Die Welt - 21.09.2019

(Rick Simeone) #1

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21.09.19 Samstag, 21. September 2019DWBE-HP


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DWBE-HP

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21.09.1921.09.1921.09.19/1/1/1/1/Pol1/Pol1 CGAERTNE 5% 25% 50% 75% 95%

4 POLITIK DIE WELT SAMSTAG,21.SEPTEMBER


I


m großen Kreis der Bewerber für
den SPD-Vorsitz rechnen sich
Saskia Esken und Norbert Wal-
ter-Borjans gute Chancen aus.
Vielleicht auch, weil die Jusos
sich schon jetzt für das Paar aus-
gesprochen haben. Die Bundes-
tagsabgeordnete und der Ex-Finanzmi-
nister von Nordrhein-Westfalen gehö-
ren zum linken Flügel der Partei.

VON RICARDA BREYTON
UND JACQUES SCHUSTER

WELT:Frau Esken, Herr Walter-Bor-
jans, die Bundesregierung hat sich auf
ein Klimapaket geeinigt. Sind Sie zu-
frieden mit dem Erreichten?
NORBERT WALTER-BORJANS:Es ist
ein Kompromiss. Die SPD hat erreicht,
was möglich war. Dass eine sektorschar-
fffe jährliche Überprüfung der Ziel-e jährliche Überprüfung der Ziel-
erreichung gesichert ist, ist gut. Aber so-
ziale Gerechtigkeit ist mit den Konserva-
tiven nicht zu machen. Wenn Spritpreise
und Steuern vor allem auf ältere Pkw er-
höht werden, müssen vor allem kleine
und mittlere Einkommen entlastet wer-
den. Mit der Pendlerpauschale, die über
die Einkommensteuer berechnet wird,
geht das nicht. Im Gegenteil: Die Kluft
zzzwischen arm und reich wird wieder grö-wischen arm und reich wird wieder grö-
ßer. Auch wenn die SPD sich in wichti-
gen Punkten gut durchsetzen konnte, so
zeigt sich, dass sozial gerechter Klima-
schutz an CDU und CSU scheitert. Die
Menschen erwarten einen großen Wurf,
der nicht nebenbei weiter von unten
nach oben umverteilt.

Die Jusos haben angekündigt, Ihre
Kandidatur zu unterstützen – ein un-
gewöhnlicher Schritt. Welche Gegen-
leistung haben Sie ihnen dafür ver-
sprochen?
SASKIA ESKEN:Wir arbeiten nicht mit
Gegenleistungen. Wir haben uns über
die Unterstützung sehr gefreut, das gibt
uns Rückenwind. Uns ist wichtig, dass
wir als SPD der jüngeren Generation
wieder ein politisches Angebot machen,
gerade hier hat die Sozialdemokratie in
der Vergangenheit massiv an Unterstüt-
zung verloren. Den Trend müssen wir
umkehren, und dafür brauchen wir die
Jusos. Als Vorsitzende werden wir sie
stärker einbinden.
WALTER-BORJANS:Ich bin es satt, im-
mer zu hören, Politik bestehe aus Deals.
Saskia und ich stehen für einen anderen
Politikstil. Uns freut es, dass viele jün-
gere Abgeordnete und eben auch Jusos
sagen, wir können uns hinter euren Ide-
en versammeln. Wenn es darum gegan-
gen wäre, die Pfründe der älteren Gene-
ration gegen den Ansturm der Jugend
zu verteidigen, dann wäre ich nicht an-
getreten.

Sie sagen, Sie wollten die Jusos stär-
ker einbinden. Was heißt das konkret?
ESKEN: Wir wollen darauf achten, dass
ihre Stimme in allen Gremien und Ver-
bänden zu hören ist.
WALTER-BORJANS: Dass Kevin Küh-
nert mit seiner Forderung nach Kollekti-
vierung eine derartig große Debatte aus-
gelöst hat, lag an zwei Gründen: zum ei-
nen, weil er ein Problem ansprach, dass
offensichtlich in der Öffentlichkeit ernst
genommen wird. Zum anderen hat es ein
VVVakuum in der Führung der Gesamtpar-akuum in der Führung der Gesamtpar-
tei offengelegt, sodass die Stimme des
Juso-Chefs die einzig wahrnehmbare
war. Wir wollen mehr Debatten ohne
Maulkorb – auch mit den Jusos.

