Die Welt - 21.09.2019

(Rick Simeone) #1

R


eich sein ist nicht leicht –
zumindest nicht in
Deutschland. Warum, ließ
sich zuletzt an zwei Beispie-
len beobachten: So ordnete
der Politiker Friedrich Merz sich selbst
der „gehobenen Mittelschicht“ zu, bei
einem Jahreseinkommen von einer Mil-
lion Euro und zwei Privatflugzeugen. Er
erntete empörte Reaktion. Die Unter-
nehmerin Verena Bahlsen wiederum,
der ein Viertel der Gebäckfirma gehört,
sagte bei einer Konferenz ganz offen,
dass sie sich darüber freue und von ih-
rer Dividende Segelyachten kaufen wol-
le; wieder war die Öffentlichkeit entrüs-

rer Dividende Segelyachten kaufen wol-
le; wieder war die Öffentlichkeit entrüs-

rer Dividende Segelyachten kaufen wol-

tet. Offenkundig können Menschen
hierzulande viel falsch machen, wenn
sie über ihr Vermögen reden. Aber wa-
rum ist die Beziehung zwischen den
Deutschen und ihren Reichen eigentlich
so kompliziert? Anruf bei Wolfgang
Lauterbach. Der Soziologe von der Uni-
versität Potsdam ist einer der führen-
den Reichtumsforscher und hat seltene
Einblicke in die Welt der Wohlhaben-
den erhalten.

VON CÉLINE LAUER

WELT: WWWarum reagieren die Deut-arum reagieren die Deut-
schen so empfindlich auf den Reich-
tum ihrer Mitmenschen?
WOLFGANG LAUTERBACH:Das hat
zwei Gründe. Erstens war Deutschland
noch nie besonders liberal, sondern im-
mer eher durch staatliche Vorgaben ge-
prägt. Unsere Gesellschaft ist sehr stark
an Einkommensgleichheit interessiert;
es darf zwar Differenzen geben, aber
keine allzu großen. Die Vorstellung,
dass man sich nach oben arbeitet und
dass Wohlstand die materielle Doku-
mentation der erbrachten Leistung ist,
war hier nie populär.

Und der zweite Grund?
Viele Menschen sind von den Verspre-
chen der freien Marktwirtschaft ent-
täuscht worden. Zum einen verurteilen
sie all das, was dort passiert ist – die
Kreditblase, die New Economy, die
Cum-Ex-Geschäfte, bei denen sich Leu-
te bereichert haben, obwohl es mora-
lisch unredlich war. Zum anderen hat
die Regierung unter Gerhard Schröder
und Joschka Fischer mit den Hartz-IV-
Gesetzen dazu beigetragen, dass viele
Unternehmen die Tarifbindung verlas-
sen haben.

Dadurch konnten viele Arbeitnehmer
kaum vom wachsenden Wohlstand
profitieren.
Ja, ihr Einkommen hat sich nur wenig
gesteigert. Selbst der Ausgleich der In-
flationsrate ist zur Seltenheit gewor-
den. Die Vermögensbestände verteilen
sich also weiter auf wenige Unterneh-
mer, aber die Belastung der Mittel-
schicht bleibt konstant oder wächst so-
gar. Das verursacht viel Skepsis und
Enttäuschung, gerade gegenüber be-
stimmten Berufsgruppen: Kaum eine
stand lange Jahre im gesellschaftlichen
Ansehen so schlecht da wie die Banker.

Wie erleben denn die Reichen diesen
Konflikt? Gibt es in der Oberschicht
so etwas wie „Geldscham“?
Generell herrscht Verunsicherung. Das
sieht man zum Beispiel daran, dass die
Wohlhabenden ihre Namen und Adres-
sen nicht publizieren, dass sie nicht ge-
nannt werden wollen, wenn das „Mana-
ger Magazin“ jährlich die reichsten Fa-
milien Deutschlands auflistet, oder dass
sie kaum aktuelle Zahlen zum Wert des
Privat- oder Firmenvermögens heraus-
geben. Demonstrativer Reichtum – wie
das Vorfahren im Luxuswagen – wird
wenig geschätzt und wenig gelebt. Un-
ternehmer fahren eher Autos der obe-
ren Mittelklasse, tragen bei Tagungen
keine Krawatte und verhalten sich ins-
gesamt unauffällig. Oft nimmt man sie
gar nicht wahr.

