Die Welt - 21.09.2019

(Rick Simeone) #1

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21.09.19 Samstag, 21. September 2019DWBE-HP


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DWBE-HP

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DIE WELT SAMSTAG,21.SEPTEMBER2019 GESCHICHTE 23


D


as Zweite Laterankonzil
1139 in Rom zählt zu den
großen Kirchenversamm-
lungen des Mittelalters.
Ein Schisma wurde been-
det und ein König exkommuniziert.
Dass man sich daneben mit der „tod-
bringenden und von Gott verhassten
Kunst der Armbrust- und Bogenschüt-
zen“ befasste, sagt einiges über das Bild
dieser Waffen in der Öffentlichkeit aus.
Wer sie gegen Christen einsetzte, werde
hinfort mit Verdammung bestraft, lau-
tete der Beschluss der Kirchenfürsten.

VON BERTHOLD SEEWALD

Das sollte sich ändern. Mehr als 660
Jahre später stilisierte Friedrich Schiller
mit seinem Drama „Wilhelm Tell“ aus-

gerechnet einen Armbrustschützen
zum Symbol des heroischen Freiheits-
kämpfers, dem Demokraten Denkmäler
errichteten.
Wie wenige Waffen ist die Armbrust
mit dem gesellschaftlichen Milieu derer
verbunden, die sie führten. Das zeigt ei-
ne Ausstellung, die in dieser Woche im
Deutschen Historischen Museum in
Berlin eröffnet wurde (bis 8. März
2020). Auch der Titel „Die Armbrust –
Schrecken und Schönheit“ verweist auf
den merkwürdigen Antagonismus, der
ihr Bild über die Jahrtausende geprägt
hat. Kaiser führten sie und namenlose
Kriegsknechte. Ritter verachteten sie,
während Bürger sie mit Stolz trugen.
Obwohl sie auf dem Schlachtfeld von
den Feuerwaffen abgelöst wurde, schät-
zen Jäger sie noch heute. Ihre Technik
mag veraltet sein, aber sie fasziniert bis
in die Gegenwart.
Anders als der urtümliche Bogen ist
die Armbrust (vom mittelhochdeut-
schen „berust“, Bewaffnung) ein Zeug-
nis elaborierter Technik, die erst in
Hochkulturen zur Verfügung stand. Als
Hand„feuer“waffe – auch ohne Pulver
ist ihr dieses Bild zu eigen – wurde sie
unabhängig voneinander von römi-
schen Artilleristen und chinesischen
Schützen eingesetzt. Am Ende der An-
tike ging das Wissen um ihre Herstel-
lung verloren.
Erst die Wikinger entdeckten ihre
Vorzüge womöglich im Orient wieder.
Funde von Bolzenspitzen belegen, dass
Wilhelm der Eroberer sie 1066 bei Has-
tings gegen den Angelsachsen Harald II.
eingesetzt hat. Auf dem Teppich von
Bayeux allerdings, auf dem der Sieg der
Normannen verherrlicht wird, sucht
man diese markante Waffe vergebens.
Schämte sich Wilhelm ihrer?

Der schlechte Ruf der Armbrust hat
viel mit sozialer Distinktion zu tun. Seit
der landbesitzende Adel zur herrschen-
den Schicht des Mittelalters aufgestie-
gen war, beanspruchte er als Panzerrei-
ter die Hauptrolle auf dem Schlachtfeld
für sich und legitimierte damit zugleich
seine herausgehobene Stellung. Der
Krieg war seine Domäne, Aufgabe der
Bauern und Städter war es allenfalls, die
Ritter mit Nahrung, Geld und Ehrerbie-
tungen zu versorgen. Doch das reichte
nicht aus, um Kriege zu führen. Als Die-
ner, Kutscher, Köche und Stallburschen
begleiteten die Untertanen ihre Herren.
Und bald sorgte der gesunde Menschen-
verstand dafür, sie zu bewaffnen. So ka-
men Leichtbewaffnete auf das Schlacht-
feld. Sie führten Spieße und Lanzen, um
sich gegen Reiterattacken zur Wehr zu

