Die Welt - 05.10.2019

(nextflipdebug2) #1

DIE SCHAFE SIND


JETZT IHRE EIGENEN


E


s ist 15 Uhr, wir befinden uns in
Bristol im Südwesten Englands,
in der Gas Ferry Road, in einer
riesigen, fensterlosen Halle, die in
ein Dutzend kleinere und größere
Bühnen unterteilt ist. Auf einem Set wird ge-
rade gefilmt, die Beleuchter positionieren ih-
re Scheinwerfer, der Regisseur gibt Anweisun-
gen, die Kameras laufen – und dann geschieht
die Katastrophe: Die Nase von Lu-La, der
Hauptdarstellerin, löst sich und fällt zu Bo-
den! Der Kameramann flucht, denn dies be-
deutet, dass die bisherige Arbeit des Tages im
Eimer ist.

VON HANNS-GEORG RODEK

Das ist Berufsrisiko, wenn man für Aardman
arbeitet, wo die Darsteller ein Stahlskelett ha-
ben, auf das eine Knetmasse verteilt wird, in
die man Augen, Ohren, Nasen, ein Gebiss oder
ein wolliges Kleid drückt. Der Animator bringt
die Puppe zum Leben, indem er Hände, Füße
oder Kopf millimeterweise bewegt, die Kamera
nimmt ein oder zwei Bilder auf, und allmählich
wird eine flüssige Bewegung draus. Ungefähr
sechs Sekunden Film schaffen die Aardmänner
pro Tag auf diese Weise, aber wenn ein Körper-
teil abgefallen ist, kann man die ganze Szene in

die Tonne werfen. Manchmal sieht man auch
Fingerabdrücke auf der Knetmasse, aber die
bleiben, wenn’s nicht allzu sehr auffällt, im fer-
tigen Film.
Der neue Shaun-das-Schaf-Film „Ufo-
AAAlarm“ dauert knapp anderthalb Stunden, daslarm“ dauert knapp anderthalb Stunden, das
ergäbe rund 350 Arbeitstage, und dabei dürfte
keine einzige Nase, kein Ohr abfallen. Ein
großer Kinofilm mit menschlichen Darstel-
lern ist normalerweise nach 70 Tagen im Kas-
ten. Aber die Halle in der Gas Ferry Road
nennt sich nicht umsonst Studio. Ein Studio,
das war früher eine große Halle in Hollywood,
wo arbeitsteilig auf mehreren Bühnen parallel
ein Film entstand, aber diesen Studiogedan-
ken haben die Produzenten (die sich immer
noch Studio nennen) weitgehend aufgegeben.
In der Gas Ferry Road lebt er weiter, da
steht der Set von Shauns Weide und der von
dem Bauernhaus und der von dem Raum-
schiff, das im ländlichen Shropshire notlan-
den muss und dem Ufo-Jäger des Geheim-
dienstes auf der Spur sind. Und überall wird
parallel gedreht, denn zum Glück lassen sich
diese Hauptdarsteller problemlos vervielfälti-
gen. Von Shaun gibt es ein halbes Dutzend
Exemplare, alle zwölf Zentimeter groß, in ei-
ner Schachtel liegen verschiedene Münder,
die an seinen Kopf geklebt werden können,

sodass sie Grinsen, Erstaunen oder Wut sug-
gerieren. Davon abgesehen ist Shaun der ewi-
ge Zwölfjährige, ein Junge mit starker Neu-
gier und Hang zur Anarchie, der nie in die Pu-
bertät geraten wird.
Lu-La, das gestrandete Weltraummädchen,
muss in die Werkstatt mit ihren Nähmaschi-
nen, Schraubstöcken und Bügeleisen und der
Spezialknetmasse Aard-Mix, deren Rezeptur
Betriebsgeheimnis ist. Und so legen die ande-
ren in der Kantine im ersten Stock eine un-
fffreiwillige Kaffeepause ein. Ein großer Raumreiwillige Kaffeepause ein. Ein großer Raum
mit Tischen und Stühlen, ziemlich schmuck-
los – abgesehen von einigen Glasvitrinen, in
denen die Originalpuppen der Hausheiligen
aaausgestellt sind: der Erfinder Wallace, seinusgestellt sind: der Erfinder Wallace, sein
Hund Gromit, der gestaltwandelnde Morph.
Shaun, das Schaf, hat einen schon unten in
der Empfangshalle begrüßt, überlebensgroß,
die Umkehrung der Größenverhältnisse zwi-
schen Mensch und Knetfigur auf dem Set.
AAAuf dem Mitteilungsbrett in der Kantineuf dem Mitteilungsbrett in der Kantine
hängt die Einladung zu einer Betriebsver-
sammlung, Thema: Besitzerwechsel. Solch
ein Zettel hing im Jahr 2006 auch in der Kan-
tine von Pixar, und die Belegschaft erfuhr,
dass Pixar seine Selbstständigkeit aufgeben
und für 7,4 Milliarden Dollar von Disney über-
nommen werden würde.