Warum sind die Reichen vorsichtig
geworden?
Weil in der Öffentlichkeit immer sugge-

geworden?
Weil in der Öffentlichkeit immer sugge-

geworden?

riert wird, dass es „den Reichen“ gibt.
Dabei gibt es den genauso wenig wie
„die Frau“ oder „den Mann“. Was
stimmt, ist, dass wir von einer winzigen
Gruppe reden – den obersten zwei Pro-
zent der Bevölkerung. Über diese Grup-
pe wird in den Medien meist sehr pau-
schal berichtet: skeptisch, misstrauisch
und oft negativ. Aber „den Reichen“
oder „die Superreichen“ gibt es nicht.

Wie würden Sie diese zwei Prozent
denn beschreiben?
Meine Studien zeigen: Der Reiche ist in
der Regel ein Unternehmer. Hier muss
man allerdings sehr deutlich unter-
scheiden zwischen denjenigen, die eine

Firma selbst aufbauen und jenen, die ei-
ne Firma in der zweiten oder dritten
Generation erben. Daneben gibt es auch
ein paar, die anders zu ihrem Vermögen
gekommen sind – Sportler, Musiker,
Künstler. Auch Personen im Angestell-
tenverhältnis, dazu zähle ich Manager,
können reich werden, aber meist nur
bei DAX-gelisteten Unternehmen in Po-
sitionen mit großer Verantwortung –
denken Sie etwa an Dieter Zetsche, der
als Vorstandsvorsitzender der Daimler
AG natürlich Millionen verdient hat.
Aber 99 Prozent aller Reichen in
Deutschland sind Unternehmer, die
sehr unterschiedliche Lebensstile pfle-
gen, aber häufig eher bescheiden auftre-
ten. Denken Sie beispielsweise an die
mittelständischen Familienunterneh-
mer – darunter sind viele „hidden
Champions“, also unbekannte Welt-
marktführer.

Gemessen am internationalen Maß-
stab ist hierzulande jene Millionärs-
gruppe relativ klein, die sich ihren
Wohlstand selbst erarbeitet hat. Ist
das der Grund, warum die restliche
Bevölkerung oft abschätzig über Rei-
che urteilt – weil sie das Gefühl hat,
die meisten von ihnen ruhen sich auf
Lorbeeren aus, die sie nicht selbst
verdient haben?
Dieses Schmarotzer-Vorurteil liegt eher
daran, dass die Gesellschaft ein undiffe-
renziertes Wissen über diese Einkom-
mensgruppe hat. Ich kann dem jeden-
falls nicht beipflichten. Gerade bei den
Familienunternehmen gibt es eine star-
ke Generationenbeständigkeit. Entwe-
der bleiben die Erben selbst weiter dort
tätig, oder das Unternehmen wird ver-
kauft, und sie verwalten über sogenann-
te Family Offices das ehemalige Fir-
menvermögen der Eigentümerfamilie.
Oder sie investieren in neue Projekte.
Der Erbe, der das Vermögen der Firma
verjubelt und seinen oberen dreistelli-
gen Millionenbetrag in Saus und Braus
verprasst, ist mir jedenfalls noch nie be-
gegnet. Und unsere Daten zeigen das
auch nicht.

Dann wiederum ist auch „neureich“
fast ein Schimpfwort. Warum?
Der Begriff „neureich“ beschreibt eine
Gruppe, die von ihrem Habitus her eher
einer unteren oder mittleren Schicht
zuzurechnen ist, aber durch Vermö-
gensaufbau oder Gewinne in sehr kur-
zer Zeit – eine Dekade, eine Generation


  • zu enormem Wohlstand gekommen
    ist. Dann passiert etwas, was wir Sozio-
    logen wie folgt beschreiben: Der Habi-
    tus passt sich nicht entsprechend den
    finanziell zur Verfügung stehenden
    Möglichkeiten an. Das heißt, der „Bau-
    unternehmer“ hat zwar plötzlich viel
    Geld zur Verfügung, ist aber im Herzen
    immer noch ein Arbeiter oder Polier –
    und verhält sich auch noch immer so bei
    dem, was er sagt, tut, isst oder anzieht.


