Die Welt - 21.09.2019

(Rick Simeone) #1
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IMPRESSUM


LESERBRIEFE


Stimme


der Vernunft


Zu: „Ich habe meinen
Kampf um Werte verloren“
vom 18. September

Wie wunderbar und ungewohnt,
einmal die Stimme der Vernunft
und des gesunden Menschenver-
standes zu vernehmen wie bei
Herrn Buschkowsky! Seine An-
sichten basieren auf eigener Re-
flexion und Erfahrung und nicht
auf dem neuesten Hype oder der
Hysterie aus dem Internet und den
Medien. Sehr erfrischend.
KATERINA VESTMAN, SINSHEIM

Stück Scheiße


Zu: „Politik Kompakt, Justiz:
Renate Künast darf beschimpft
werden“ vom 20. September

Wenn ein Gericht entscheidet, dass
Beleidigungen wie „ein Stück Schei-
ße“ oder „Geisteskranke“ gegenüber
der Ex-Ministerin Renate Künast

Quellen drastisch erhöht, wird es
zur Abwanderung von Unterneh-
men in Länder kommen, in denen
der Umweltschutz deutlich schwä-
cher ausgeprägt ist als in Europa,
etwa nach Indien oder China, was
in Summe für Umwelt und Klima

8


21.09.19 Samstag, 21. September 2019DWBE-HP


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8 FORUM *DIE WELT SAMSTAG,21.SEPTEMBER


A


ls das Gütesiegel „Made in Germa-
ny“ nach dem Zweiten Weltkrieg
seinen Siegeszug um die Welt antrat,
blühte im deutschen Wirtschaftswunder
auch der erste große Torwart auf. „Toni, du
bist ein Fußballgott“, rief Reporter Herbert
Zimmermann im WM-Finale von 1954 be-
geistert Turek zu, als dieser einen der vie-
len Schüsse der Ungarn abwehrte.
Toni Turek markierte den Beginn einer
Ära. Auf keiner Position der Nationalelf
werden die Eigenschaften, die mit „Made in
Germany“ weltweit in Verbindung gebracht
werden, besser verkörpert als zwischen den
Pfosten: robust, verlässlich, lange haltbar,
Weltklasse. Sepp Maier, Harald Schuma-
cher, Bodo Illgner oder Oliver Kahn mögen
unterschiedliche Typen mit unterschiedli-
chen Spielstilen gewesen sein, doch sie alle
einte eine Souveränität, die Deutschland
ein sicheres Fundament zimmerte: hinten
wird nichts anbrennen, da sind wir abge-
sichert. Die Torhüter waren der Bauspar-
vertrag des deutschen Fußballfans.

Und so wundert es kaum, dass die Tor-
wart-Nation Nummer eins dieser Tage
wieder einmal über ihre Lieblingsposition
diskutiert. Soll der großartige Manuel Neu-
er vom FC Bayern im Tor von Deutschland
stehen? Oder doch lieber der großartige
Marc-André ter Stegen, der beim FC Barce-
lona die unumstrittene Nummer eins ist?
Ausnahmekönner wie der Frankfurter Kevin
Trapp oder Bernd Leno vom FC Arsenal,
die in 90 Prozent aller anderen National-
mannschaften wohl die Nummer eins wä-
ren, spielen in der hitzigen Debatte schon
gar keine Rolle mehr. Bundestrainer Löw ist
jedenfalls nicht zu beneiden – täglich kom-
men ihm die Ratschläge etlicher Experten
zu Ohren, wenn er nicht eh schon taub ist
vom Auf-den-Tisch-Gehaue des Uli Hoeneß,
der sich als vorderster bajuwarischer
Schwadroneur gerade mal wieder an den
Rande des Wahnsinns wütet.
Doch wie geht die Debatte aus? Wer wird
der Zerberus sein, der den Eingang zur
Hölle Gegentor bewacht? Ganz ehrlich:
Angesichts der Klasse der deutschen Torhü-
ter ist das so egal wie die Frage, ob man
seinen Bausparvertrag bei der LBS oder
Wüstenrot abschließt. Aber auch darüber
kann sich mancher Deutsche ja monatelang
den Kopf zerbrechen.
[email protected]

Neuer? Oder ein Neuer?