setzen, sowie – über alle Verbote hin-
weg – Fernwaffen wie den Bogen oder
eben die Armbrust.
Ihre Bolzen, an deren Enden Metall-
spitzen aufgesteckt waren, entwickel-
ten eine enorme Durchschlagskraft, die
über 30 bis 40 Meter hinweg zielgenau
sogar massive Rüstungen durchschla-
gen konnten. Da der Bolzen mit einem
Abschussmechanismus, dem Schloss,
ausgelöst wurde – also nicht von Hand
gehalten werden musste wie beim Bo-
gen – konnten die Schützen ruhig ihr
Ziel anvisieren und für sich entschei-
den, wann sie den Gegner niederstreck-
ten, der in der gesellschaftlichen Hie-
rarchie deutlich über ihnen stand.
Als tödliche Gefahr für den Ritter
und als Kämpfer, die außerhalb ihres
Regelwerks agierten, sprengten die
Armbrustschützen das soziale Gefüge
des Mittelalters. Und mit der Zeit kam
ein weiterer Aspekt hinzu. Da das Span-
nen einer Armbrust bis zu einer Minute
benötigte – in der Zeit konnte ein Bo-
genschütze bis zu zehn Schuss abgeben
–, „kam sie vor allem bei Belagerungen
zum Einsatz“, sagt Ausstellungsleiter
Sven Lüken. „Auf beiden Seiten der
Mauer konnte sie gezielt und berech-
nend eingesetzt werden.“ Auf dem offe-
nen Schlachtfeld suchten die Schützen
Schutz hinter mannshohen „Setzschil-
den“ (Pavesen), von denen einige in
Berlin gezeigt werden. Für den Flanken-
schutz waren Leichtbewaffnete mit Pi-
ken und Hellebarden unumgänglich.
Mit zahlreichen Beispielen macht die
Ausstellung deutlich, dass die Armbrust
als technisches Meisterwerk dem urba-
nen Milieu entsprang und Rittern daher
verdächtig erschien. Allein die massiven
Zahnstangenwinden aus Metall, mit de-
nen eine Zugkraft von 200 Kilogramm

und mehr erreicht wurde, forderten
spezialisiertes Handwerk. Auch die
Kompositbögen aus Horn und Holz, ih-
re Verbindung mit dem Schaft und die
Mechanik des Schlosses waren eine Auf-
gabe für Spezialisten, ebenso das Dre-
hen der Sehnen aus Hanf, Pferdehaar
und Wachs. Hinzu kamen Kunsthand-
werker, die hochwertige Waffen mit
Schmuckmaterialien wie Perlmutt oder
feinen Reliefarbeiten verzierten.

Die Waffenschmieden in den größe-
ren Städten – im Heiligen Römischen
Reich waren Nürnberg, Augsburg und
andere Zentren in Süddeutschland be-
gehrte Lieferanten – gingen mit der
Zeit. „Armbruster“ fertigten kompakte
(Halbrüstung) und große (Ganzrüs-
tung) Exemplare. In der Schlacht bei
Crécy 1346, in der während des Hun-
dertjährigen Krieges zwischen England
und Frankreich ein französisches Rit-

terheer von englischen Langbogen-
schützen vernichtet wurde, fielen die
französischen Armbrustkämpfer weit-
gehend aus, weil Regen die Verleimung
ihrer Bögen ruiniert hatte. Daher entwi-
ckelte man Bögen aus Eisen. Bei Crécy
sprengten die französischen Reiter üb-
rigens bei ihrer Attacke ohne Rücksicht
auf Verluste einfach durch die Linien ih-
rer Schützen, was einiges über deren
Wertschätzung aussagt.