Kühnert machte sich für eine Kollek-
tivierung von Unternehmen wie etwa
BMW stark. Teilen Sie seine Ansicht?

WALTER-BORJANS: Dass darüber
nachgedacht wird, wie man die Leis-
tungsträger an ihrem Unternehmen be-
teiligen kann, finde ich vernünftig.
Friedrich Merz schlägt dafür Aktiener-
werb vor. Das könnten nur wenige. Es
gibt eben sehr unterschiedliche Ansich-
ten über den Weg zu einem richtigen
Ziel.
ESKEN:Einige Kritiker haben sofort ge-
sagt, die Vergesellschaftung wäre ver-
fassungsfeindlich. Diese Leute kennen
die Verfassung nicht. In unserem
Grundgesetz ist nicht nur die Ent-
eignung möglich, um bestimmte Infra-
strukturmaßnahmen zu ermöglichen.
Auch die Vergesellschaftung von Pro-
duktionsmitteln ist nach dem Grundge-
setz eine legitime Möglichkeit.

Wie halten Sie es mit der Enteignung
von Wohnraum?
WALTER-BORJANS: In der Vergangen-
heit haben auch wir Sozialdemokraten
uns dazu verleiten lassen, städtische

Wohnungen zu verkaufen. Wir sind zu
weit dem Privatisierungswahn gefolgt.
Gerade im Wohnungsbereich sehen wir
jetzt auf dramatische Weise, dass der
Markt allein gar nichts richtet. Der
Markt braucht klare Regeln. Es gibt vie-
le Unternehmen, die sich zu ihrer ge-
sellschaftlichen Verantwortung beken-
nen. Die klingen im direkten Gespräch
ganz anders als ihre Lobbyisten. Als So-
zialdemokrat kann man eine Menge er-
reichen, wenn man das direkte Ge-
spräch mit der Wirtschaft sucht, aller-
dings weder als Befehlsgeber noch als
Befehlsempfänger.

Also Enteignung – ja oder nein?
WALTER-BORJANS:Die Enteignung ist
immer das letzte Mittel, wenn der Ego-
ismus einzelner und die Sicherung der
Grundbedürfnisse aller anders nicht in
Übereinstimmung zu bringen sind. Das
ist der Grund, warum unser Grundge-
setz diese letzte Lösung ausdrücklich
vorsieht.

Frau Esken, Sie sagen, Rot-Rot-Grün
sei besser geeignet, die Projekte der
SPD umzusetzen, als die GroKo. Wa-
rum?
ESKEN: Die Orientierung am Gemein-
wohl hängt maßgeblich von einer ge-
rechteren Verteilung der Vermögen ab.
Die Union will von einer gerechteren
Verteilung aber nichts wissen. Wir se-
hen ja in der Klimapolitik, dass das, was
umgesetzt werden müsste, mit der Uni-
on nicht möglich ist. Eben weil auch
hier die Verteilungsfrage gestellt wird.

Die Linkspartei will aus der Nato aus-
treten, Abschiebungen verbieten und
Banken verstaatlichen. Ist das für Sie
akzeptabel?
ESKEN: Es kommt darauf an, was im
Koalitionsvertrag ausgehandelt wird.
Darin wird mit Sicherheit kein Austritt
aus der Nato stehen.

