Berliner Zeitung·Nummer 231·5./6. Oktober 2019–Seite 36*
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Panorama
NACHRICHTEN
Weinstein-Prozess wird
nicht aus NewYorkverlegt
SchlappefürHarveyWeinstein:Der
Proz essgegendenEx-Hollywoodmo-
gulwegensexuellenMissbrauchs
wirdnichtausNewYorkherausver-
legt,wieeinGerichtamDonnerstag
(Ortszeit)mitteilte.Weinsteinhatte
überseineAnwälteversucht,den
ProzessgegenihnaufdieHalbinsel
LongIslandoderindieStadtAlbany
verlegenzulassen,weilerinNewYork
eine„Zirkus-artigeAtmosphäre“und
„Hysterie“durchdieAufmerksamkeit
derMedienbefürchtete.(dpa)
Melbourne verbietet das
Rauchen in der Öffentlichkeit
ImHaupteinkaufsviertelderaustrali-
schenStadtMelbournedarfnicht
mehrgerauchtwerden.Am Freitag
tratinderMetropoleimSüdostendes
LandeseinneuesRauchverbotrund
umdie Bourke StreetMallinKraft.
Wersichdor tkünftigaufGehwegen,
StraßenoderinStraßenbahneneine
Zigaretteanstecke,müssemiteiner
Strafevonumgerechnet62Eurorech-
nen,teiltedieStadtverwaltungmit.
Außerdemseieskünftigindergan-
zenStadtnichtmehrerlaubt,Zigaret-
tenstummelwegzuwerfen.Werdabei
erwischtwerde, müsseumgerechnet
biszu400EuroStrafezahlen.(dpa)
„Polarstern“ findet große
Eisscholle für Drift
Alles gut: Das Schiff sitzt fest und dieFor-
scher bohren im Eis. DPA/ESTHER HORVATH
KurzvorEinbruchderPolarnachthat
dasdeutscheForschungsschiff„Po-
larstern“einegeeigneteEisschollefür
seineExpeditiondurchdieArktisge-
funden.Anderetwa2,5mal3,5Kilo-
metergroßenSchollelassesichder
EisbrecherimRahmenderArktis-Ex-
peditionMOSAiCfestfrieren,teilte
dasAlfred-Wegener-InstitutfürPolar-
undMeeresforschungamFreitagmit.
EinJahrlangsolldie„Polarstern“mit
demMeereisdurchdiezentraleArktis
driften.(dpa)
Mann verklagt erfolgreich
den Liebhaber seiner Ex-Frau
IndenUSAhateinMannerfolg-
reichdenLiebhaberseinerEx-Frau
verk lagt,denerfürdasScheitern
seinerEheverantwortlichmachte.
EinGerichtimBundesstaatNorth
CarolinasprachKevinHoward
750000Dollar(rund685000Euro)
zu,wieUS-Medienberichteten.
GrundlageisteinGesetzausdem
19.Jahrhundert.(AFP)
Deutschlands ältestes
NashornfeiertGeburtstag
Miteineraus„Nashorn-Müsli“ge-
formten50hatderDortmunderZoo
amFreitagdemältestenNashorn
DeutschlandszumGeburtstaggra-
tuliert. Breitmaulnashorn-Dame
Natalawurde1969inSüdafrikage-
borenundlebtseit2006inDort-
mund,wiedieStadterklärte.Euro-
paweitzähleNatalazudenvierältes-
tenNashörnern.„WildlebendeNas-
hörnererreichensolcheinhohes
Alterfürgewöhnlichnicht“,sagte
eineStadtsprecherin.(dpa)
LEUTE
Taylor Swift(29)hatineinerdurch-
ausschwierigen,geradezupeinli-
chenSituationvorbildlichHaltung
bewahrt.DieSängerinwaramDon-
nerstagabendinderSendungdesKo-
mikersJimmyFallonzuGastund
wurdenachallenRegelnderKunst
vorg eführt: Fallonzeigteeinprivates
Video,dasihmnacheigenemBekun-
dendie MuttervonSwiftzugespielt
hatteunddasdenSuperstarkurz
nacheinerAugen-OPineinemjam-
mernden,weinerlichenundüber-
hauptverzweifeltenZustandzeigt.Zu
sehenistaußerdem,wieSwift,deren
Augenvoneinerdurchsichtigen
Maskegeschütztwerden,dievonin-
nenbeschlagenist–wiealsodieseh-
behinderteSwiftbeidemVersuch,
eineBananezuessen,ersteinmal
scheitert.DieKünstlerinwareigent-
lichinFallonsShowgekommen,um
ihrneuesAlbum„Lover“vorzustel-
len.Egal,siebliebcool:OhGott!Das
istimFernsehen!“,sagtesielachend
undversicherte,siekönnejetztwie-
dersehrgutsehen.Tough!
