Berliner Zeitung - 05.10.2019

(Marcin) #1

Sport


Berliner Zeitung·Nummer 231·5./6. Oktober 2019 25 *·························································································································································································································································································

EinUrteillässthoffen


College-Sportlerind enUSAsindTeileinesGeschäfts,andemsienichtsverdienen.Daskannsichbaldändern


VonSebastian Moll, NewYork

A


ls Ed O’Bannon imSom-
mer 2014 voneinem
Freund das Video-Spiel
„NCAA Basketball“ gezeigt
bekam, konnte er seinen Augen
kaum trauen.Einer der Helden des
Spiels war einBasketballspieler,der
ganz offensichtlich ihn darstellen
sollte –als Kapitän derMannschaft,
mitdererfürdieUniversityofCali-
fornia die nationale Universitäts-
meisterschaftgewonnenhatte.
DasSpielwareinBestsellerunter
denMillionenvonFansdesCollege-
Turniers,dasjährlichimMärzinden
USAdieSportberichterstattungbe-
herrscht.DieCollege-Sport-Vereini-
gungNCAAverdientegutesGeldan
dem Spiel, doch O’Bannon und
seineMannschaftskameradensahen
davonkeinenCent.Alsostrengteer
eineKlageanundbekaminerster
Instanz recht. Doch die College-
SportvereinigungginginBerufung
undkambiszumOberstenBundes-
gericht, wo derFall bis heute liegt.
DerAmateurstatus derCollege-Ath-
leten,sodieArgumentationdesUni-
versitätsverbandes,dürfeaufkeinen
Fallgefährdetwerden.

KalifornienmachtdenAnfang
DieserStatus–einhehresBildungs-
ideal des 19.Jahrhunderts–ist seit
langer Zeit Stein des Anstoßes für
amerikanische College-Athleten.
DieUniversitäten nehmen jährlich
MilliardenDollaranFernsehrechten
für ihr eSportturniereein. DieAk-
teureselbstgehenhingegenleeraus.
Nungibt es jedochHoffnung für
die Sportler ,die sich ausgebeutet
fühlen. In der verg angenenWoche
erließ derStaat Kalifornien einGe-
setz, das es ihnen erlaubt, an der
kommerziellenVerwertungihrerNa-
men undAbbilder mitzuverdienen.
Verfechter desRechts derCollege-
Athleten, Geld zu verdienen, sehen
diesesGesetzals Triumph:„Wirwer-
den einst auf diesenTagals jenen
Moment zurückschauen“, sagt der
SportsoziologeBenCarrington, „an
demdasungerechteundausbeuteri-
sche System des College-Sport-
Spektakelszubröckelnbegann.“
In der Tatscheint das kaliforni-
sche Gesetz eine Lawine insRollen
zu bringen.In NewYorkund Ohio
werden nun ähnlicheGesetzege-
plant. Undder Kongress-Abgeord-
nete AnthonyGonzalezbereitet die
Eingabe eines bundesweitenGeset-
zeszur Lockerung der Amateur-Re-
gelandenCollegesvor.

Dabei können dieCollege-Sport-
ler noch immer nicht wirklichver-
dienen.SiekönnenaberGeldfür Au-
togrammstunden verlangen und
Werbeverträge abschließen. Eine
Tatsache,welchedieNCAAals„Un-
terhöhlungihresProduktes“ansieht.
DieAttraktivität desCollege-Sports
im Gegensatz zum Profi-Spor tfür
dieZuschauerseijageradedieTatsa-
che,dassdieAkteurekeineVollprofis
seien. Zudem, so argumentiertdie
NCAA, biete sie denSportler nso-
wohl eineAusbildung als auch eine
Schaubühnefür spätereVerträge in
denProfiligen.
DieVerfechter der Athletenbetei-
ligung sehen derweil selbst die Pro-
fessionalisierungdesUniversitätssp-
orts kritisch. So sagt der kaliforni-
sche Gouverneur Gavin Newsom,
der das Gesetz unterzeichnet hat
und selbst im College Baseball ge-
spielt hat, dass „Geld das gesamte
System pervertiert“ habe.Newsom
findeteswedergesundnocherstre-
benswert, dass die Universitäten
Hunderte vonMillionenam Sport
verdienen, noch dass TrainernMil-
lionen-Gehälter bezahlt werden.
Auch, dass die College-Sportler mit
ihren quasi-professionellen Ver-
pflichtungenauf dem Campus ein
Leben führen, das vonder übrigen
Studentenschaftlosgelöstist, befür-
worteternichtunbedingt.