Leben die deutschen Reichen in einer
Parallelwelt?
Nein. Sicher haben diese Menschen auf-
grund ihres Vermögens einen gehobe-
nen Lebensstandard und wohnen bei-
spielsweise in schönen, teureren Lagen.
Aber sie verschanzen sich nicht in Ga-
ted Communitys, und die meisten ha-
ben auch keinen Privatflieger oder

Fuhrpark. Vor allem aber gilt für sie we-
der eine andere Gesetzgebung noch ei-
ne andere Rechtsprechung. Deshalb hal-
te ich dieses Bild von der Parallelwelt
für falsch. Allerdings spreche ich auch
ausschließlich von Reichen, die ihr Ver-
mögen legal erworben haben – und
nicht etwa von kriminellen Personen.

Sie haben es geschafft, 130 Millionäre
zu befragen. Ihr Material gibt seltene
Einblicke in deren Welt. Gibt es Ei-
genschaften, die diese Menschen ge-
meinsam haben?
Ein Punkt ist mir besonders aufgefallen:
Wir haben uns gefragt, ob erfolgreiche
Unternehmer bestimmte Charakterzü-
ge haben. Deshalb haben wir sie auf den
Skalen der sogenannten Big Five aus der
Persönlichkeitspsychologie eingeord-
net, also zum Beispiel danach, wie ge-
wissenhaft oder extrovertiert sie sind,
und mit den Werten von Menschen aus
der Mittelschicht verglichen. Es kam
heraus, dass reiche Unternehmer wenig
verträglich sind.

Was heißt das konkret?
Reiche Unternehmer sind extrem wi-
derborstige Personen, in dem Sinne,
dass sie für etwas brennen und dies
durchsetzen wollen. Das sind keine Sof-
ties, die in einer Gruppe mitschwim-
men wollen, sondern diejenigen, die et-
was wagen wollen. Sie treten tenden-
ziell aggressiver auf, soll heißen: durch-
setzungsfähiger. Außerdem stehen sie
Neuem viel offener gegenüber. Das be-
trifft nicht nur Innovationen, sondern
zum Beispiel auch Anlageformen. Die
Deutschen sind sehr auf Sicherheit be-
dacht, sie trauen dem Aktienmarkt
nicht und lassen ihr Geld lieber auf dem
Konto liegen – selbst bei Negativzinsen.
Die Unternehmer sind dagegen weniger
angepasst und deutlich risikofreudiger.

Was ist Ihnen noch aufgefallen?
An den Biografien haben mich zwei Din-
ge fasziniert. Erstens waren die meisten
Reichen früher Sportler auf mittlerem
bis oberem Niveau. Und zweitens wa-
ren viele von ihnen schon mit 16 oder 17
Jahren unternehmerisch tätig.

Weil sie in der Familienfirma ausge-
holfen haben?
Ganz im Gegenteil – sie haben völlig ei-
gene Geschäftsmodelle entwickelt. Ich
denke da etwa an einen jungen Mann,
dessen Vater eine Eierfabrik hatte. Der
Sohn entwickelte aus den Eierkartons
schallschutzdämpfende Wände, die er
dann an seine Freunde verkaufte, damit
sie zu Hause Musik machen konnten.
Ein anderer hat Anleitungen zur Mofa-
Reparatur verfasst und für fünf Mark an
seine Klassenkameraden verkauft. Und
ein Dritter hat Lampen aus Messing ge-
fertigt und auf dem Flohmarkt angebo-
ten – wozu er einen Studenten ange-
stellt hat. Das zeigt: Viele Unternehmer
hatten schon in ihrer Jugend einen Be-
zug zum Handeln.

Waren diese Menschen auch in der
Schule Überflieger?
Das waren nur selten Einser-Kandida-
ten. Viele hatten einen mittleren Abi-
Schnitt, andere machten einen Real-
schulabschluss. Das Wissen darüber,
wie Handel funktioniert, hatten sie

wohl aus dem Bauch heraus – unabhän-
gig von ihrem akademischen Wissen.

