Die Welt - 21.09.2019

(Rick Simeone) #1

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21.09.19 Samstag, 21. September 2019DWBE-HP


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DWBE-HP

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26 DIE LITERARISCHE WELT DIE WELT SAMSTAG, 21. SEPTEMBER 2019


Die First Folio ist die blaue Mauritius un-
ter den Büchern. Allerdings hat sich die
Erstausgabe der „Comedies“, „Histories“
und „Tragedies“ William Shakespeares
deutlich besser erhalten, was auch daran
liegen mag, dass man einen Folianten mit
40 Zentimeter Buchrückenhöhe nicht
ganz so leicht verbummelt wie eine fin-
gernagelgroße Briefmarke. Von geschätzt
750 im Jahr 1623 gedruckten Exemplaren
haben stolze 235 nachweislich überlebt –
die allermeisten davon befinden sich heu-
te in den USA, allein die Folger Shake-
speare Library in Washington besitzt 82
Exemplare.
Das vielleicht interessanteste von allen
aber gehört seit 1944 der Free Library of
Philadelphia – und die hat vom Sonder-
status ihres Exemplars bis eben noch
nicht einmal gewusst. Denn bislang war
unbekannt, von wem die umfangreichen
Anmerkungen und Unterstreichungen im
Philadelphia-Exemplar stammen. Nun al-
lerdings deutet vieles daraufhin, dass aus-
gerechnet der Mann, der Shakespeare auf
den Thron des bedeutendsten englisch-
sprachigen Dichters folgte, einmal diese
First Folio besessen hat: John Milton
(1608 bis 1674), Autor des epischen Jahr-
hundertgedichts „Paradise Lost“ und als
Sekretär Oliver Cromwells in ein ganz
besonderes Königsdrama verwickelt.
Cromwell ließ Karl I. hinrichten, Milton
rechtfertigte die Exekution in einer be-
rühmten Schrift.
Der Indizienbeweis, dass es ausgerech-
net Milton war, der die First Folio aus
Philadelphia handschriftlich annotierte,
ist, wie zuerst der „Guardian“ berichtet
hat, einem Forscher aus Cambridge ge-
lungen. Zunächst ist Jason Scott-Warren
dabei die schiere Ähnlichkeit der Hand-
schrift aufgefallen: Die Striche und Buch-
staben, mit denen vor allem „Hamlet“,
„Romeo und Julia“ „Macbeth“, „Der
Sturm“ oder der „Lear“ versehen wur-
den, sehen, wie mittlerweile auch andere
Experten glauben, einfach genauso wie
die Striche und Buchstaben John Miltons
aus. Doch auch die Art und Weise der An-
merkungen – angebrachte Korrekturen
etwa oder handschriftliche Ergänzungen
aus anderen Quellen – stimmen mit der
überlieferten Arbeitsweise Miltons über-
ein. Miltons erhaltenes Exemplar von
Boccaccios Dante-Biografie etwa weist
strukturell ganz ähnliche Annotationen
auf. Besonders auffällig aber ist eine Pas-
sage in Shakespeares letztem Drama „Der
Sturm“, in der der Luftgeist Ariel in ei-
nem Lied das seltene „whist“ (still sein)
auf „kissed“ reimt. Dieser Reim findet
sich nach Aussage Jason Scott-Warrens in
der gesamten englischsprachigen Litera-
tur aber überhaupt nur zwei Mal– näm-
lich an dieser Stelle im „Sturm“, und in
der Ode „Auf den Morgen der Geburt
Christi“, die John Milton 1629 geschrie-
ben hat. Sechs Jahre, nachdem die First
Folio erschienen war. Und ausgerechnet
dieser Reim ist im Philadelphia-Exemplar
angestrichen. WIELAND FREUND

DAS FUNDSTÜCK


Seltsame Mischung aus schwarzer Ruhe und Explosion einer Glühbirne, aus der hys-
terisch bunt, ja, was eigentlich, faserige Blüten, Papageienfedern, Dragqueen-Kopf-
schmuck oder das Jetzt als solches quellen. Tristan Garcia ist einer der interessan-
testen jüngeren Philosophen aus Frankreich, wer oder was auch immer das titelge-
bende „Siebte“ sein mag, man ist einigermaßen gespannt. MARA DELIUS

Tristan Garcia: Das Siebte.Wagenbach, 250 S., 24 €.

JUDGE A BOOK BY ITS COVER


Der Wind hatte kürzlich die weiße
Schneedecke von den Bäumen gestreift,
so dass sie aussahen, als drängten sie sich
unheimlich düster in dem schwindenden
Tageslicht aneinander. Tiefes Schweigen
lag über dem Lande, das eine Wildnis war,
ohne Leben, ohne Bewegung, so einsam,
so kalt, dass die Stimmung darin nicht
einmal traurig zu sein schien. Vielmehr
lag es wie ein Lachen darüber, ein Lachen,
schrecklicher als jede Traurigkeit ... und
grimmig wie die Notwendigkeit.

