Berliner Zeitung - 05.10.2019

(Marcin) #1
WildtiereinBerlin:Vonden fast 900 Quadrat-
kilometern Berliner Stadtgebiet sind rund 40
Prozent mit Äckern, Grünland,Wald- und Grün-
fläche oder Brachfläche bedeckt. Hier wurden
bislang über20.000 verschiedene Tier-und
Pflanzenarten nachgewiesen.

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Herr Ehlert, Wildtiere erobern das städtische
Terrain.Wasverunsichert die Berliner am
meisten?
Füchse sind inzwischen allgegenwärtig. Sie
leben mitten in der Stadt, am Alex,am Breit-
scheidplatz, in U-Bahn-Schächten und auf
Häusern. Sie sind zutraulich im Umgang.

Sind sie eine Gefahr?
Nein, im Gegenteil: Füchse haben unbändi-
gen Appetit auf Ratten. Sie können uns hel-
fen, dieVerbreitung von Ratten zu begren-
zen. Das heißt aber auch: Rattengift muss
sachgerecht ausgelegt werden, so dass Füch-
se nicht rankommen. MancheTiere sehen
nicht so hübsch aus wie in den idealisierten
Fotobüchern: Sie haben Staupe oder Räude.
Das ist aber für den Menschen ungefährlich.

Welche Wildtiere sind denn noch relativ neu auf
Berlins Straßen?
Waschbären haben in den letzten 20 Jah-
ren extrem zugenommen.Siestammen ur-
sprünglich aus Nordamerika und wurden
seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts
in Deutschland ausgesetzt. Aber wir Men-
schen bekommen vonWaschbären nicht all-
zu viel mit–sie leben sozusagen in der drit-
ten Dimension, auf Bäumen und Dächern.

Eine Koexistenz ohne Berührungspunkte mit
dem Menschen?
Nicht ganz. DennWaschbären haben es ger-
ne trocken. Sie reißen Dachkanten aus und
richten sich in der Wärmedämmung von

Gebäuden häuslich ein. Die können bis ins
neunte, elfte Stockwerk steigen.So mancher
Waschbar nutzt seinenWinterruheplatz auch
als festeToilette–und das riecht man dann.
Da hilft nur: das Haus hermetisch abriegeln.

Und Steinmarder?
Oft bekommen wir Anrufe von Bürgern, die
ein Rascheln und Krachen auf dem Dach
hören–als würde da jemand Baseball oder
Fußball spielen. Das sind die Jungmarder,die
sich auf dem Dachboden Kleinkriege liefern.

Wie bekommt man Steinmarder aus dem Haus,
die sich da einmal eingenistet haben?
Schwierig. Dazu werden Geruchsstoffe und
Ultraschallgeräte genutzt–ein Job für Ex-
perten.

Waswird sich in den nächsten zehn bis zwanzig

Jahren in Berlins Flora und Fauna am meisten
verändern?
Wegen der Erderwärmung haben wir nicht
mehr so kalteWinter.Dadurch werden im-
mer schnellerer Folge neue Arten bei uns ein-
wandern.Viele heimische Arten haben dann
einen schweren Stand.

Waskann ich auf meinem eigenen Balkon oder
im eigenen Garten machen, um denTierschutz
zu unterstützen?
Viele üppig blühende Zierblumen auf dem
Balkon sind für Insekten undVögel völlig
uninteressant.Bessersind Wildkräuter und
mehrjährige Stauden. Gerade Stauden und
Sträucher bietenVögeln einen Schutzraum
zum Brüten, auch im Garten. Und bitte auch
mal die eine oder andere wilde Ecke zulas-
sen. Schon ein bis zwei QuadratmeterWild-
wuchs sind ökologisches Gold–ingrößeren
Gärten auch gerne mehr.Komposthaufen
und im Herbst Reisighaufen anlegen. Das
Laub von den Bäumen hilft gegenVerdun-
stung und ist ein Frostschutz, wenn man es
auf Strauchflächen verteilt.

Waswünschen Sie sich für Berlin?
Berlin ist durchzogen von vielen kleinen
Grünflächen. Das sind Mini-Biotope für die
Tiere, die sie auf ihrenWanderungen durch
die Stadt als „Parkplatz“ nutzen können.
Diese hohe Qualität möchte ich beibehalten
sehen. Und wir brauchen mehr Fassaden-
und Dachbegrünung.

Das In terview führte Ingrid Bäumer

Derk Ehlert istder Wildtierreferent derSenatsverwal-
tung für Stadtentwicklung. Ehrenamtlich engagiert er
sich im Naturschutz.

Graue Großstadt? Vonwegen !Berlin hat jede MengeGrünflächen–und deren natürliche Bewohner prägen zunehmend auch das übrigeStadtbild.


Im Interviewerklärt BerlinsWildtierreferentDerk Ehlert,wasFüchseund Waschbärenzwischen U-Bahn-Linien und Häusern bedeuten undwas


Städter für den Tierschutz tun können.


IM GESPRÄCH MIT DERK EHLERT

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