Die aufwendige Technik machte Arm-
brüste zu kostspieligen Waffen. Da ihr
Einsatz aber – anders als der englische
Langbogen, der jahrzehntelanges Trai-
ning erforderte – leicht zu erlernen war,
wurden zahlreiche Spezialeinheiten mit
ihnen ausgerüstet. Das konnten nur
Fürsten übernehmen oder eben wohl-
habende Städte. In ihren Arsenalen
wurden die Armbrüste vorgehalten, die
im Krieg an Bürger ausgegeben wurden.
Von dort war es nicht weit zur zwei-
ten Karriere der Armbrust. In dem Ma-
ße, wie Feuerwaffen wie Arkebusen und
Musketen sie im 16. Jahrhundert vom
Schlachtfeld verdrängten, wurde sie zu
einem Mittel der Repräsentation, der
Jagd und der Unterhaltung. Diesen
Wandel kann die Militariasammlung
des Deutschen Historischen Museums
mit zahlreichen Stücken aus der Frühen
Neuzeit sehr anschaulich darstellen.
Ausgerechnet der Adel sorgte dafür,
dass die Armbrüste Einzug ins friedli-
che Zivilleben hielten. Kaiser Maximili-
an I. (1459–1519), ein begeisterter Jäger,
erklärte sie zur idealen Jagdwaffe, die
den barbarischen Feuerwaffen haus-
hoch überlegen sei, „weil sie nahezu ge-
räuschlos schießt und das Wild nicht
verscheucht“, sagt Kurator Lüken. Dass
der Habsburger wusste, wovon er
sprach, belegen zwei Prunkarmbrüste
aus kaiserlichem Besitz in der Ausstel-
lung. Experimente mit Nachbauten ha-
ben ergeben, dass bei einem Zuggewicht
von 415 Kilogramm mit ihnen Schuss-
weiten von 250 Metern erzielt werden
konnten.
Bis ins 18. Jahrhundert erfreute sich
die adlige Jagd mit der Armbrust großer
Zustimmung, bevor sie im 19. Jahrhun-
dert ein begehrtes Objekt für Militaria-
sammler wurde. Einer von ihnen, Prinz
Carl von Preußen, überließ seine Kol-
lektion dem Berliner Zeughaus, von wo
sie in die Bestände des Deutschen His-
torischen Museums gelangte. 1916 wur-
de in Dresden der letzte Armbrustspan-
ner pensioniert. Seine Aufgabe war es
gewesen, dem König von Sachsen die
geladene Waffe zu reichen.
Parallel zum adligen Zeitvertreib
fffanden auch die Bürger eine neue Auf-anden auch die Bürger eine neue Auf-
gabe für ihre Schusswaffen. Aus den re-
gelmäßigen Übungen und Aufzügen der
Stadtbevölkerung bildeten sich gesell-
schaftliche Rituale heraus. Ihre Milizen
fffanden in Schützengilden zusammen,anden in Schützengilden zusammen,
die ihre Aufgabe zunehmend in der Or-
ganisation von Festen sahen. Zu diesen
luden „Schützenbriefe“ ein, die zum äl-
testen gedruckten Gebrauchsschrift-
tum im Reich gehören. Zeitgenössische
Darstellungen zeigen, wie hier mit
Armbrüsten und Musketen auf Ziele in
Form von Vögeln oder Scheiben ge-
schossen wurde. Als Preis winkte nicht
selten ein prachtvoller Ochsen. Alkohol
und andere Freuden sorgten für gute
Unterhaltung. Auch der Adel ließ sich
dazu herab, diese überregionalen Feste
mit seiner Anwesenheit zu beehren, bo-
ten sie ihm doch die Möglichkeit der
Repräsentation.
Für die Zuschauer von Schillers
„Tell“ war der „Apfelschuss“ also nicht
nur ferner Mythos, sondern zitierte Le-
benswirklichkeit. In ihr trugen nicht
selten bürgerliche Schützen den Fest-
sieg davon. Von da war es nicht weit bis
zu der großen Geste, die Geschichte
vom verachteten Armbrustträger des
Mittelalters als Freiheitskampf gegen
ungerechte Obrigkeiten zu deuten.