Außenminister der SPD haben mehr-
mals versprochen, Deutschland wer-

de zwei Prozent des BIP für die Ver-
teidigung ausgeben. Fühlen Sie sich
an das Versprechen gebunden?
WALTER-BORJANS: Das Versprechen
war ein Fehler – aus zwei Gründen: Ers-
tens ist das BIP als Maß ungeeignet.
Wieso sollte jeder Prozentpunkt an
Wachstum dazu führen, dass ich aufrüs-
ten muss? Zweitens, wir haben eine be-
sondere Historie. Aus dieser Historie
heraus sollten wir einen stärkeren
Schwerpunkt auf die Vermeidung mili-
tärischer Konflikte setzen – da dürfen
wir dann aber auch nicht knausern.

Was zählt Bündnistreue, wenn Ver-
sprechen nicht eingehalten werden?
ESKEN: Das war kein Versprechen, son-
dern eine Ankündigung, das Zwei-Pro-
zent-Ziel anzustreben. Würden wir es
tatsächlich umsetzen, dann müssten
wir unsere gegenwärtigen Verteidi-
gungsausgaben etwa verdoppeln. Dabei
ist das Verteidigungsministerium jetzt
schon nicht in der Lage, seinen Etat ver-
nünftig auszugeben und Soldaten mit
dem auszustatten, was sie benötigen.
Mehr Geld löst da gar keine Probleme.
Es macht mehr Sinn, in diese zwei Pro-
zent auch die Posten für Konfliktver-
meidung, für Fluchtursachenbekämp-
fung und Entwicklungszusammenarbeit
einzurechnen. Da wären wir schnell bei
über zwei Prozent.

Mit dem Angriff auf saudische Ölför-
derungsanlagen stehen wir vor einer
womöglich schweren Krise im Nahen
Osten. Wie sollte sich Deutschland
positionieren?
ESKEN: Eines ist ganz klar: Deutschland
darf den Konflikt nicht durch Waffenlie-
ferungen an die beteiligten Staaten an-
fachen.

Müsste die SPD nicht eine deutliche
Position beziehen? Immerhin ist Sau-
di-Arabien angegriffen worden.
WALTER-BORJANS:Die Positionierung
darf aber nicht darin liegen, Waffen zu
liefern. Es gilt, was Willy Brandt immer
gesagt hat: Entspannungspolitik heißt
miteinander reden.

Brandt ist vor dem zweiten Irak-Krieg
zu Saddam Hussein gefahren. Sollte
Deutschland heute eine aktivere Ver-
mittlungsrolle einnehmen?
ESKEN: Das tut Heiko Maas ja schon
lange immer wieder. Es findet nur nicht
immer öffentlich statt. Das ist auch
richtig in der Welt der Diplomatie.

Frau Esken, Sie haben gegen das von
der SPD-Fraktion mitgetragene Ge-
ordnete-Rückkehr-Gesetz gestimmt,
das Abschiebungen von ausreise-
pflichtigen Migranten erleichtern
soll. Finden Sie, dass abgelehnte Asyl-
bewerber im Land bleiben sollten?
ESKEN: Darum ging es gar nicht in die-
sem Gesetz. Dieses Gesetz stellt in vie-
len Bereichen das Grundgesetz und die
Prinzipien der Menschenrechte infrage.
Etwa wenn Wohnungen ohne richterli-
chen Beschluss betreten werden können.
AAAuch die Unterbringung von abgelehn-uch die Unterbringung von abgelehn-
ten Asylbewerbern in Justizvollzugsan-
stalten. Das alles halte ich für falsch, und
deswegen habe ich dagegengestimmt.
Horst Seehofer sagt: Zuwanderung ist
die Mutter aller Probleme. Wer so etwas
sagt, der verkennt, dass Migration in
weiten Teilen die Lösung vieler unserer
Probleme ist. Denken Sie an die vielen
offenen Stellen in der Pflege, um nur ein
Beispiel zu nennen. Alle Flüchtlinge, die
in Ausbildung sind oder einen Arbeits-
platz haben, sollten im Land bleiben dür-
fffen. Dann im Status des Zuwanderers.en. Dann im Status des Zuwanderers.