Kylie Jenner(22)ausdemallgegen-
wärtigenKardashian-Clanverwahrt
sichgegeneinGerücht,dasgeradein
densozialenNetzwerkenkursiert
undwonachsiesichvondemRapper
TravisScott(28)getrennthabeund
stattdessenmitihremEx-Freund,
demRapperTyga(29),anbandele.Auf
TwittererklärtedieIch-Unternehme-
rin:„Travisundichverstehenuns
sehrgut,undunserHauptaugenmerk
istjetztStormi.“Okay,Stormi(1)ist
diegemeinsameTochter,aberwas
sollhier„verstehenunssehrgut“be-
deuten?Noch’neErklärung:„DasIn-
ternetmachtalleshundertmaldra-
matischer,alsesist“,schriebJenner,
diemitihrerKosmetik-Marke
undebendiesemInternet
zurjüngstenMilliardärin
allerZeitenwurde.
LinaWertmüller(91)
wurdealsersteFrau
füreinenOscarin
derKategorieBeste
Regie(für„Sieben
Schönheiten“,
1976)nominiert.
Nunja,jetztwirddie
Italienerinimmerhin
miteinemSternaufHol-
lywoods„WalkofFame“
geehrt. Vielzu spät!Und
auchvielzuwenig!(schl.)
Tja, so isses:Viel zu späte
Ehrung für eineFrau auf
dem Regiestuhl.IMAGO IMAGES
TIERE
Achtung,FlauschalarmimTaronga-
ZoovonSydney:Hierist verg angene
WocheeinüberausseltenerTonkin-
Schwarzlangur(Trachypithecus fran-
coisi)zurWeltgekommenundnun-
mehrderÖffentlichkeitvorg estellt
geworden.Klar,einultrasüßes,oran-
gefarbenes,knopfäugigesFellknäuel.
Aber,Leute:DieauchFrancois-
LangurgenanntenPrimatengehören
zudenstarkgefährdetenTierarten,
Expertenschätzen,dassinfreier
Wildbahn–imc hinesisch-vietname-
sischenGrenzland–nurnoch 3000
Exemplareleben.Nichtgut.(schl.)
Liebe: kuscheln, kuscheln,
kuscheln ... AFP/RICK STEVENS
S
iesindeines dererstaun-
lichstenPhänomenederbri-
tischen Popkultur:„Monty
Python’sFlyingCircus“.Vor
genau50Jahren,am5.Oktober1969,
zeigte die BBC imAbendprogramm
dieersteabsurdeSketchshowderCo-
medy-T ruppe.Die Komiker zusam-
mengebracht hatte der BBC-Redak-
teur BarryTook, der sievonanderen
Radio- und Fernsehshows kannte.
Zunächstüberzeugteer JohnCleese,
bei der neuen Comedy mitzuma-
chen. DerCambridge-Absolvent
brachteseinenehemaligenKommili-
tonen Graham Chapmanmit, auch
Eric Idle stammtevonder gleichen
Hochschule.MichaelPalinundTerry
JoneshattenbeideanderUniinO x-
fordstudiert. ZudenElite-Hochschü-
lerngeselltesichnochderinLondon
lebendeAmerikanerTerryGilliam–er
warfürdieAnimationenzuständig.