KOMMENTAR


SVEN FLOHR

A


m Montag habe ich die IAA in
Frankfurt besucht – und ich
war überrascht. Ich musste
damit rechnen, nahezu allein
zu sein. Schließlich hatten in
den Tagen zuvor die Gegner
der Messe und des Autos die
Medien bestimmt. Eine Aktivistin nannte mit
unfreiwilliger Komik als Bedingung für einen
Dialog mit der Wirtschaft sogar, die Autoindus-
trie müsse sich zuvor erst vom Auto lossagen.
Tatsächlich war ich aber nicht der einzige Be-
sucher: Die Zahl der Besucher in den Hallen
überstieg die Zahl der Gegner vor den Hallen.
Die Debatte entkoppelt sich von der Realität im
Land.
Als Carl Benz vor 133 Jahren sein Patent für
den Motorwagen anmeldete, wurde die Mobilität
revolutioniert. Das Auto steht bis heute für das
Versprechen, individuell und anonym und ohne
Erlaubnis und zu jeder Zeit an nahezu jeden Ort
zu gelangen. Man steigt ein und fährt los – das
bieten Bus, Bahn und Flugzeug in dieser Form
nicht. Millionen Menschen wollen an diesem
individuellen Freiheitsversprechen festhalten.
Eine lautstarke und bisweilen aggressive Min-
derheit macht dagegen Front. Das Auto, die
Autofahrer und die Automobilwirtschaft werden
mit Geringschätzung gestraft. Im Gewand
scheinbarer Progressivität wird Umerziehung
gefordert. Ich beobachte eine Lust am Unter-
gang einer Schlüsselbranche, die schwach und
klein geredet wird. Nach wie vor ist diese Indus-
trie aber technologisch führend. Sie zahlt nicht
nur Milliarden an Steuern, sondern bringt auch
ein Drittel aller privaten Forschungsausgaben
auf. Sie und ihre Millionen Beschäftigten haben
Anerkennung verdient.
Klimaschutz, Digitalisierung, Sharing Econo-
my und Urbanisierung sind Entwicklungen, die
die Branche, ihre Produkte und deren Nutzung
verändern werden. Bei der sogenannten Ver-
kehrswende geht es aber manchen offensichtlich
um anderes. Cem Özdemir hat zum „Ausstei-
gen“ aufgefordert. Die grüne Verkehrssenatorin
von Berlin hat explizit das Ziel ausgegeben, alle
Bewohner der Hauptstadt sollten ihr Auto ab-
schaffen. Die bei den Deutschen beliebten SUVs
werden pauschal zum Klimakiller gemacht und
mit „Mord“ und „Protz“ in Verbindung gebracht.
Um das Auto ist ein Kulturkampf entbrannt.
Viele nutzen das Auto, um überhaupt zur
Ausbildungsstätte oder zum Arbeitsplatz kom-
men zu können. Sie haben keine Alternative.
Obwohl es richtig ist, den öffentlichen Nah- und
Fernverkehr auszubauen, werden wir auch mit
Milliardeninvestitionen nicht jeden Winkel der
Republik zu jeder Tages- und Nachtzeit erreich-
bar machen können. Nebenbei, den Grünen biete
ich trotzdem an, im Deutschen Bundestag über

ein gemeinsames Planungsbeschleunigungs-
gesetz zu sprechen. Dann könnten wir in der
Zukunft neue Hochgeschwindigkeitstrassen nach
dem Vorbild Chinas oder Frankreichs suchen,
die eine attraktive Alternative zum Auto oder
dem Inlandsflug bieten. Dann muss auch manche
Bürgerinitiative vor Ort ihren Widerstand im
Dienste des Klimaschutzes einstellen.
Neben der schieren Notwendigkeit, sich von A
nach B zu bewegen, muss auch die Wahlfreiheit
der Menschen respektiert werden. Nicht jeder
will sich bei Wind und Wetter auf das Fahrrad
oder in den Bus setzen. Millionen in der Mitte
der Gesellschaft schätzen das Auto. Für viele ist
das Auto eine der größten privaten Investitio-
nen. Sie fürchten den Verlust von Vermögens-
werten durch eine zunehmend irrationaler han-
delnde Politik. Denn genau darum scheint es bei
dieser Auseinandersetzung rund ums Auto in
Wahrheit zu gehen: Als ein Ausdruck persönli-
cher Freiheit und persönlichen Eigentums soll es
den einen entzogen werden, weil die anderen es
wollen. Wir erwarten technische Innovationen
beim Auto und seiner Nutzung – aber nicht eine
„Wende“ zurück in eine Vergangenheit, als Mobi-
lität für die große Zahl der Menschen ausschließ-
lich im Kollektiv möglich war.

Mobilität ist ein


Versprechen


Das Auto steht für


die Freiheit, individuell


zu jeder Zeit an jeden


Ort zu gelangen. Und


Millionen Menschen


sind darauf angewiesen.