Sie haben ein Steuerkonzept vorge-
legt. Wer soll in Ihren Plänen mehr
geben, wer soll mehr empfangen?
WALTER-BORJANS: Wir brauchen eine
Menge Geld für Investitionen – zum
Beispiel in die digitale Infrastruktur. In
manchen Gegenden können sich gar
keine Firmen ansiedeln, weil es kein
Netz gibt. Auch die Integration stellt
uns noch vor monetäre Herausforde-
rungen. Das darf aber nicht zulasten der
sozialen Sicherung gehen. Jetzt die
Steuern für alle zu senken wäre also
falsch. Wir müssen die Belastungen
aber neu verteilen. In den vergangenen
Jahren ist die Steuerquote immer weni-
ger von oben und mehr von unten fi-
nanziert worden. Ich würde mich gerne
mit Unternehmen und Gewerkschaften
zusammensetzen, um herauszufinden,
wie wir die schleichende Umverteilung
von unten nach oben korrigieren kön-
nen. Welche Einzelsteuer am Ende be-
troffen ist, ist mir völlig egal. Es geht
um den Gesamtbeitrag – so, dass auch
die Wirtschaft damit klarkommt.
ESKEN:Wir hören oft, dass die be-
rühmt-berüchtigte Mitte steuerlich ent-
lastet werden soll. Das ist auch richtig,
aber man muss wissen, woher diese
Entlastung kommen soll. Durch die
Steuersenkungen der vergangenen Jah-
re sind die sehr hohen Einkommen ent-
lastet worden. Das entspricht nicht
mehr ihrem Beitrag zum Allgemein-
wohl.

Was sind sehr hohe Einkommen?
WALTER-BORJANS:WWWer als Singleer als Single
60.000 oder 70.000 Euro brutto im
Jahr verdient, zahlt vergleichsweise vie-
le Abgaben und Steuern. Wer mit sei-
nem Einkommen darüberliegt, wird we-
niger stark belastet. Außerdem ist die
Steuerflucht da am größten. Das muss
korrigiert werden, wenn wir die Mitte
entlasten wollen. Die Alternative wäre
eine Entlastung der Mitte auf Kosten
von Investitionen oder Sozialabbau.
Aber das sollten wir alle nicht wollen.

Grünen-Chef Robert Habeck sagt,
Deutschland solle sich in Zeiten einer
drohenden Rezession von der schwar-
zen Null verabschieden. Können Sie
ihm folgen?
WALTER-BORJANS: Ich habe immer
gesagt, dass die schwarze Null nur funk-
tioniert, solange die Wirtschaft außer-
gewöhnlich brummt oder wenn ich auf
Investitionen in die Zukunft verzichte.
Wenn wir eine normale Konjunkturlage
haben und unseren Lebensstandard für
die Zukunft sicherstellen wollen, dann
müssen wir – wie jedes Unternehmen
auch – investieren und für diesen in der
Zukunft liegenden Nutzen auch Kredite
in Kauf nehmen. Das ist völlig normal.

Ihr Steuerkonzept sieht auch die Ein-
führung einer Finanztransaktions-
steuer vor. Damit würden Sie auch
Bürger belasten, die Aktienkäufe für
ihre Altersvorsorge tätigen.
WALTER-BORJANS: Das ist ein Beispiel
für weitverbreitete Steuermythen. Den
Menschen werden Folgen für das eigene
Portemonnaie in Aussicht gestellt, die
gar nicht eintreten werden. Die Masse
wird keine Vermögensteuer und auch
keine Erbschaftsteuer zahlen. Eine Fi-
nanztransaktionssteuer würde sich nur
im Cent-Bereich auf Kleinanleger aus-
wirken. Wir wollen die Hochfrequenz-
transaktionen erschweren, bei denen
die Finanzmärkte durch ein millionen-
faches Kaufen und Verkaufen bewusst
in Unruhe gebracht werden. Die Speku-
lanten leben davon, dass die Kurse
schwanken.