Das sind nicht ganz die Dimensionen von
Aardman. Deren sieben abendfüllende Filme


  • darunter „Wallace & Gromit“, „Shaun“,
    „Chicken Run“ und „Early Man“ – haben in
    zzzwei Jahrzehnten eine Milliarde Dollar an denwei Jahrzehnten eine Milliarde Dollar an den
    Kinokassen eingenommen, dazu gibt es Fern-
    sehserien, Kurzfilme, Themenparks, Games.
    Da kommt einiges zusammen, aber Aardman
    muss auch 130 Festangestellte und bis zu 180
    fffreie Animatoren bezahlen, wenn ein Kino-reie Animatoren bezahlen, wenn ein Kino-
    fffilm entsteht.ilm entsteht.
    Irgendwann hatte Aardman 18 Millionen
    Pfund Barreserven angespart, und das ermög-
    lichte es den Gründern Peter Lord und David
    Sproxton, die beide das Rentenalter erreich-
    ten, über die Zukunft ihrer Firma nachzuden-
    ken. Für „Chicken Run“ war Aardman eine
    Kooperation mit DreamWorks eingegangen,
    und irgendwann hatte dessen Boss Jeffrey
    Katzenberg den Vorschlag auf den Tisch ge-
    legt: „Warum verkauft ihr euren Laden nicht
    einfach an uns?“
    Da war er bei diesen leidenschaftlich Unab-
    hängigen an die Richtigen geraten. Aardman
    als ein Posten von vielen in einer Konzernbi-
    lanz? Aardman, das aus Kostengründen von
    Bristol nach Singapur umgezogen wird? Aard-
    man, das auf Computeranimation umstellt,
    weil sich so mehr verdienen lässt? Nein, Aard-


man war schon immer eine Bastion der Hand-
arbeit, und wenn man die Gas Ferry Road wei-
ter hinunterfährt zum Hafen, liegt dort die
„SS Great Britain“, das erste Schiff aus Eisen,
das den Ozean überquerte, und es war eine
Konstruktion von Isambard Kingdom Brunel,
jenem Pionier, der zu Beginn des 19. Jahrhun-
derts ungezählte Tunnel, Brücken und Schiffe
errichtete, die noch heute als technische
WWWunderwerke bestaunt werden, einer Bewun-underwerke bestaunt werden, einer Bewun-
derung, die der Technik unseres Jahrhunderts
nie zuteilwerden wird.
Dieses Erbe einer anfassbaren Technik
steckt auch in Aardman – zuallererst in Wal-
lace, dem Erfinder des Frühstücksautomaten,
der Torwarttrainermaschine und der am Bet-
tende trampolinspringenden Schafe (seine
VVVersion des Schäfchenzählens als Einschlaf-ersion des Schäfchenzählens als Einschlaf-
hilfe). Niemand außer Aardman wäre auf sol-
che Ideen gekommen, nicht Pixar, nicht
DreamWorks. „Unser Ziel war es immer, briti-
sche Animationsfilme zu drehen“, erklärt Pe-
ter Lord. „Dem Publikum auf der ganzen Welt
kommen amerikanische Filme allmählich zu
den Ohren raus. Wir glauben an andere Stim-
men, an andere Kulturen und einen anderen
Humor.“
Der einzige Weg, ihr Lebenswerk zu si-
chern, bestand darin, es den Angestellten zu
schenken. Lord und Sproxton etablierten eine
Stiftung, übergaben der drei Viertel ihrer An-
teile (im Austausch gegen einen Teil der Bar-
reserven), und nun sind die Aardmänner und


  • frauen Herren ihres eigenen Geschicks. „Ihr
    Job ist sicher“, sagt David Proxton, „solange
    sie gute Ideen haben.“
    Das Verhältnis zwischen den Filmschafen
    und ihrem Besitzer hatte sich bereits früher
    geändert. In der Serie war eine Fabrik das
    VVVorbild, mit dem Bauern als Big Boss, demorbild, mit dem Bauern als Big Boss, dem
    Hütehund Bitzer als Vorarbeiter und den
    Schafen als den Lohn-, äh, Futterabhängigen.
    Der erste Kinofilm machte daraus eine Vater-
    Sohn-Geschichte, in der sich Shaun gegen den
    Bauern auflehnt. In „Ufo-Alarm“ übernimmt
    der verfressene Shaun, der bisher nur Scha-
    bernack treiben wollte, die Verantwortung für
    seine Herde. Da sage noch einer, Produktions-
    bedingungen färbten nicht auf Inhalte ab.


©

2018 AARDMAN ANIMATIONS LIMITED AND STUDIO

/[email protected]

Ein Besuch bei Wallace, Gromit und Shaun in


den englischen Aardman-Studios. Dort haben


die Angestellten ihre Firma übernommen


DIE SCHAFE SIND


JETZT IHRE EIGENEN


HERRENHERREN


Shaun, ein Wollknäuel und Lu-La, das außerirdische
Mädchen, das auf der Mossy Bottom Farm
notgelandet ist: Szene aus „Shaun das Schaf –
UUUfo-Alarm“, der nun im Kino läuft fo-Alarm“, der nun im Kino läuft

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05.10.19 Samstag, 5. Oktober 2019DWBE-HP


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    (Einschiffung)

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Singapur


  • Freitag, 18. September 2020
    (Trainingstag)

  • Samstag, 19. September 2020
    (Qualifikationstag)

  • Sonntag, 20. September 2020
    (Renntag)


EXKLUSIV-
ANGEBOT
2020


  • Tag 8 Singapur
    (Ausschiffung, Grand Prix
    und Hotelaufenthalt)

  • Tag 9 Singapur
    (Grand Prix und
    Hotelaufenthalt)

  • Tag 10 Singapur
    (Grand Prix und
    Hotelaufenthalt)

  • Tag 11 Singapur
    (Rückflug)


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