SystemischerRassismus?
Doch wenn schon Geld verdient
wird,soNewsom,dannsollendieje-
nigen, die denWert schöpfen,auch
beteiligt werden. „Das Geld wird
nicht an diejenigenweitergegeben,
dieihreKörperundihrenGeistdafür
einsetzen,dasandereMilliardenver-
dienen.“AndereKritiker sehen im
derzeitigenSystemgareinenmassi-
ven, systemischen Rassismus am
Werk.„DieCollege-Sportlersindvor-
nehmlichschwarze junge Männer,
die Profite in die Taschen vonvor-
nehmlich weißen College-Trainern
und Administratoren spülen“,sagt
BenCarrington. „Das hat den Ge-
ruchderPlantage.“
Insofernwerde es Zeit, die Reali-
täten des Systems anzuerkennen.
DieromantischenZeitendesnoblen
Amateurismus an den US-Hoch-
schulen sind lange vorbei. Mehr
noch–siewareneinPrivilegderwei-
ßen Oberschicht, die dortausgebil-
det wurde.Heute ist derUniversi-
tätssportjedoch keineAbrundung
derElitebildungmehr,sonderneine
ernste Sache.Und das nicht erst in
denProfiligen.

0,0Verdienst:Ty Jreome feiertVirginiasTriumph in der NCAA-Basketball-Liga.IMAGO IMAGES

NATIONAL COLLEGIATE ATHLETIC ASSOCIATION

Sportverband:Die Organisation für College-
Sport(NCAA) umfasst die Sportprogramme
etlicher Colleges und Universitäten der USA
und Kanadas. Dazugehören mehr als 1280
Einrichtungen, Organisationen und Einzelper-
sonen, die den Interessen und derAusbil-
dung der studentischen Athletenverpflichtet
sind. Der Sitz befindet sich in Indianapolis.

Sportarten:Die NCAA umfasst Basketball,
Baseball, Softball, American Football/Col-
legeFootball, Hockey,Bowling und Golf.Au-
ßerdem im Programm sind Fechten, Lac-
rosse, Fußball,Turnen, Rudern,Volleyball,
Eishockey,Wasserball, Sportschießen,Ten-
nis, Skilaufen, Leichtathletik, Schwimmen,
Wasserspringen sowie Ringen.

Sogarder


Jurtschenko


gelingt


DeutscheTurnerinnen


überzeugenbeiWM-Auftakt


E


lisabethSeitzstrahlteerleichtert.
Angeführtvon der deutschen
Top-Turnerin hat dasFrauen-Team
mit dem erhofften gutenAuftakt bei
den Heim-Weltmeisterschaften in
StuttgartKurs auf Olympia inTokio
genommen.DieRiegedes Deutschen
Turner-Bunds (DTB) erreichte am
Freitag in derQualifikation 161,897
Punkte und belegte damit noch vor
Belgien (161,238) und Australien
(157,945)zumindestvorübergehend
Platz eins.Damit lag das Team im
KampfumdieTicketsfürdieOlympi-
schenSpiele2020gutimRennen.
DieEntscheidungüberdieQuali-
fikations-Platzierung des Quintetts
mit Seitz, SarahVoss,Emelie Petz,
KimBuiundPaulineSchäferfälltaber
erst am Sonnabend,wenn alle 24
Mannschaftengeturnt haben. Die
besten zwölf WM-Teams haben das
Olympia-TicketfürTokiosicher–die
drei ersten der WM von2018 sind
aber bereits qualifiziert. Diebesten
acht Teams treten am Dienstag im
Mannschaftsfinalean und machen
dieMedaillenuntersichaus.„Ichwill
erstmalsZwölfter werden. Für das
Team-Finale haben wir vielleichtei-
nenFehlerzuvielgemacht“,orakelte
CheftrainerinUllaKoch.
Dabei begann die deutscheRiege
amStufenbarrenganzstark.„Nachje-
derÜbungsindmireinigeSteinevom
Herzen gefallen“,gestandSeitz. Am
Ende gelang ihr vor7500 begeister-
ten Zuschauerninder Hanns-Mar-
tin-Schleyer-Halle am Sprung sogar
noch der Jurtschenkomit Doppel-
schraubeoptimal:„Ichglaube,derist
mirnochniesoperfektindenStand
gelungen.Ichwarselbstüberrascht“,
sagtedie 25 JahrealteStuttgarterin,
dieaberzugab,vorihremerstenAuf-
trittbeiderHeim-WM„aufgeregter
gewesen“zuseinalssonst.Mit54,999
PunktenimVierkampfhatSeitzwie