„Wir wollen mehr Debatten ohne Maulkorb“: Ex-NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken

M

ARTIN U. K. LENGEMANN/WELT

„Migrationist die Lösung


vvvieler unsererieler unserer
Probleme“

Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans streben den


SPD-Vorsitz an – mit einem linken Programm.


Kollektivierung, Nato, Zuwanderung: Was haben sie vor?


A


ls Union und SPD im vergangenen
Jahr über das sogenannte Werbe-
verbot für Schwangerschaftsab-
brüche stritten und erst nach Monaten
mühsam einen Kompromiss fanden, hat-
ten sich manche Beobachter erstaunt die
AAAugen gerieben. ugen gerieben.

VON SABINE MENKENS

Das also sollte jetzt das Thema sein,
fffür das man ernsthaft den Bruch der gro-ür das man ernsthaft den Bruch der gro-
ßen Koalition in Kauf nimmt? Die Frage
also, ob Ärzte darüber informieren dür-
fffen, dass sie neben anderen medizini-en, dass sie neben anderen medizini-
schen Dienstleistungen auch Schwanger-
schaftsabbrüche anbieten? Die Wahrheit
ist: Der Streit um den Paragrafen 219a des
Strafgesetzbuches war im Grunde nur ei-
ne Stellvertreterdebatte. Eigentlich ging
es um viel Grundsätzlicheres: Die Frage
nämlich, was schwerer wiegt: der Schutz
des ungeborenen Lebens oder das Selbst-
bestimmungsrecht der Frau. Es ist der al-
te Kampf um den Abtreibungsparagrafen
2 18.

1 995 hatte sich der Bundestag nach lan-
gem Hin und Her und der Intervention
des Bundesverfassungsgerichts auf einen
Kompromiss geeinigt, der bis heute getra-
gen hat. Danach ist ein Schwanger-
schaftsabbruch zwar rechtswidrig. Er
bleibt aber straffrei, wenn er innerhalb
der ersten zwölf Schwangerschaftswo-
chen erfolgt und dem Eingriff eine Bera-
tung vorangegangen ist. Eine Formel, die
seit fast 25 Jahren für eine gewisse Befrie-
dung gesorgt hat. Bis zu dem Streit über
das Werbeverbot.
Plötzlich sind die alten Fronten wieder
sichtbar. Nicht nur auf der Straße, wo am
Samstag in Berlin der „Marsch für das Le-
ben“ stattfindet, bei dem sich sogenannte
Lebensschützer und linke Gegendemons-
tranten traditionell gegenüberstehen; das
„Bündnis für sexuelle Selbstbestim-
mung“ fordert bereits seit Langem die
Legalisierung von Abtreibungen. Auch in
der Bundespolitik ist die Forderung nach
der Abschaffung des Paragrafen 218 wie-
der da. Die Jusos hatten dazu auf ihrer
letzten Bundesdelegiertenkonferenz ei-

nen offiziellen Beschluss gefasst. Und die
SPD-Vorsitzkandidaten Christina Kamp-
mann und Michael Roth gehen mit der
Forderung nach der Legalisierung von
Schwangerschaftsabbrüchen in den par-
teiinternen Wahlkampf.
„Für uns hat der 219a genauso wie 218
nichts im Strafgesetzbuch zu suchen. Bei-
de Paragrafen führen mit ihren Regelun-
gen zu Vorverurteilung und Stigmatisie-
rung betroffener Frauen“, sagten Kamp-
mann und Roth WELT. Keine Frau treffe
die Entscheidung über einen Schwanger-
schaftsabbruch leichtfertig. „Deshalb
muss sichergestellt sein, dass sich Frauen
in Notlagen informieren und beraten las-
sen können. Und das, ohne verurteilt zu
werden und mit einem transparenten, of-
fffenen Zugang zu Ärztinnen und Ärzten,enen Zugang zu Ärztinnen und Ärzten,
die Abbrüche vornehmen“, fordern die
ehemalige nordrhein-westfälische Famili-
enministerin und der Staatsminister im
AAAuswärtigen Amt. uswärtigen Amt.
Gemeinsam mit der Arbeitsgemein-
schaft sozialdemokratischer Frauen
(((ASF) und den Jusos wolle man deshalbASF) und den Jusos wolle man deshalb