DertödlichsteWitzderWelt
DermerkwürdigeNamefürdieShow
entstanderstkurzvorDrehbeginnbei
einer der letztenBesprechungen in
Cleese’damaligerWohnung inKen-
sington:„MehrereverrückteTitelkur-
sierten,bisJohnmitdemNamen,Py-
thon‘ankamundEricsichanjeman-
den aus einer Kneipe erinnerte,der
immernacheinemgewissen,Monty‘
gefragt hatte“, erzähltPalin über die
EntstehungdesNamens.DieVerant-
wortlichen bei der BBC bestanden
aber darauf, dass derTitel der Serie
unbedingt dasWort„Circus“ enthal-
ten müsse.Die Komiker machten
darauseinen„FlyingCircus“–soh at-
tendieAlliiertenimErstenWeltkrieg
das deutsche Jagdgeschwader von
Manfred vonRichthofen („Derrote
Baron“)bezeichnet.
DieSketche zeichneten sich
durch hintersinnigen undvorallem
schwarzenHumor aus,der sowohl
formalalsauchinhaltlichfürdasge-
samte Comedy-Genrestilbildend
wurde .Die Comedianszeigten eine
Mischung aus Slapstick,Kalauern
undSatire,siebegannenSketche,die
keinEndefanden.Speziellder Ver-
zichtaufeinePointeimAnschluss
aneineabsurdeSzenewarrevolu-
tionär.Ine inerbisdatoungekann-
ten Direktheit und Offenheit nah-
mendieKomikerstaatlicheundge-
sellschaftliche Autoritäten aufs
Korn:DazugehörtenebensoPoliti-
ker,Richter,Ärzte und hochnäsige
Angehörige der britischen Ober-
schicht wie einfältige Hausfrauen
undfrustrierteAngestellte.
Auch thematisch war dasSpek-
trumdenkbargroßundauchriskant:
Ihre Persiflagen widmeten „Monty
Python“selbstTabuthemenwieGe-
walt, Todund Sexualität.In Anleh-
nung an denAusdruck „kafkaesk“
wurdederabsurdeHumorder Meis-
ter des Nonsens“ auch als „pytho-
nesk“ bezeichnet. Eine abrupteUn-
terbrechungerfuhrendieSketcheoft
nurdurchCleesesÜberleitung„Und
nun zu etwas völlig anderem“ oder
vonkurzen, animierten, surrealisti-
schen Einspielern. Als Titelmusik
diente der„LibertyBell March“ von
JohnPhilipSousa.
DieTrickfilmchen boten viel Rä-
derwerk ,abgetrennte Köpfe und ei-
nen unvermeidlichenFuß, der sich
amEndevonobenindenBildschirm
schob und alles plattmachte.Be-
rühmteSketchewaren„DerPapagei
ist tot“,„Spam-Sketch“ (darauf geht
dieheutigeBezeichnung„Spam“für
Massen-E-Mails zurück), „DasMi-
nisterium für alberne Gänge“, „Die
SpanischeInquisition“, „DasHolz-
fällerlied“ oder„Der tödlichsteWitz
derWelt“.
Ursprünglich liefen vierStaffeln
der Seriemit insgesamt 45Folgen
auf einem spätenSendeplatz.Das
ungewohnteFormat um 23Uhrer-
zielte zunächst nurwenig Aufmerk-
samkeit.NachAussagevonPalinbe-
standdieZuschauerschaftaus„Leu-
ten mit Schlafstörungen,Intellektu-
ellenundarbeitslosenEinbrechern“.
Als die Seriedann ab 1974 auch in
denUSAgesendetwurde,erwarbsie
sichschnelleinegroßeFangemeinde
underhielteinenungeheurenPopu-
VonMichael Ossenkopp
„Chleudertden
Purschenzu
Poden“
Verybritishundverykomisch:DieKultshow
„MontyPython’sFlyingCircus“wird50!
laritätsschub,mitdemselbstdieMa-
chernichtgerechnethatten.
Diedeutsche Erstausstrahlung
auf Englisch mit Untertiteln war
schon abEnde 1971 über dieBild-
schirmegeflimmert.Außerdemwur-
den für denWestdeutschenRund-
funk und das ÖsterreichischeFern-
sehen zweiFolgen produziert, die
erstederbeidenEpisodensogarmit
der OriginalspracheDeutsch. Alfred
Biolek, damals verantwortlich bei
der Bavaria, hatte dieTruppe nach
Bayerngeholt.