Wie leben diese Unternehmer heute?
Ich habe bislang nur Personen getrof-
fen, die von morgens bis abends arbei-
ten – und zwar deutlich länger als bis
zum gesetzlich vorgeschriebenen Ren-
tenalter. Wenn ein Unternehmer 65
wird, reduziert er vielleicht seine Wo-
chenstunden oder wechselt in den Auf-
sichtsrat, aber er hört nicht auf. Viele
sind auch mit 70, 75 Jahren noch aktiv
im Geschäft.

Warum genießen sie nicht ihren gol-
denen Ruhestand?
Familienunternehmer betrachten die
eigene Firma als ihr Lebenswerk. Vielen
Menschen, die nicht aus der Wirtschaft
kommen, ist diese Einstellung fremd,
aber die Eigentümer leben für ihre Fir-
ma. Es entspricht ihrem Ethos, weiter-
hin Verantwortung dafür zu tragen. Au-

ßerdem haben diese Leute ja keine 30
oder 80 Millionen Euro auf dem Konto
liegen; das Vermögen steckt in der Fir-
ma, und sie zahlen sich lediglich einen
gewissen Betrag als Einkommen aus.
Und sicher ist es so, dass viele nicht los-
lassen können und sich mit der Überga-
be an den Sohn oder die Tochter
schwertun. Das schwingt in vielen Un-
ternehmer-Biografien mit.

In den USA sind die Reichen eine es-
senzielle soziale Stütze. Mit Groß-
spenden, Stiftungen, Charity-Veran-
staltungen und Stipendien stellen sie
enorme Summen zur Verfügung. Wa-
rum ist das bei uns so selten?
In Deutschland haben reiche Personen
die Vorstellung: Warum soll ich mich ge-
gen Armut engagieren, wenn wir dafür
den Sozialstaat haben? Eines wird oft
verkannt: Wir sind nach Belgien das
Land mit der höchsten Steuerlast welt-
weit. Wenn wir die OECD-Studie zu-
grunde legen, dann muss ein Arbeitneh-
mer die Hälfte seines Einkommens an
Steuern entrichten. Zudem ist die Sozi-
alleistungsquote – also die Sozialleis-
tungen im Verhältnis zum Brutto-
inlandsprodukt – seit den 1960er-Jahren
dauerhaft gestiegen, von ehemals circa
18 auf mittlerweile 30 Prozent. Der Ar-
muts- und Reichtumsbericht der Bun-
desregierung zeigt, dass diese Umvertei-
lung funktioniert – die unteren Schich-
ten haben durch Transfereinkommen
deutliche Zugewinne. Deshalb gibt der
Reiche dafür kaum oder kein Geld.

Anders als in den USA?
Die Vereinigten Staaten sind ein Nied-
rigsteuerland. Der Begriff des „Volun-
teering“ hat hier Konjunktur – durch
freiwillige Spenden von Reichen, die
sich in ihrer Gemeinde oder in ihrer
Kleinstadt einbringen und für Bildung
oder gegen Armut engagieren. Wobei
man sagen muss, dass auch die Unter-
nehmerfamilien in Deutschland sehr
wohl spenden. Der Anteil der philan-
thropischen Stiftungsgründungen hat
sich beispielsweise seit den 1990er-Jah-
ren von 300 Gründungen pro Jahr auf
600 im Jahre 2018 erhöht. Und darunter
befinden sich nicht nur viele Bürgerstif-
tungen, sondern auch Projekte von Ver-
mögenden mit unterschiedlichsten Mo-
tiven: Sie engagieren sich für Kinder mit
Krebs, für eine bessere Bildung in Ost-
afrika oder für den Bau einer Turnhalle
in ihrer Gemeinde.

Leisten die Reichen noch einen ande-
ren Beitrag für unsere Gesellschaft?
Der Reiche ist in der Regel Unterneh-
mer, das heißt, er stellt Arbeitsplätze
zur Verfügung. Wenn wir über die Wirt-
schaft sprechen, ist immer vom Mana-
gerkapitalismus die Rede – von Großun-
ternehmen wie VW, Porsche, Siemens
oder Bosch. Tatsächlich arbeiten aber
83 Prozent der Beschäftigten bei Famili-
enunternehmen, bei den Würths, Hari-
bos und sonstigen, die man gar nicht
kennt. Das wird in Deutschland völlig
unterschätzt.

