Die Welt - 21.09.2019

(Rick Simeone) #1

V


on 8 Uhr bis 14.30 Uhr
Schule, danach eine Stunde
Ballett, von 16 bis 18 Uhr
Nachhilfe in Mathematik
und Latein, bis 19 Uhr
Hausaufgaben, abends Klavier üben
und Englischvokabeln wiederholen.
Der Terminkalender mancher Kinder
und Jugendlicher liest sich wie der ei-
nes Managers: Randvoll und nahezu oh-
ne Pausen werden sie von ihren Eltern
verplant.

VON FRANZISKA VON HAAREN

Doch überfrachtete Wochenpläne
und Dauerbelastung können Folgen ha-
ben. Immer mehr Schüler fühlen sich
gestresst, überfordert oder sind sogar
depressiv, zeigt eine Analyse der Kauf-
männischen Krankenkasse (KKH) aus
dem vergangenen Jahr. Demnach sind
etwa 1,1 der insgesamt rund neun Mil-
lionen Sechs- bis 18-Jährigen in
Deutschland wegen stressbedingter Be-
schwerden und psychischer Krankhei-
ten in Behandlung. Als eine Ursache gilt
Stress in der Schule. Jeden dritten
Zehn- bis 18-Jährigen belasten der Un-
tersuchung zufolge Leistungs- und
Konkurrenzdruck. „Immer häufiger
stellen Ärzte außerdem schon im Schul-
alter die Diagnose Burnout“, schreiben
die Autoren. Zwar betreffe das nur eine
relativ kleine Fallzahl von 1000 Versi-
cherten, die Zahlen hätten sich seit
2007 aber mehr als verdoppelt.
Dass Kinder und Jugendliche in ihrem
Alltag mit Schule, Hausaufgaben und
Hobbys tatsächlich überfordert sind,
kann sich auf verschiedene Weise zeigen


  • und nicht immer ist es für Eltern ein-
    fach zu erkennen. „Insbesondere jünge-
    re Kinder reagieren auf Stress mit Kopf-
    schmerzen, Bauchschmerzen oder
    Schlafproblemen“, erklärt Silke Naab,
    Fachärztin für Kinder- und Jugendpsy-
    chiatrie und -psychotherapie sowie für
    Psychotherapeutische Medizin. Solche
    Symptome könnten erste Anzeichen
    sein, die auch wieder vorübergehen kön-
    nen. „Aber wenn sie anhalten, sollten
    Eltern reagieren“, warnt Naab.
    Leiden ältere Kinder und Jugendliche
    unter vollen Terminplänen und Dauer-


stress, zeigen sie häufig psychische
Symptome. Je nach Charakter beobach-
ten Experten zwei Muster: „Jugendli-
che, die eher extrovertiert und laut
sind, reagieren dementsprechend ex-
pansiv-aggressiv“, erklärt Naab. Das
kann sich zum Beispiel darin äußern,
dass sie leichter reizbar sind, wenn sich
ihre Eltern nach den Leistungen in der
Schule erkundigen. „Viele geraten un-
verhältnismäßig schnell in Wutausbrü-
che“, bestätigt auch Klaus Seifried, Psy-
chotherapeut und Bundesvorstand der
Sektion Schulpsychologie im Berufsver-
band Deutscher Psychologinnen und
Psychologen (BDP).

Schwieriger ist es, bei ruhigeren
Schülern eine Überlastung festzustel-
len. Sie ziehen sich oftmals eher zurück
und wollen sich zum Beispiel nicht
mehr mit Freunden treffen, sagt der
Schulpsychologe. „Ein weiteres Symp-
tom kann auch darin bestehen, dass sie
nicht mehr über das eigentliche Pro-
blem sprechen möchten und es ein
Stück weit auch verdrängen.“ Dass ein
Kind von Schulthemen ablenkt, sei ein
erster Hinweis. Zudem können den Ex-
perten zufolge Unruhe, Müdigkeit und
Konzentrationsschwierigkeiten hinzu-
kommen. Eltern sollten solche Anzei-
chen ernst nehmen – und sie können ei-

ne Menge tun, um einer Überforderung
ihres Kindes vorzubeugen.