DAS RÄTSEL


In dieser Woche suchen wir den Roman
einer Verwilderung. Wie heißt er? Und
wer hat ihn verfasst? Lösungsvorschläge
bitte an die Redaktionsadresse oder an
[email protected].
In der vergangenen Woche suchten wir
Margaret Atwoods „Report der Magd".
Gewonnen hat Ute Maria Grasmäder
aus Wabern-Niedermöllrich.

Dass die lange angekündigte Susan-Son-
tag-Biografie„Sontag: Her Life and
Work“ von Benjamin Moser (Ecco, 832 S.,
29, 40 $ ) die New Yorker Literaturszene
beschäftigen würde, war klar – nicht un-
bedingt, weil sie so viel Neues zu Sontags
Werk enthielte, sondern weil sie sich liest
wie ein Intellektuellen-wer-mit-Wem.
Von Leon Wieseltier stammt der schil-
lernde Satz „I loved Susan, but I didn’t
like her“. Offensichtlich ging es vielen
ganz ähnlich, was, so Moser, an Sontags
Art der Unsicherheit gelegen habe, die sie
in Egozentrik und Ungnädigkeit mit an-
deren gepackt habe. Einer der meistdis-
kutierten Punkte der Biografie aber ist:
ob Philip Rieff, Susan Sontags Mann und
Vater ihres Sohnes David, wirklich sein
Buch „Freud: The Mind of the Moralist“
selbst geschrieben habe – oder ob es nicht
doch vielleicht Sontag war.

DER SKANDAL


Ach, Shortlist! Auf kaum etwas im Lite-
raturbetrieb kann man so schön rum-
kloppen wie auf der Shortlist des Deut-
schen Buchpreises: Die einen finden sie
noch halbwegs ordentlich, die anderen
ungenügend, peinlich oder schlicht irre-
levant. Hm, dabei ist das Ergebnis der
Auswahl ja immer latent beliebig, wenn
unterschiedliche Menschen, die nicht
alle nach objektiv bewertbaren Maßstä-
ben urteilende Literaturkritiker sind,
das für sie beste Buch auswählen. Auf
der Shortlist dieses Jahres stehen jeden-
falls: Raphaela Edelbauers „ Das flüssige
Land“ (Klett-Cotta), Miku Sophie Küh-
mels „Kintsugi“ (S. Fischer), Tonio
Schachingers „Nicht wie ihr“ (Kremayr
& Scheriau), Norbert Scheuers „Winter-
bienen“ (C.H.Beck), Saša Stanišićs
„Herkunft“(Luchterhand) und Jackie
Thomaes „Brüder“ (Hanser Berlin).

UNWORT DER WOCHE


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PROLEGOMENA


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*PROLEGOMENA: „EINLEITUNG, WELCHE GEMEINGLICH VORGÄNGIG NÖTHIG IST, DER VÖLLIGEN UNTERWEISUNG EINER WISSENSCHAFT VORHERGESETZT ZU WERDEN, DAMIT DER LESER DIESELBE BESSER FASSEN MÖGE“ (ZEDLERS UNIVERSAL-LEXICON, 1754).

UVerantwortlich: Mara Delius Redaktion:Wieland Freund, Philipp Haibach, Marc Reichwein Gestaltung: Philippe KruegerU 1 0888 Berlin, Axel-Springer-Straße 65, [email protected]

Die Shortlist des „Aspekte“-Literatur-
preises ist plötzlich um einen Titel är-
mer. Carmen Buttjerszunächst nomi-
nierter Roman „Levi“, teilte die ZDF-Sen-
dung mit, entspreche, wie sich herausge-
stellt habe, „nicht den Statuten“. Des Rät-
sels Lösung: Der „Aspekte“-Preis zeich-
net Debütromane aus. Carmen Buttjer
aber hat unter dem Pseudonym Niah Fin-
nik2017 bereits das Buch „Fuchsteufels-
still“ veröffentlicht. Einen „Roman“, be-
hauptete damals der Ullstein-Verlag. Ein
„autobiografischer Text“, sagt Buttjer.
Diskutieren Sie den Unterschied!

DER BETRIEB


Über Monate war vom britischen Ex-Premierminister David Cameronnur zu hören, er
habe sich in einer Luxus-Gartenhütte für 25.000 £ eingeschlossen, um seine Memoiren
zu schreiben, für die er wiederum ein Vielfaches bekäme, nun sind sie da: David Came-
rons „For the Record“(William Collins, 752 S., 16,50 £) ist eine Art Selbstverteidigung,
die sich jedoch ein wenig so liest, als habe er seine eigene Anklageschrift verfasst. Den-
noch zu empfehlen – vielleicht macht aus dem politischen Leben von Cameron ja doch
noch jemand das, was es, zumindest in einem zentralen Punkt, gewesen zu sein scheint:
ein Shakespeare-Drama um eine schreckliche Fehleinschätzung und ihre Folgen.