Statt es abzuschaffen,


sollten wir nach der


besten Technologie


der Zukunft suchen


Wir erleben Umerziehung


im Gewand der Progressivität


GASTKOMMENTAR


ǑǑ


CHRISTIAN LINDNER

Wir brauchen erstens ein faires Miteinander
auch in Großstädten. Intelligente Verkehrsleit-
systeme und Luftfilter – zum Beispiel auf der
natürlichen Basis von Moosen – können die
innerstädtischen Belastungen und damit die
Notwendigkeit von Fahrverboten reduzieren.
Carsharing wird die Zahl der Fahrzeuge in Groß-
städten auf mittlere Sicht reduzieren. Wir sind
hier nicht am Ende der Möglichkeiten, sondern
stehen am Anfang.
Wir brauchen zweitens Technologieoffenheit.
Ja, die Elektromobilität ist eine faszinierende
Perspektive. Davon zeugen auch die Produkte
deutscher Hersteller auf der diesjährigen IAA.
Aber die politisch gewollte und einseitige Fixie-
rung auf batterieelektrische Antriebe könnte sich
als Irrweg erweisen. Denn mit der grünen Forde-
rung nach „emissionsfreien“ Antrieben wird
übersehen, dass auch der Verbrennungsmotor
mit synthetischen Kraftstoffen schon bald
„emissionsneutral“ genutzt werden kann – in-
klusive der vorhandenen Infrastruktur von Tank-
stellen und der bestehenden Wertschöpfungs-
ketten. Power-to-X-Lösungen setzen schließlich
nur CO 2 frei, das vorher der Atmosphäre ent-
nommen und mit erneuerbarer Energie umge-
wandelt wurde. Zu Beginn könnte durch eine
schrittweise Beimischung von synthetischen
Kraftstoffen in fossile erheblich CO 2 vermieden
werden – und zwar schon mit der vorhandenen
Fahrzeugflotte!
Die EU-Flottengrenzwerte für CO 2 berück-
sichtigen diese klimafreundliche Innovation
indessen nicht. Damit wird politisch eine deut-
sche Spitzentechnologie ausgebremst. Die ent-
sprechenden Forderungen des Bundesverkehrs-
ministers sind zwar richtig – warum aber hat die
Bundesregierung genau dem Gegenteil in Brüssel
zugestimmt? Eine Korrektur muss hohe Priorität
haben. In Japan wird zudem Wasserstoff ent-
schlossen erforscht. Bei uns fristet diese Option
politisch unverändert ein Nischendasein. Im
Auto und bei Nutzfahrzeugen lassen wir so gro-
ße Chancen ungenutzt. Ein Wasserstoff-For-
schungsprogramm und eine entsprechende In-
frastruktur fordern wir Freie Demokraten schon
seit Längerem.
Wir wollen drittens Gesetze und Infrastruktu-
ren für die Mobilität der Zukunft schaffen. Beim
autonomen Fahren, von unseren politischen
Mitbewerbern völlig unterschätzt, kann Deutsch-
land Weltmarktführer sein. Die damit verbunde-
nen Fragen nach Datensicherheit und -eigentum
oder nach dafür notwendigen Mobilfunk-Fre-
quenzen sollten wir schnell beantworten.
Ich erinnere mich, dass bei den Sondierungen
über eine mögliche Jamaikakoalition der Frakti-
onsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter,
nicht bereit war, einen Kompromiss mitzutra-
gen, bei dem die Option auf individuelle Mobili-
tät trotz des Klimaschutzes garantiert werden
sollte. Er habe sein ganzes Leben gegen den Satz
„freie Fahrt für freie Bürger“ Politik gemacht,
sagte er zur Begründung. Die Offenheit verdient
demokratischen Respekt, und manche werden
sie teilen, sie ist aber zugleich Ausdruck einer
kollektivistischen Haltung. Für Liberale stehen
aber die Wünsche und Bedürfnisse jedes Einzel-
nen im Mittelpunkt allen Handelns – so unter-
schiedlich und vielfältig sie auch sein mögen.

TDer Autor ist Bundesvorsitzender
der FDP und Fraktionschef der Liberalen
im Deutschen Bundestag.

Ihre Post an: DIE WELT, Brieffach 2410,
1 0888 Berlin, Fax: (030) 2591-71606,
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Leserbriefe geben die Meinung unserer
Leser wieder, nicht die der Redaktion.
Wir freuen uns über jede Zuschrift,
müssen uns aber das Recht der Kürzung
vorbehalten. Aufgrund der sehr großen
Zahl von Leserbriefen, die bei uns einge-
hen, sind wir leider nicht in der Lage, jede
einzelne Zuschrift zu beantworten.