die Debatte anstoßen und einen entspre-
chenden Beschluss in der SPD herbeifüh-
ren, kündigten Kampmann und Roth an.
„„„Wir wollen zeigen, dass außerhalb desWir wollen zeigen, dass außerhalb des
Strafgesetzbuchs Lösungen gefunden
werden können, die selbstbestimmte Ent-
scheidungen der Frauen ermöglichen und
ungeborenes Leben schützen, zum Bei-
spiel durch Fristenregelungen. Danach
gilt es, dafür eine linke progressive Mehr-
heit zu finden.“ Die ASF-Vorsitzende Ma-
ria Noichl sagte WELT, die Forderung,
den Paragrafen 218 aus dem Strafgesetz-
buch zu streichen, sei bei den SPD-Frau-
en seit Jahren Beschlusslage – auch wenn
der Kompromiss mit Fristenlösung und
Beratungspflicht gut getragen habe. „Mit
veränderten politischen Mehrheiten
könnte man das Thema noch einmal an-
gehen. Es steht aber nicht ganz oben auf
unserer Prioritätenliste.“
Bei der Linkspartei stößt diese Ankün-
digung auf großes Interesse. „Unsere Po-
sition ist klar: Wir wollen eine gute Ver-
sorgung von Menschen, die eine Schwan-
gerschaft beenden wollen. Solange

Schwangerschaftsabbrüche im Strafge-
setzbuch stehen, ist das faktisch kaum
umsetzbar“, sagte die frauenpolitische
Sprecherin der Linke-Fraktion im Bun-
destag, Cornelia Möhring, WELT. „Also
ja, die Streichung von Paragraf 218 wäre
ein gemeinsames Projekt.“
AAAllerdings hätte man gemeinsam auchllerdings hätte man gemeinsam auch
schon die Streichung des Werbeverbots

erreichen können, schränkte Möhring
ein. Bei der entscheidenden Abstimmung
im Bundestag habe der SPD und mit ihr
aaauch Roth allerdings der Mut gefehlt.uch Roth allerdings der Mut gefehlt.
„Deshalb mache ich ob dieser Aussage im
innerparteilichen Wahlkampf noch keine
Freudensprünge.“
In der Union nimmt man den Vorstoß
aaaus der SPD mit einiger Sorge zur Kennt-us der SPD mit einiger Sorge zur Kennt-
nis. „Die geltende Regelung bietet mit der
Beratung den besten Schutz für das unge-
borene Kind und für die Mutter in ihrer
schwierigen Lage“, sagte die rechtspoliti-
sche Sprecherin der Unionsfraktion, Eli-
sabeth Winkelmeier-Becker (CDU). Dass
den Jusos das Kind offenbar gleichgültig
sei, und zwar bis unmittelbar vor der Ge-
burt, sei ja nichts Neues, so Winkelmeier-
Becker. „Im SPD-internen Wahlkampf
zeigt sich jetzt, welche Leute mit Füh-
rungsanspruch genauso denken.“ Sie ge-
he aber davon aus, dass die SPD-Basis
„„„weiterhin ein Gespür dafür hat, dass esweiterhin ein Gespür dafür hat, dass es
einen Schutz des Kindes und eine Grenze
fffür Abtreibungen geben muss – und sieür Abtreibungen geben muss – und sie
sich an den Kompromiss hält“.

SPD-Vorsitzkandidaten wollen Abtreibungen legalisieren


Christina Kampmann und Michael Roth fordern die Abschaffung des Paragrafen 218. Dafür wollen sie eine „linke progressive Mehrheit“ finden


DIE STREICHUNG


VON PARAGRAF 218


WÄRE EIN


GEMEINSAMES


PROJEKT


CORNELIA MÖHRING,
frauenpolitische Sprecherin der
Linke-Fraktion

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