DieSonnenseitedesLebens
AuseinerAuswahlneuproduzierter
SketchederSeriebrachtendiesechs
Komiker 1971 den Kinofilm„Monty
Python’s wunderbareWelt der
Schwerkraft“ heraus.1974 folgte die
Artus-Satire„DieRitter der Kokos-
nuss“ und 1979 „Das Leben des
Brian“, ein irrwitzigesSpektakel im
Heiligen Land zu Zeiten vonJesus
Christus.1983 kam mit der raben-
schwarzenEpisoden-Satire„Der
Sinn des Lebens“der letzte Monty-
Python-FilmindieKinos.
FürweltweiteFuroresorgtealler-
dings „Das Leben des Brian“. Der
vonEx-Beatle George Harrison pro-
duzierte Streifen machte das Chris-
tentum zum Objekt vonSatireund
Komik,gleichzeitigparodierteerdie
Bibelfilmeder 1950er-und 1960er-
Jahre.„Obszön,blasphemisch“,erei-
ferten sich Kritiker,christliche und
jüdische Gruppen empfandendie
Parodie als skandalös.Der Film be-
handelediePersonChristi„wieeine
lächerlicheComicfigur“.
DennochwurdedieKomödieein
Riesenerfolg. Vermutlich wegen der
GagsundZitate,dieFansheutenoch
mitsprechen können:Vomlispeln-
denPontiusPilatusmit„Schwanzus
Longus“ und „Chleudertden Pur-
chenzuPoden“überdiekrächzende
Frage„IstWeibsvolkanwesend?“bis
zum Verkäufer im Colosseum,der
„Lerchenzungen,Zaunköniglebern,
Buchfinkenhirne und Wolfzitzen-
Chips“anbietet.DaswährendBrians
KreuzigungangestimmteLied „Al-
waysLookOntheBrightSideOfLife“
avanciertezumKulthit,derinGroß-
britannienebensoinFußballstadien
wie auch bei Beerdigungengesun-
genwird.
Brian-Darsteller Chapman starb
imOktober1989,einLebenlangwar
eralkohol-undnikotinsüchtig.Über
seine Homosexualität sagte er ein-
mal: „Ich war keineTucke,sondern
ein Macker mit Pfeife undTweed-
Anzug.“NebenFilmenproduzierten
dieMitgliedervonMontyPythonzu-
sammen auch mehrereBühnen-
shows ,bissichdieGruppe1983auf-
löste.Einkur zesRevivalgabesledig-
lich1998mitdemProgramm„Monty
PythonLiveatA spen“.
ZurÜberraschung vieler Anhän-
ger trat dieTruppe dann jedoch im
Juli 2014 anzehn Abenden in der
Londoner O 2 -Arena wieder gemein-
samauf(wenngleichohnevielneues
Material). Dieerste Veranstaltung
warinnerhalbvon45S ekundenaus-
verk auft,aufdemSchwarzmarktsol-
len Eintrittskarten mehr als 200
Pfund gekostet haben. Dieletzte
Show wurde liveinK inos rund um
dieWeltübertragen.
EineerneuteRückkehranlässlich
des 50-jährigenJubiläums wirdes
aber nicht geben. „Wir sind nicht
mehrdieTypenvondamals.Wiralle
sindheutealteMänner“,sagtder78-
jährige TerryGilliam,„Grahamist vor
fast 30 Jahren an Krebs gestorben,
TerryJones hat seit 2015Demenz.“
InzwischenseidieKrankheitsoweit
fortgeschritten, dass er nicht mehr
sprechenkönne.
Zudem seien die anderenGrup-
penmitgliedermiteigenenProjekten
beschäftigt:„Johnreistmit Film-Prä-
sentationen um dieWelt, Michael
schreibt Bücher undEric hat dieses
Jahr seineAutobiografieveröffent-
licht“, erzähltGilliam. Er selber hat
im letzten Jahr als Regisseur und
Drehbuchautor die Abenteuer-Ko-
mödie „TheManWho Killed Don
Quixote“indieKinosgebracht.
Analfixierter Humor:Szeneaus„DieRitterderKokosnuss“(1975). IMAGO
In der Show „Monty Python’sFlying Circus“ wurde auch der SillyWalk erfunden:
John Cleese ist in einem Sketch als Minister für Albernes Gehen unterwegs.ARCHIV