Der Spiegel - 28.09.2019

(Ann) #1
Es geht also. Warum ging es?
Erstens: Die Container konnten nur von
einem Anbieter geliefert werden, deshalb
konnte das Projekt als »vereinfachte Be-
schaffung« laufen, ohne europaweite Aus-
schreibung. Ersparnis: ein halbes Jahr.
Zweitens: Ein Zauberwort war im Spiel,
die sogenannte »Sofortinitiative Einsatz«.
Bekommt ein Projekt diesen Status, ge-
nießt es im Amt Priorität. »Man kann auf
dieser Überholspur an vielen anderen Pro-
jekten vorbeiziehen«, sagt Teichmann.
Was das heißt? »Dass auf einige Forma-
litäten verzichtet wird«, sagt er. »Und dass
man keine Goldrandlösung sucht, sondern
das, was in der Kürze möglich ist.«
Das ist der dritte Punkt, vielleicht der
wichtigste. Die »Goldrandlösung« ist im

Verteidigungsministerium berüchtigt, sie
steht für den uralten Wunsch aller Solda-
ten, stets das beste, neueste Material zur
Verfügung zu haben. Weil die Ingenieure
der Industrie ihre Ideen ständig weiterent-
wickeln, lässt sich ein vor Jahren bestelltes
Modell theoretisch unendlich upgraden.
Was immer heißt, dass es länger dauert.
Fachkarrieren. Mehr miteinander reden.
Nicht unbedingt das technisch Optimale
anstreben, sondern das Machbare. All das
mag manches zum Besseren wenden. Aber
es ist schwer vorstellbar, dass es reicht.
Die Bundeswehr soll nach Jahren des
Schrumpfens wieder größer werden, vor
allem aber werden die technologischen
Anforderungen immer höher. Der unter
anderem mit Drohnen ausgeführte An-
griff auf saudische Ölanlagen hat kürzlich
einen Eindruck davon vermittelt, wie der
Krieg der Zukunft aussehen könnte. Und

in Koblenz versuchen sie weiterhin, die
Ersatzteilbeschaffung in den Griff zu
bekommen.

Ursula von der Leyenwar angetreten, al-
les anders zu machen. Ihre Staatssekretä-
rin Suder betonte immer wieder, die Re-
form des Rüstungswesens brauche zwei
Legislaturperioden, mindestens. Suder
war dann nach nicht einmal vier Jahren
wieder weg. Von der Leyen blieb fünfein-
halb Jahre. Und für ihre Nachfolgerin
Kramp-Karrenbauer ist das Ministerium
nur eine Zwischenstation. Sie will ins
Kanzleramt. Ihre 58 Einzelmaßnahmen
sind der Versuch, niemandem wehzutun
und trotzdem Aktivität zu symbolisieren.
Nichts tun geht auch nicht, dazu sind die
Missstände zu offensichtlich. Aber eigent-
lich brauchten Amt und Truppe jemanden,
der fortsetzt, was von der Leyen nie ent-
schlossen genug angefangen hat.
Bei Gabriele Korb auf dem Bespre-
chungstisch steht eine Haribo-Box. Korb,
57, Juristin, ist seit Mai 2018 Präsidentin
des Amtes. Sie wolle eine »Vertrauenskul-
tur« schaffen, sagt sie. »Daran hat es, wie
ich in vielen Gesprächen erfahren musste,
in den letzten Jahren gefehlt. Wir müssen
uns hier gegenseitig viel mehr vertrauen.«
Anfang des Jahres bekam das Vertrauen
der Mitarbeiter zu ihrer Präsidentin einen
Knacks. Es ging um den Karneval, am
Rhein gibt es kaum etwas Ernsthafteres.
Anders als früher wollte Korb die soge-
nannte Erstürmung des Amtes durch die
Karnevalisten samt Feier in der großen
Halle nicht erlauben. Korb gab Sicherheits-
gründe an, die Empörung war groß, das
Amt sah sich zu einer Pressemitteilung ge-
zwungen: Im BAAINBw werde »entgegen
anders lautender Medienberichte auch in
diesem Jahr Karneval gefeiert«.
Es hat sich, so kann man diese kleine
Geschichte deuten, offenbar einiges ange-
staut, an Frust und Misstrauen, vielleicht
Resignation. Und es dürfte nicht besser
werden in den nächsten Jahren. »Wir tun
alles, um neues Personal zu gewinnen, und
das gelingt uns auch«, sagt Korb. »Aber
wir werden bis 2022 auch altersbedingt
mehr als tausend Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter verlieren. Da verabschiedet
sich eine Vielzahl von hervorragenden Ex-
pertiseträgern.« Aber, sagt Korb, auch das
werde man »auf der Zeitachse« schaffen.
Es ist Freitag, der letzte Tag der Woche
in Koblenz. Korb sagt viele positive Dinge
über das Amt und seine Mitarbeiter. Das
Amt sei ein »Center of Excellence«.
Zwei Tage vorher ist bekannt geworden,
dass vorerst alle Kampfhubschrauber vom
Typ »Tiger« am Boden bleiben müssen.
Möglicherweise hat der Hersteller fehler-
hafte Titanbolzen eingebaut. Hängen blei-
ben dürfte es am Amt. Mal wieder.

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»Center of Excellence«

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