Jetzt haben Sie sehr viel Gutes über
die Reichen erzählt. Welche Kritik an
ihnen finden Sie denn berechtigt?
Ich denke, manche Reiche bringen
manchmal nicht das richtige Verständ-

nis für die Probleme anderer Menschen
mit sich. Einige argumentieren manch-
mal zu elitär – etwa, wenn ihre Kinder
an Privatschulen oder Privatuniversitä-
ten gehen. Da kann es heißen: „Wir sind
die Elite“, obwohl das den sehr guten
Universitäten in Deutschland in keiner
Weise gerecht wird.

Wie steht es denn um die Einfluss-
nahme auf die Politik durch die Rei-
chen? Es heißt ja immer: Geld ist
Macht.
Das stimmt auch. Wenn ein Familienun-
ternehmen in einer Kommune ansässig
ist, dann möchte diese Gemeinde auch
unbedingt, dass dieses Unternehmen
vor Ort bleibt – und dort seine Steuern
zahlt. Das konnte man gut an der Dis-
kussion sehen, ob Amazon seinen
Standort in Bad Hersfeld haben soll
oder nicht. Manche waren wegen der
zweifelhaften Arbeitsplatzbedingungen
dagegen, aber es waren auch viele dafür,
weil sie das Geld in ihrer Region haben
wollten. In diesem Fall war Geld Macht.
Ein Privatier dagegen, der fünf Miets-
häuser in Berlin oder München geerbt
hat und davon leben kann, ist zwar auch
reich, weil er von den Notwendigkeiten
des Alltages enthoben ist. Aber er hat
keine Macht, denn er bringt der Kom-
mune keine großen Summen ein.

Sie selbst haben mal gesagt, Sie fän-
den es befremdlich, wie Reiche bis-
weilen glauben, sich über demokrati-
sche Prozesse hinwegsetzen und eine
Stadt per Fingerschnippen regieren
zu können. Was meinten Sie damit?
Manchmal wollen reiche Menschen Ide-
en in ihrer Stadt umsetzen, ohne sich zu
fragen, ob die Mehrheit das denn über-
haupt will. Hier in Potsdam hatten wir
das Beispiel, dass Hasso Plattner, einer
der Gründer der Software-Unterneh-
mens SAP, ein Hotel abreißen und statt-
dessen eine Kunsthalle bauen wollte. Er
hätte alles aus seinem Privatvermögen
finanziert. Aber viele Potsdamer woll-
ten das nicht. Etwas Ähnliches ist schon
mal in Oslo passiert: Dort wurde durch
privates Vermögen ein Kulturhaus ge-
baut und gar nicht verstanden, warum
die Einwohner sich darüber aufregten –
schließlich hatte der Bauherr es kom-
plett aus eigener Tasche bezahlt. Das ei-
gentliche Problem daran war, dass die-
ser Bau nicht demokratisch entschieden
wurde. In Potsdam wurde das Nein ak-
zeptiert und etwas anderes gebaut.

Ärgert es Sie, wenn Menschen als „un-
anständig reich“ bezeichnet werden?
Für mich ist das ein Ausdruck unserer
Neidkultur. Dieser Neid entsteht, weil
viele Deutsche wie bereits erwähnt ex-
trem sicherheitsbedürftig sind. Lieber
blieben sie da, wo sie sind, und nehmen
hin, dass ihre Lohnsteigerung über zehn
Jahre im einstelligen Bereich bleiben
wird, anstatt den Arbeitsplatz zu wech-
seln oder sich selbstständig zu machen.
Wenn sie dann diejenigen sehen, die ge-
nau das geschafft haben und wohlhabend
geworden sind, werden sie neidisch und
werten diesen Wohlstand ab. Dabei wä-
ren wir alle gerne reicher. Fragen Sie
doch mal Ihre Kollegen nach zehn Din-
gen, die sie in den nächsten Jahren gerne
tun würden. Mindestens neun davon ha-
ben etwas mit Geld zu tun.