WWWegen ihreregen ihrer
Zielgenauigkeit
und Durch-
schlagskraft war
die Armbrust
geschätzt. Unten
eine Jagdarm-
brust aus dem
1 6. Jahrhundert

Warum die Kirche im Mittelalter


den Gebrauch der Armbrust


verbot und sich dennoch kein


Kriegsherr daran hielt, zeigt


eine Ausstellung in Berlin


Ritter hassten diese


TÖDLICHE


„Kunst“ wie die Pest


GETTY IMAGES

/HERITAGE IMAGES/ SEBASTIAN AHLERS/ DEUTSCHES HISTORISCHES MUSEUMHERITAGE IMAGES/ SEBASTIAN AHLERS/ DEUTSCHES HISTORISCHES MUSEUM

B


ernard Montgomery war ein er-
folgreicher Heerführer. In Nord-
afrika hatte der Brite 1942 den
deutschen Panzergeneral Erwin Rom-
mel geschlagen und dann in Sizilien
1943 erfolgreich die Landung in Italien
durchgeführt. Dennoch wurde er bei
der Invasion der Westmächte in der
Normandie 1944 nur einer von zwei
gleichberechtigten Oberbefehlshabern
der Bodentruppen, nicht jedoch Ge-
samtkommandeur des Kriegsschauplat-
zes – diese Funktion blieb US-General
Dwight D. Eisenhower vorbehalten.

VON SVEN FELIX KELLERHOFF

Das wurmte den Egomanen Montgo-
mery. Er wollte unbedingt seine bisheri-
gen Erfolge mit dem entscheidenden
Durchbruch hinein nach Hitlerdeutsch-
land krönen. Sein Selbstbewusstsein
sagte ihm, nur er könne diesen ent-
scheidenden Schlag führen. Allerdings
sah das der US-General George S. Pat-
ton genauso. Obwohl als Oberbefehls-
haber der 3. US-Armee eine Stufe unter
dem Briten, war er schon in Nordafrika
und Sizilien dessen direkter Konkurrent
um die Position des populärsten Feld-
herrn der Westmächte gewesen.

Seit Patton und sein Vorgesetzter
Omar Bradley, der andere Oberbefehls-
haber der alliierten Bodentruppen in
Frankreich, am 25. Juli 1944 mit ihren
Truppen aus der Normandie ausgebro-
chen waren und Paris befreit hatten,
sorgte sich Montgomery: Würde ihm
der Ruhm versagt bleiben, der ihm sei-
ner Überzeugung nach gebührte? Um-
gehend entwarf der Brite einen riskan-
ten Plan, dem der britische Militärhis-
toriker Anthony Beevor sein neues Buch
gewidmet hat: „Arnheim. Der Kampf
um die Bücken über den Rhein 1944“
(Bertelsmann, 543 S., 28 Euro).
Die Zeit drängte. Am 2. September
hatte Patton versprochen: „Geben Sie
mir genügend Treibstoff, dann bringe
ich Sie in zwei Tagen nach Deutsch-
land.“ Eine vollmundige Aussage, doch
standen die Spitzen von Pattons Armee
da gerade 140 Kilometer vor Aachen, der
westlichsten Großstadt des Dritten Rei-
ches. Die Wehrmacht im Kampf binnen
zweier Tage um 140 Kilometer zurück-
drängen – das war zwar ein optimisti-
sches Versprechen. Doch in einer Wo-
che könnte Patton dieser Erfolg durch-
aus gelingen, befürchtete Montgomery.
Also befahl der Brite am 3. September
1944 eine tollkühne Operation: Die bri-

tische 1st Airborne Division und die 1.
selbstständige Polnische Fallschirm-
jägerbrigade sollten am 6. oder 7. Sep-
tember 1944 die „Brücken über den
Rhein zwischen Wesel und Arnheim si-
chern“. Das Vorhaben mit dem Deckna-
men „Comet“ war im Grunde ein Him-
melfahrtskommando. Luftlandeeinhei-
ten 110 Kilometer hinter den feindlichen
Linien abzusetzen würde unweigerlich
zur Vernichtung dieser Truppen führen.
Die leicht bewaffneten Verbände hätten
ohne massive Unterstützung durch Bo-
dentruppen keine Chance, sich länger
als drei oder vier Tage gegen Gegner zu
halten, die über schwere Waffen verfüg-
ten und den Nachschub kontrollierten.
Der Kommandeur der polnischen
Fallschirmjäger, Generalmajor Stanis-
law Sosabowski, unterbrach die Vorstel-
lung der Operation „Comet“ mit den
Worten „Aber die Deutschen, General ...
die Deutschen!“ Der britische Fall-
schirmjäger-Oberstleutnant John Frost
wurde deutlicher: „Das gibt ein Blutbad,
glauben Sie mir.“
Beevor kritisiert die „beinahe sorglo-
se Art und Weise“, mit der diese Opera-
tion geplant worden war. Und er zitiert
Montgomerys Aufklärungschef, Briga-
degeneral Edgar Williams: „Wir standen