Erster WM-Tag ist Sahnetag:
Elisabeth Seitz. GETTY IMAGES/GRIFFITHS


auchdiedeutsche2019-Mehrkampf-
meisterinSarahVoss (54,132) gute
ChancenaufdasErreichendesMehr-
kampf-Finalsderbesten24Turnerin-
nen.
Alleindieerst16JahrealteEmelie
Petz wirkte nervös und patzte gleich
am erstenGerät. Nach einer Tkat-
schow-Grätscheverfehlte sie beim
Wiederfassen den oberen Barren-
Holm, und musste dasGerät verlas-
sen.Aucham Balkenliefesnichtbes-
ser für das „Küken“ im deutschen
Team, das an allen vierGeräten das
Streichergebnislieferte.
Nichtvielbesserergingesderehe-
maligenBalken-Weltmeisterin Schä-
fer,die erst am Donnerstag für die
verletzte Sophie Scheder kurzfristig
insTeamgerutschtwar.EinAbsteiger
und11,800Zählergenügtenbeiwei-
temnichtihrenAnsprüchenanihrem
Paradegerät.
Elisabeth Seitz dagegen startete
bereits an ihrem LieblingsgerätStu-
fenbarren mit einer fehlerfreien
Übung und kann sich mit 14,800
PunktenberechtigteHoffnungenauf
das Finale machen. Auch beim
Sprung kam sie auf eineTop-Punkt-
zahl(14,600).UndTeamkolleginVoss
könnte sich mit ihrer schwierigen
und saubervorg etragenenBalken-
Übung(13,600)ebenfallsinsGeräte-
finalegeturnthaben.(dpa)


NACHRICHTEN


Löw legt sich bei den
Torhüternfest

FUSSBALL.JoachimLöwhatdie
HackordnunginderpikantenTor-
hüterfrageschonbeiderKader-No-
minierungfürdieanstehendenLän-
derspielezementiert.WiederBun-
destraineramFreitagbekanntgab,
wirdHerausfordererMarc-Andréter
StegendasdeutscheTorimTestspiel
gegeneingeschwächtesArgentinien
ohneWeltstarLionelMessiam9.Ok-
toberinDortmundhüten.Kapitän
ManuelNeuerdar fvierTagespäter
imwichtigenEM-Qualifikations-
spielinEstland(beide20.45
Uhr/RTL)ran.AlseinzigerNeuling
stehtetwasüberraschendderLever-
kusenerNadiemAmiri,22,imwegen
zahlreicherAusfällenur21Profis
umfassendenKader.

Bundestrainerin erwartet
mehr Gegenwehr

FUSSBALL.DiedeutschenFußballe-
rinnenerwartenimRückspielder
EM-QualifikationgegendieUkraine
nachdem8:0voreinemMonatmehr
Gegenwehr.„Wirsindunssicher,
dassderGegnerdarausgelernthat.
Ichglaube,dasssiekompakterste-
henwerden“,sagteBundestrainerin
MartinaVoss-Tecklenburgvordem
HeimspielinAachenamSamstag
(14.00Uhr/ARD).DreiTagespäter
stehtaufdemWegzurEM2021in
EnglanddasAuswärtsspielinThes-
saloniki/Griechenlandan.Mitsechs
Punktenund18:0TorenführtderRe-
kordeuropameisterdieGruppeIan.

Eisbären feiernihren ersten
Auswärtssieg in dieser Saison

EISHOCKEY.DieEisbärenBerlinha-
benihrenerstenAuswärtssieginder
laufendenSaisonderDeutschenEis-
hockeyLiga(DEL)gefeiert.AmFrei-
tagabendgewannendieHauptstäd-
terbeidenAugsburgerPanthernmit
2:1(1:0,1:0,0:1)undverabschiede-
tensichdamitvomletztenTabellen-
platz.JamesSheppardundLukas
ReichelsorgtenmitihrenTreffernfür
denharterkämpftenErfolg,umden
dieBerlinerindenSchlussminuten
mächtigzitternmussten.

Formel EgastiertimJuni
2020 in Berlin

RENNSPORT. Dievollelektrische
Rennserie FormelEistam21.Juni
2020wiederinBerlinzu Gast.Das
gehtausdemendgültigenRennka-
lenderfürdasnächsteJahrher vor,
dender Motorsport-WeltratdesIn-
ternationalenAutomobil-Verbandes
amFreitagbeschloss.Diedeutsche
HauptstadtistalseinzigeStadtseit
derPremierensaison2014/2015stets
AustragungsortfürdieElektroflitzer.