S


elten gibt eine politische Partei zu,
dass ihre Mitglieder in Sachen Anti-
semitismus Nachhilfe brauchen. Das
hat die britische Labour Party getan. Gut.
Für Aufklärung in den eigenen Reihen soll
eine Website mit Schulungsmaterialien
sorgen. Auch gut. Auf der Seite „No Place
For Antisemitism“ findet sich eine Grund-
satzerklärung. Darin steht viel Richtiges. In
ihr heißt es aber auch: „Der Antizionismus
ist nicht an sich antisemitisch, und einige
Juden sind nicht Zionisten. Labour bietet
eine politische Heimat für Zionisten und
Antizionisten.“
Hm. Historisch war zwar der Antizio-
nismus – die Ablehnung der Idee, dass die
Juden einen eigenen Staat brauchen – nicht
antisemitisch. Die meisten Juden, ein-
schließlich der Mehrheit meiner Familie,
fanden die Idee abstrus. Nach dem Holo-
caust und der Gründung des Staates Israel
aber ist der Antizionismus abstrus. Ja, er ist
antisemitisch.
Hätte es bereits 1933 einen jüdischen
Staat gegeben, hätten mehr Juden dem
Holocaust durch Flucht entkommen kön-
nen. Seit 1948 fanden und finden verfolgte
und bedrängte Juden aus allen arabischen

Ländern, aus Äthiopien, aus der Sowjet-
union und ihren Satellitenstaaten und neu-
erdings auch aus Frankreich dort Zuflucht.
Sich dafür einzusetzen, dass diese Zuflucht
verschwindet, wie es der Antizionismus tut;
dass Juden wie vor 1948 abhängig sein sol-
len von der Gnade oder Ungnade der Mehr-
heitsbevölkerung in anderen Staaten: Das
ist Antisemitismus.
Daran ändert nichts, dass nicht alle Ju-
den in Israel leben wollen; ja nicht einmal,
dass einige ultrareligiöse jüdische Sekten
den Staat Israel ablehnen, weil erst der
Messias das Reich Davids wiederaufrichten
dürfe. Es leben ja nicht alle Türken in der
Türkei, und doch würde man eine Bewe-
gung, die den türkischen Staat auflösen
wollte, zu Recht als antitürkisch bezeich-
nen. Sechs Millionen Juden leben in Israel.
Nur Träumer können glauben, sie bräuch-
ten keinen Schutz durch eigene Streitkräf-
te. Was Rechtsextreme für Deutschland
herbeihalluzinieren, „der große Bevölke-
rungsaustausch“, das wäre das Schicksal der
staatenlos gewordenen Juden in Nahost.
Dafür einzutreten ist Antisemitismus.
Wenn Labour also „eine politische Hei-
mat für Antizionisten“ sein will, bietet sie
dem Antisemitismus eine Heimat. Es wäre
an der SPD, dies der Schwesterpartei zu
erklären, verbunden mit Maßnahmen ge-
gen den Antizionismus in den eigenen
Reihen. Gibt es unter den Kandidat*innen
für den Parteivorsitz auch nur eine, die
dazu bereit ist?

Nachhilfe für Labour


PLATZ DER REPUBLIK


ALAN POSENER

kontraproduktiv wäre. Es wäre der
Worst Case für das Weltklima und
eine ökonomische Katastrophe für
die Länder, die da mitmachen.
MARTIN BEHRENS, WIEN

Todessehnsucht


Zu: „Ernstfall am Golf“
vom 18. September

In dieser Region tobt doch schon
seit Jahrhunderten der religiöse
Konflikt zwischen Schiiten und
Sunniten. Die dann gemeinsam
wieder gegen die Ungläubigen wie
Juden und speziell gegen den Wes-
ten vorgehen. Wie soll man mit
Leuten verhandeln, die nicht nur
den Tod des Andersgläubigen als
religiösen Auftrag sehen, sondern
sogar den eigenen Tod glorifizieren
und nichts mehr herbeisehnen als
den Einzug ins Paradies? Deshalb
wird mir die Aussage von Frau
Merkel rätselhaft bleiben, die auf
Diplomatie und Deeskalation set-
zen will. Sie wird Zuschauerin blei-
ben in diesem Konflikt.
GÜNTER FONTIUS, MALENTE

„keine Diffamierung der Person“
sind und ferner, dass Facebook die
Namen der 22 Beleidiger nicht he-
rausgeben muss, dann ist es wohl
auch erlaubt, dass man den Richter
als „ein Stück Scheiße“ bezeichnet.
Wenn noch nicht einmal die Justiz
fähig ist, der Flut des Hasses und
der Wutausbrüche im Netz Einhalt
zu gebieten, wie können wir dann
als Demokraten der Gewalt von
rechts und von links, die auf uns
zukommt, Einhalt gebieten?
PROF. EM. DR. L. SCHIFFLER, BERLIN

Abwanderung


Zu: „Grüne pochen auf
CO 2 -Steuer statt Zertifikate“
vom 19. September

Die Sinnhaftigkeit dieser Milliar-
deninvestition erschließt sich mir
nicht. Die EU ist zu zehn Prozent
an den CO 2 -Emissionen beteiligt,
Deutschland davon zu etwa einem
Fünftel. Wenn man jetzt beispiels-
weise die Auflagen für die Indus-
trieproduktion verschärft und sich
der Energiepreis durch erneuerbare

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