
    »handelsüblich«. Die Scheiben werden ins
    Depot geliefert und dort gelagert. So er-
    zählt Zekorn das Beispiel.
    Geht nun irgendwo in der Bundeswehr
    eine gepanzerte Scheibe zu Bruch, geht
    die Bestellung ans Depot. Dann muss eine
    einzelne Scheibe geliefert werden – aller-
    dings muss dafür eine Einzeltransportver-
    packung her. Weil die Scheiben aber »han-
    delsüblich« im Zehnerpack ausgeliefert
    wurden, muss die Einzelverpackung für
    den Transport eigens beschafft werden.
    »Und auf eine maßgefertigte Holzkiste
    warten wir manchmal bis zu zwei Jahre«,
    sagt Zekorn. So ist es tatsächlich passiert.
    Das ist, auf den Punkt gebracht, der ge-
    samte Irrwitz, das ganze Elend in diesem
    System: die Scheibe, die nur in einer Holz-
    kiste transportiert werden kann, auf die
    man dann zwei Jahre wartet.
    Wie lässt sich das verhindern?
    »Das geht nur, wenn schon bei der Be-
    stellung berücksichtigt wird, wie es am
    Ende weitergeht«, sagt Marion Zekorn.
    »Derjenige, der die Scheiben bestellt, muss
    also wissen, dass am Ende einzelne Schei-


ben in die Truppe verschickt und teurere
Einzelverpackungen bereits für die Erst-
lieferung gefordert werden müssen. Und
dafür muss man miteinander reden.«
Das haben sie offenbar auch im Minis-
terium verstanden, jedenfalls soll für die
bessere Kommunikation nun ein interner
Chat eingeführt werden. Es ist eine der
vielen Einzelmaßnahmen, mit denen die
neue Ministerin die Lage verbessern will.
Und sonst? Für die nächsten Monate
plant die Ministerin nur vorsichtige Re-
formschritte. So soll, zum Beispiel, die Be-
schaffung von handelsüblicher IT-Technik
ausgelagert werden, also jener Elemente,
die nicht aufwendig für die Bundeswehr
angepasst oder gesichert werden müssen.
Größere Einschnitte will die Ministerin zu-

nächst nicht machen. Die Idee etwa, dass
sich das Amt künftig nur noch um Waffen-
systeme im engeren Sinn kümmern soll,
ist erst mal zurückgestellt.
Um besser zu werden, müsste das Amt
auch aus seinen Erfolgsgeschichten lernen.
Tatsächlich, es gibt sie.
Christian Teichmann, 40, Technischer
Regierungsamtsrat im Referat U3.1, be-
kam vor etwas mehr als drei Jahren eine
Aufgabe auf den Tisch, bei der eines von
vornherein klar war: Es musste schnell
gehen. Und am besten noch schneller.
Es ging um den Einsatz der Bundeswehr
in Syrien, um die Aufklärungsflüge der
Tornados und die Einsätze der Tankflug-
zeuge. Die Luftwaffe brauchte dafür einen
mobilen Gefechtsstand.
Ein solcher Gefechtsstand ist 35 Meter
lang, 22 Meter breit und sechs Meter hoch,
er besteht aus 60 Containern, davon 40 so -

genannten Funktions containern, vollge-
stopft mit Technik. Weil der Einsatz bereits
lief, hätte die Luftwaffe den Gefechtsstand
gern sofort in Incirlik, Türkei, gehabt. Von
dort wurde die Operation gesteuert.
Eigentlich wäre die Abteilung L zustän-
dig gewesen, die allerdings schon überlastet
war, also landete der Auftrag in der Abtei-
lung U (für Land-Unterstützung), genauer:
bei U3.1. Hier kümmert man sich norma-
lerweise um Feldküchen, Zelte, Trinkwas-
seraufbereitung, aber weil Teichmann schon
mal am mobilen Gefechtsstand für den Eu-
rofighter mitgearbeitet hatte, war er sozu-
sagen halber Experte. Und dann ging es los.
Die Beschaffung war genehmigt, sämt-
liche Verträge standen bereits, als etwas
passierte: Das politische Verhältnis zur

Türkei verschlechterte sich derart, dass die
deutsche Einsatzzentrale von Incirlik auf
die Basis Al-Asrak in Jordanien verlegt
werden musste. »Das hat alle Planungen
noch mal verändert«, sagt Teichmann.
Weil Jordanien im Gegensatz zur Türkei
nicht in der Nato ist, musste rote Funk-
technik eingebaut werden, also verschlüs-
selte. Und der Transportvertrag musste ge-
ändert werden, das war aufwendig. »Aber
wir haben das alles wieder aufgeholt.«
Im November 2018 werden die Container
verschifft, im Januar 2019 wird der Gefechts-
stand in Jordanien aufgebaut. Am 25. März
wird er für betriebsbereit erklärt – gut fünf
Wochen früher als geplant. »Ich weiß, für
Außenstehende klingt das alles sehr lang,
aber es war beinah rekordverdächtig, wie
wir das hinbekommen haben«, sagt Teich-
mann. »Und das war nur möglich, weil wir
überall aus dem Haus unterstützt wurden.«

44 DER SPIEGEL Nr. 40 / 28. 9.2019

Deutschland

Miniaturlandschaft mit Bundeswehrfahrzeugen, Präsidentin Korb:
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