in Brüssel, wo wir Partys veranstalteten
und es uns gut gehen ließen. Jeder ar-
beitete, aber die Einstellung stimmte
nicht.“ Am 10. September wurde die
mehrfach verschobene Offensive „Co-
met“ abgesagt. Allerdings zugunsten ei-
nes noch wesentlich größeren, aber fast
genauso schlecht geplanten Unterneh-
mens: Operation „Market Garden“.
Das Unternehmen bestand aus zwei
Teilen: „Market“ war eine vergrößerte
Version von „Comet“ mit dem Ziel. Zu-
sammen mit Briten und Polen sollten
die 82. und 101. US-Fallschirmjägerdivi-
sionen die Brücken zwischen Eindho-

ven und Arnheim erobern und bis zu
vier Tage halten. Gleichzeitig würden,
unter dem Namen „Garden“, zwei In-
fanteriedivisionen hinter anderthalb
Panzerdivisionen vorrücken und in
zwei bis vier Tagen die eroberten Brü-
ckenköpfe sichern und für den weiteren
Vormarsch ausbauen.
Theoretisch war das ein guter Plan:
Auf diese Weise würden die Briten über
den Rhein vorstoßen können, dann
schwenken und direkt ins Ruhrgebiet
hinein vorstoßen, das Herz der deut-
schen Rüstungsindustrie. Doch vier An-
nahmen Montgomerys erwiesen sich als
Fehlkalkulation.
Schon die Vorstellung, in zwei bis
vier Tagen Kampf 140 Kilometer weit
vorzustoßen, war nach allen Erfahrun-
gen einigermaßen illusorisch – Pattons


  1. US-Armee hatte für eine ähnliche
    Entfernung Ende August 1944 eine Wo-
    che gebraucht. Zweitens war die Vo-
    raussetzung, dass sich die Fallschirmjä-
    ger vier Tage lang würden halten kön-
    nen, unrealistisch.
    Drittens aber hatten Montgomerys
    Planer ignoriert, dass die alliierten Pan-
    zer sich auf einer einzigen, relativ
    schmalen Straße ihren Weg würden
    bahnen müssen – denn das Gebiet bei-


derseits des Damms hatte die Wehr-
macht unter Wasser gesetzt. Das bedeu-
tete, dass jede unvorhergesehene Stö-
rung den ambitionierten Zeitplan zum
Scheitern verurteilen musste.
Dies wurde viertens umso wahr-
scheinlicher, da es der Wehrmacht im
September gelungen war, ihre in Auflö-
sung befindliche Front wieder zu stabi-
lisieren. Das ermöglichte es der deut-
schen Führung, das II. SS-Panzerkorps
zur Wiederauffrischung nach Arnheim
zu verlegen. Zwar hatten niederländi-
sche Widerstandskämpfer dies den Bri-
ten gemeldet, was auch von alliierten
Luftaufklärern bestätigt worden war.
Montgomerys Stab aber kam zu dem
Schluss, dass die deutschen Panzer
nicht mehr einsatzbereit wären.
Der alliierte Oberbefehlshaber
Dwight D. Eisenhower, durch ein ver-
letztes Knie gehandicapt, gab dem
Drängen Montgomerys schließlich
nach. Er genehmigte die Operation
„Market Garden“. Sie sollte zur
schwersten Niederlage der Alliierten
bei der Befreiung Westeuropas führen.

TNeue Geschichten aus der
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„Aber die Deutschen, General ... die Deutschen!“


Der Brite Montgomery wollte im September 1944 unbedingt die Entscheidung im Westen herbeiführen. Dafür plante er das größte Luftlandeunternehmen des Krieges


Fallschirmjäger sollten die Brücken über
die Mündungsflüsse des Rheins nehmen

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