Glauben Sie, wir Deutschen müssten
uns mehr mit unseren Reichen ausei-
nandersetzen?
VVVor allem müssten wir mehr über sie er-or allem müssten wir mehr über sie er-
fffahren. Man weiß über die sonstigenahren. Man weiß über die sonstigen
Minderheiten dieses Landes so gut wie
alles – aber die Unternehmer bleiben ei-
ne unerforschte Minorität. Das sieht man
üüübrigens auch daran, dass es sehr wenigebrigens auch daran, dass es sehr wenige
Menschen gibt, die sich wissenschaftlich
damit befassen. Die Top-Forscher lassen
sich an einer Hand abzählen.

Was gibt es denn noch alles zu erfor-
schen?
Ich würde gerne noch mehr darüber
erfahren, wer diese Reichen sind, wie
sie leben, welche Familiengeschichten
sie haben. Eine Frage, die mich nach
wie vor umtreibt, ist: Wie wird man ei-
gentlich reich? Bis heute haben wir
keine verlässlichen Erkenntnisse darü-
ber. Und eine zweite Frage wäre: Wa-
rum bringt unsere Gesellschaft so we-
nig neue „hidden champions“ hervor?
Da wäre es interessant, mehr zur Mo-
bilität ins obere Segment zu forschen
und herauszufinden, wie man Leute
dazu ermuntert, Neues zu wagen. Und,
was mich immer ein bisschen ärgert:
WWWarum hat der Liberalismus, der fürarum hat der Liberalismus, der für
eine unternehmerische Tätigkeit uner-
setzlich ist, hierzulande so eine gerin-
ge Bedeutung? Aber das ist eher eine
staatsphilosophische Frage.

verträglich“


Risikofreudig statt vorsichtig, widerborstig statt angepasst:


Die vermögenden Deutschen eint vor allem ein besonderer Charakter.


Warum sie oft falsch wahrgenommen werden, erklärt


Reichtumsforscher Wolfgang Lauterbach


22


21.09.19 Samstag, 21. September 2019DWBE-HP


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    Belichter: Farbe:Belichter: Farbe:Belichter:


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DIE WELT SAMSTAG,21.SEPTEMBER2019 SEITE 22

WISSEN


WISSENSCHAFTSREDAKTION: TELEFON: 030 – 2591 719 50|E-MAIL: [email protected]|INTERNET: WELT.DE/WISSENSCHAFT

Wolfgang Lauterbach,Jahr-
gang 1960, studierte Soziologie,
Statistik und Volkswirtschafts-
lehre an der Freien Universität
Berlin. Seit 2007 ist er Professor
für sozialwissenschaftliche Bil-
dungsforschung an der Univer-
sität Potsdam. Zu seinen Arbeits-
schwerpunkten zählen unter
anderem die Reichtums- und
Vermögensforschung.

Zur


W Person


. LAUTERBACH


Das hängt davon ab, wie man
Reichtum definiert – ob also man
zum Beispiel das Einkommen
oder das Vermögen zugrunde
legt. Geht man nach dem Ein-
kommen,zählt ein Single laut
Institut der deutschen Wirt-
schaft zu den oberen zehn Pro-
zent der Bevölkerung, wenn er im
Monat mehr als 3440 Euro netto
verdient. Bezieht man sich da-
gegen auf das Nettovermögen–
zusammengesetzt aus dem Wert
von Immobilien, Wertgegen-
ständen und dem Ersparten
abzüglich etwaiger Schulden
oder Kredite –, dann zählt man
der Deutschen Bundesbank zu-
folge ab 555.400 Euro zu den
reichsten zehn Prozent der Haus-
halte in Deutschland. Vermögend
kann aber auch sein, wer nicht
mehr arbeiten muss – zum Bei-
spiel weil er von dem Gewinn
lebt, den seine Eigentumswoh-
nungen abwerfen. Laut Mikro-
zensus trifft das derzeit auf
6 27.000 Menschen zu.

Wann ist man reich?


„„Reiche Unternehmer sind


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