1. IM GESPRÄCH BLEIBEN

So banal es klingt: Eltern müssen sich
Zeit für ihr Kind nehmen. „Sie sollten es
nicht mit Fragen durchlöchern, aber
doch nachfragen: Wie geht es dir? Bist
du müde, wenn du aus der Schule
kommst?“, sagt der Schulpsychologe. Es
sei wichtig, mit dem Kind im Dialog zu
bleiben, damit Eltern auch spürten,
wenn etwas nicht stimmt.
Entscheidend sei zudem, dass sie das
Verhalten ihres Kindes gut beobachte-

ten und auch ernst nähmen, wenn sich
dieses plötzlich ändere, erklärt Kinder-
und Jugendtherapeutin Naab. Dafür
hilft auch der Austausch mit den Leh-
rern. Im nächsten Schritt sollten Eltern
ihrem Sohn oder ihrer Tochter dann of-
fen sagen, dass sie sich Sorgen machen,
so Naab. „Sagen sie ihrem Kind: Ich
möchte dir helfen und wir überlegen uns
gemeinsam, was wir da ändern können,
weil ich merke, dass du leidest“, rät die
Expertin. Mit Vorwürfen sollten Eltern
dabei vorsichtig sein. „Die Botschaft
sollte sein: Wir sehen deine Nöte und
wir machen uns Sorgen und wir möch-
ten dich unterstützen. Die Botschaft
sollte nicht sein: Wieso sind deine No-
ten schlechter geworden, wieso bist du
so aggressiv?“ Deshalb rät Naab auch
von Handy- oder Internetverboten, die
das Verhalten des Kindes bestrafen, ab.

2. LEISTUNGEN ANERKENNEN

Gelingt es Kindern, ihre Leistungen in
der Schule zu steigern, sollten Eltern das
in jedem Fall anerkennen – auch wenn sie
sich nur von einer Fünf auf eine Drei ver-
bessert haben. „Jede Form des Bemühens
des Kindes sollte gesehen und gewürdigt
werden“, rät Naab. Dafür könnten sie
auch belohnt werden, so dass ihre Leis-
tung positiv verstärkt wird. Eltern sollten
sich zudem gar nicht so sehr auf die No-
ten ihres Sohnes oder ihrer Tochter kon-
zentrieren – sondern auf ihre Lernbereit-
schaft. „Man sollte nicht nur ergebnisori-
entiert handeln, sondern vor allem be-
rücksichtigen, was das Kind investiert
hat“, erklärt die Psychotherapeutin.

3. DIE EIGENEN ANSPRÜCHE
ÜBERDENKEN

Eltern übertragen immer wieder ihre ei-
genen Abstiegsängste auf ihr Kind und
erzeugen so einen großen Druck, beob-
achtet Naab. Deshalb sei es umso wich-
tiger, die eigenen Ansprüche zu über-
denken und sie mit den Fähigkeiten des
Kindes abzugleichen. Auch Schulpsy-
chologe Seifried rät, dass Eltern sich in
der Schule über die Stärken und Schwä-
chen ihres Kindes informieren sollten.
„Wenn mir bewusst ist, dass mein Kind

4. ALLTAG DURCH RITUALE
STRUKTURIEREN

Damit sich Kinder entspannen können,
brauchen sie zudem Rituale im Alltag,
sagt Seifried. Das fängt schon mit einem
gemeinsamen Frühstück oder Abend-
essen an. Solche Familientraditionen,
bei denen Gespräche möglich sind, ge-
ben Kindern Orientierung. Die Medien
hätten dann einmal Pause, rät er.

5. ELTERN MÜSSEN SELBST
ZUR RUHE KOMMEN

Schließlich sollten Eltern gelassen blei-
ben und selbst zur Ruhe kommen. Wer
ständig erreichbar und unter Strom ist,
gibt das auch an seinen Nachwuchs wei-
ter. „Es ist wichtig, dass Eltern auch ih-
rem Kind vorleben, dass es Ruhe- und
Entspannungsphasen gibt“, sagt Sei-
fried. Diese sollten ebenfalls gezielt in
den Alltag integriert und gelebt werden.

So nehmen


Sie Ihrem


Kind den


Druck


G

ETTY IMAGES

/ELVA ETIENNE

Schüler sind durch


Leistungsstress und volle


Terminkalender zunehmend


überfordert.


Wie Eltern


vorbeugen können


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21.09.19 Samstag, 21. September 2019DWBE-HP


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Naturwissenschaften hat, werde ich
nicht erwarten, dass das Kind Ingenieur
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wartungen regulieren“, sagt er. Mögli-
cherweise habe es eine andere Bega-
bung – etwa eine handwerkliche, sport-
liche, künstlerische oder musische.
„Diese Stärken und Begabungen muss
man fördern“, so der Schulpsychologe.
Beispielsweise, indem das Kind auf eine
Schule mit einem Profil wechselt, das
seinem Interesse entspricht. Dabei sei
es wichtig, dass die Eltern beobachten,
was die Neugier ihrer Tochter oder ihres
Sohnes weckt – und ihm oder ihr dann
auch Vorschläge machen, rät der Exper-
te. „Ein Kind muss sich entwickeln kön-
nen, es muss Angebote haben, es muss
gefördert werden, aber es darf nicht zu
sehr gedrängt und verplant werden.“

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