DIE EMPFEHLUNG


Mittwoch, 26. April 1944, abends um halb
zehn auf Kreta, nicht weit von Heraklion.
Die Sonne ist schon vor reichlich einer
Stunde untergegangen. Die Straße nach
Knossos liegt im Dunkeln, das Spezial-
kommando wartet in einer Kurve. Patrick
Leigh Fermor und sein Stellvertreter
Stanley Moss sind erst, als es dämmerte,
in die mitgebrachten Wehrmachtsunifor-
men geschlüpft. Leigh Fermor, von sei-
nen Freunden Paddy genannt, spricht
Deutsch. Auf dem gefährlichen Fuß-
marsch hierher hat er, wenn Hunde an-
schlugen, lauthals das Horst-Wessel-Lied
angestimmt. Kreta ist seit Mai 1941 von
der Wehrmacht besetzt. Paddy ist im Fe-
bruar mit dem Fallschirm über der Insel
abgesprungen. Sieben Wochen lang hat er
sich in einer Höhle versteckt.
Sobald der Wagen des Wehrmachtsge-
nerals Kreipe erscheint und in der Kurve
langsamer wird, wird er sich ihm in den
Weg stellen und erst „Halt!“, dann „Die
Papiere, bitte schön“ und schließlich
„Hände hoch!“ sagen – ein durchaus un-
gewöhnlicher Text für jemand, der sich
sein Deutsch mit Schlegel und Tiecks
Shakespeare-Übersetzung beigebracht
hat, während er 1933 auf seinem Fuß-
marsch von Holland bis nach Konstanti-
nopel durch Deutschland gekommen ist.
Aber Paddy ist ein Sprachengenie, auch
wenn seine Lehrer früher nur „eine ge-
fährliche Mischung aus Raffinesse und
Rücksichtslosigkeit“ in ihm sahen und
ihn von der Schule warfen. Dass Patrick
Leigh Fermor einmal einer der einfluss-
reichsten Reiseschriftsteller seines Jahr-
hunderts werden würde, haben sie nicht
geahnt, aber das ahnt da nicht mal Leigh
Fermor selber. Für die nächsten Minuten
hat er einen Plan, für sein Leben hat er
keinen. Oberhalb der Kurve scheinen die
Lichter des Generalswagens auf.
Danach geht alles sehr schnell. „Halt“,
„Papiere“, „Hände hoch“, und dann
drückt Leigh Fermor dem General das
Gewehr an die Brust und reißt ihn aus
dem Wagen. Dass Kreipes Chauffeur sei-
ne Luger zieht und von Moss mit dem
Schlagstock niedergeschlagen wird, sieht
er vermutlich nur aus dem Augenwinkel,
bevor er den General auf die Rückbank
verfrachtet und sich mit Kreipes Mütze
auf dem Kopf selber auf den Beifahrersitz
hockt und, „Generalswagen!“ rufend,
nicht weniger als 22 Kontrollposten pas-
siert. Den Opel lassen sie bald darauf auf
offener Straße zurück; der prominent im
Wagen platzierte Brief, der die Wehr-
macht auf Kreta über die Entführung ih-
res Befehlshabers informiert, endet mit
den Worten: „Auf baldiges Wiederse-
hen!“ Wenig später wirft ein kleines Flug-
zeug ein Flugblatt ähnlichen Inhalts ab.
Da aber sind Paddy, Moss und der Gene-
ral Kreipe schon in den schwer zugängli-
chen Bergen. Ihre Flucht wird bis weit in
den Mai dauern und jeden von ihnen an
den Rand der Erschöpfung bringen, aber
Paddy macht seine Ankündigung vom
Abend des 26. wahr: „Herr General, ich
bin ein britischer Major. Wir bringen Sie
nach Ägypten.“

bin ein britischer Major. Wir bringen Sie
nach Ägypten.“

bin ein britischer Major. Wir bringen Sie

Aufgeschrieben hat die Geschichte
nach dem Krieg Stanley Moss, verfilmt
wurde sie mit Dirk Bogarde als Paddy,
aber Leigh Fermor hatte mit beidem
nichts zu tun. In seinem Werk nimmt die
Entführung des Generals Kreipe nur eine
irritierende halbe Seite ein. Im Schneere-
gen, so erinnert er sich in „Die Zeit der
Gaben“, habe Kreipe angefangen, Horaz
zu zitieren, und er habe den Vers aufge-
nommen. „Ach so, Herr Major“, sagt
Kreipe darauf. „Ja, Herr General“, sagt
Paddy, und dabei ist ihm, „als hätte für ei-
nen kurzen Augenblick der Krieg aufge-
hört“. WIELAND FREUND

Alles Schriftstellerleben sei Papier, heißt
es. In dieser Reihe treten wir den Gegen-
beweis an.

ACTIONSZENEN DER
WELTLITERATUR

Patrick Leigh


Fermor entführt


einen General


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