Australiens Rugby-Team
setzt Zeichen für Integration

RUGBY.DieaustralischeNational-
mannschaftsetztamSonnabendein
starkes ZeichenfürIntegrationund
Vielfalt.ZumerstenMalwerdendie
WallabiesbeieinerWeltmeister-
schafteinTrikotmiteinemvonden
UreinwohnerninspiriertenDesign
tragen. DasTrikotzeigtein Wallaby-
Motiv,dassichum14Wasserlöcher
schlängeltunddie14Ureinwohner
repräsentiert,diebislangfürAustra-
liengespielthaben.

Wilson führtSeattle zum
Sieg gegen die Rams

AMERICANFOOTBALL.Quarter-
backRussellWilsonhatdieSeattle
SeahawksinderNFLzumvierten
SiegimfünftenSaisonspielgeführt.
DankdervierTouchdown-Pässeih-
resSpielmacherssetztensichdie
Seahawksmit30:29gegenSuper-
Bowl-FinalistLosAngelesRams
durch. Wilsonverzeichnete268
YardsRaumgewinn.

BeeindruckendeKonstanz


AlbasetztsichbeimComebackinderEuroleagueüberraschenddeutlichgegenSt.Petersburgdurch,siegt85:65


VonChristian Kattner

P


unkte gab es für diese Aktion
nicht.MitseinemBlockkur zvor
der Viertelpause verhinderte Tim
SchneideraberzumindestzweiZäh-
ler.17P unkteVorsprung klangen ja
vordem Schlussabschnitt auch ir-
gendwieberuhigenderals15.Wahr-
scheinlichhätte esdiesenBlockdes
Flügelspielers an diesemAbend gar
nicht gebraucht. Schließlich setzte
sichAlbaBerlinam Freitagabendmit
85:65 überraschend deutlich gegen
Zenit St.Petersburgdurch und fei-
erte damit einen gelungenenEin-
standindieEuroleague-Saison.„Wir
haben hartgearbeitet, sind viel ge-
rannt und haben unsereWürfe ge-
troffen“, sagte Schneider,„ich war
sehraufgeregt,Euroleagueistfürje-
denSpieleretwasbesonderes.Esi st
eineriesigeBühnefüruns.“
Undirgendwie auch anders.Auf
gewohnte KlängevonSeeed wurde
es beispielsweise kurzvor Spielbe-
ginneinbisschenklassischer:Plötz-
lich lief da dieEuroleague-Hymne
unddie StarterbeiderTeamsreihten
sichinderMittedes Feldesauf.Für

VerunsicherungsorgtedieBühneal-
lerdingsnicht.VorallemWillThomas
auf Seiten der Gäste undMarcus
Eriksson bei denBerlinernzeigten
sich völlig unbeeindruckt. Thomas
trafalledreiDreier,Erikssonbrachte
esaufachtZähler,zweidavonwaren
ebenfallsDreier.Kurzdarauf wurde
dasSpielvoneinerTV-Auszeitunter-
brochen,nochsoeineNeuerung,die
esinderEuroleaguegibt.Aberauch

Berlin die Gäste mit ihrerVerteidi-
gung vorProbleme stellte.Nach ei-
nem Korberfolg vonMartin Her-
mannsson,dererneutgekonntRegie
führte ,hatten sich dieBerliner erst-
mals einen zweistelligenVorsprung
erspielt (38:27), in diePause ging es
sogarmiteinem47:31.Inderersten
Euroleague-Halbzeitnachfünfjähri-
gerAbstinenzüberzeugtendieBerli-
neraufbeidenSeiten:Neunverwan-
delte Dreier,lediglich vierBallver-
luste standen einerseits zuBuche,
andererseitsließensienur13gegne-
rischePunkteimzweitenViertelzu.
Vielbeeindruckenderwarjedoch
die Konstanz, mit der AlbaBerlin
auch nach demSeitenwechsel auf-
trat. DieSpielanlage wirkteweiter
sehr reif und unaufgeregt.Zenit St.
Petersburgkonnte zwar zwischen-
zeitlich etwasvomRückstand ab-
knabbern,allerdingsnichtentschei-
dend. „Wir haben unserSpiel ge-
spielt. Es ist schwer einzuschätzen,
wiestar kZenitist. Vielleichtwarder
Unterschied,dasswirunsschonlän-
ger kennen“, sagteTimSchneider
und ging mit einem Lächeln in die
Kabine.

die hatte keineAuswirkungen auf
dasAlba-Spiel.

HermanssonführtgekonntRegie
Ging das ersteViertel mit 24:18 be-
reitsandieGastgeber,legtendieim
zweitenAbschnitt nach.Die10117
begeistertenZuschauerinderArena
amOstbahnhoferlebteneineinten-
sivePartie ,ind er unter den Körben
kräftig gearbeitet wurde und Alba

StarkerSchwede: Markus Eriksson. IMAGO IMAGES/CAMERA 4
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