Berliner Zeitung - 21.09.2019

(Ron) #1

Berlin


12 * Berliner Zeitung·Nummer 220·21./22. September 2019 ·························································································································································································································································································


KistenweiseKohle


DreiMännermüssensichwegendesÜberfallsaufeinenGeldtransportervorGerichtverantworten


VonKatrin Bischoff

E


twa zweieinhalbMinuten
lang ist dasVideo,das ein
Zeuge in der Schilling-
straße inMitte im Herbst
vorigen Jahres vonseinem Balkon
ausdrehte.Zus ehensindmaskierte
Männer,die einenGeldtransporter
aufhebeln undGeldkassetten in ei-
nenMercedesderR-Klasseschlep-
pen.AmEndedesFilmsistdasMar-
tinshorneinesPolizeiwagenszuhö-
ren.DieTäterbleibenzunächstun-
beeindruckt, springen dann aber in
den dunklenMercedes.Die Heck-
klappedesWagensbleibtoffen,weil
zu viele Metallkassettendarin Platz
finden sollen. Eine große Geldkiste,
zuletzt hineingedrückt,fällt wieder
heraus.EineKiste,inderzweiderer-
beutetensieben Millionen Euro lie-
gen.

MisslungenerCoup
DiegefilmteTatam18.Oktoberver-
gangenenJahreswareinerderspek-
takulärsten Überfälle auf einen
GeldtransporterinBerlin.Jetztmüs-
sen sich zwei mutmaßlicheTäter,
der38JahrealteSuphiS.undder
JahrealteAimanS.,wegenschweren
Raubes vordem Berliner Landge-
richtverantworten.DemdrittenAn-
geklagten,dem33JahrealtenAbdal-
lahT.,wirftderStaatsanwaltBeihilfe
vor.ErsolldenzurTatbenutztenso-
genannten Hydraulikspreizer,mit
demdergepanzerteTransporterge-
öffnetwurdeundmitdemeigentlich
die Feuerwehr nach Unfällen Ver-
letzteausFahrzeugenrettet,gekauft
und auch den bei dem Überfall be-
nutzten Mercedes besorgt haben.
DerCoup misslang,und auch ein
Blutbad wurde verhindert. „Wenn
auch nur durch Glück“, wie es der
StaatsanwaltDirkEckertsagt.
Der19. Oktober vorigen Jahres
wareinFreitag.DerWerttransporter
wargegen7.30UhraufderSchilling-
straße in Richtung Alexanderplatz
unterwegs,als er vonzweiFahrzeu-
gen an der Weiterfahrtgehindert
wurde.Ein Audi A6 bremste das ge-
panzerteAutoaufderStraßeinHöhe
der Hausnummer31 aus.Ein dun-
kelfarbenerMercedes rammte den
Transporter vonhinten. DasFahr-
zeugwareingeklemmt.
DieTäter sollen nunKeile unter
die Räder desGeldtransporters ge-
legtunddieBesatzungdesFahrzeu-
ges mitvollautomatischenGeweh-
render MarkeKalaschnikowbe-
drohthaben.VierderfünfTäteröff-
netenlautAnklagesodannmitdem
Hydraulikspreizer die gepanzerte
DoppelflügeltürundludenGeldkas-
setten in denMercedes.Inhalt: sie-
benMillionenEuro.

Doch noch in der Schillingstraße
verlordas TatfahrzeugaufderFlucht
voreinem Funkstreifenwagen eine
große Geldkassette,ind er sich zwei
MillionenEurobefanden.Dierasante
Fahrtder mutmaßlichen Räuber in
MercedesundAudiführteimdichten
Berufsverkehr mitTempo 100 durch
die Neue Ross- und dieWallstraße.
DieFluchtschieninderNeuenGrün-
straßezuEnde–wegenderEngeder
StraßeunddesGegenverkehrs.

Polizeibeamte begutachten den aufgebrochenen Geldtransporter DPA/BERND VON JUTRCZENKA

Dochhiersolleinerdernochun-
bekanntenMittäter,derim Audisaß,
das Schiebedach desWagens geöff-
net und mit einerKalaschnikowge-
zielt auf denPolizeiwagen geschos-
senhaben.EswarnureinSchuss,die
automatischeWaffehatteeineLade-
hemmung. DieStaatsanwaltschaft
geht davon aus,dass die Kalaschni-
kowauf Dauerfeuer eingestellt war.
Normalerweise könnten somit 600
Schuss in der Minute abgefeuert

werden, sagt der Staatsanwalt
Eckert. DiePolizistengabendieVer-
folgungauf.
DieFahrtder Geldräuber endete
in der Nähe der AltenJakobstraße –
amMercedeswareinReifengeplatzt
unddie Vorderachsegebrochen.Die
Täter mussten dasFahrzeug samt
Beute,WaffenundTatwerkzeugzu-
rücklassen.DerAudiA6,offenbarbei
einer Autovermietung unterschla-
gen,wurdespäterineinerTiefgarage
gefunden.

180Zeugen
Abdallah T. bestreitet, vondem
Überfallgewusstzuhaben.Dermut-
maßlicheGehilfederzweiHauptan-
geklagten gibt jedoch zu, dasHyd-
raulikwerkzeug und auch denMer-
cedesbesorgtzuhaben.Erseiim Ok-
tober 2017 voneinem Mann
angesprochen worden, der ihm
2000 Euro geboten habe,wenn er
den Hydraulikspreizer besorgen
würde .SeinAuftraggeber,sod erAn-
geklagte,sei seit langem als dreister
Einbrecher bekannt.Abdallah T. sei
davonausgegangen,dassdasWerk-
zeugfürdenAngriffaufeinenGeld-
automaten bestimmt gewesen sei.
DenMercedes derR-Klasse will der
Angeklagte imSommer 2018 für ei-
nen Bekannten beim Ordnungsamt
auslösthaben.Erstam Tattaghabeer
im Internet Fotos des Tatfahrzeuges
gesehenunddenMercedeserkannt.
AuchderAnwaltvonSuphiS.gibt
eine Erklärung ab.Darin zweifelt er
die objektiveErmittlungsarbeitvon
PolizeiundStaatsanwaltschaftan.Er
nennt die Arbeit „Vernichtungser-
mittlungen“, mit denen einem ein-
malins VisiergeratenenBeschuldig-
tendie Tatunbedingtnachgewiesen
werden solle .Sein Mandant werde
sichdaherimProz essnichtäußern,
aus Angst, dass ihm jedesWort im
Mundeumgedrehtwerde.
FürStaatsanwaltDirkEc kertgibt
esgegendiedreiAngeklagteneinen
dringendenTatverdacht.So seienin
den Fluchtfahrzeugen unter ande-
remDNA-SpurenderbeidenHaupt-
angeklagten gefunden worden.Ei-
nerder Beschuldigtenhabesicheine
Fußverletzungzugezogen.Eckertist
überzeugt, dass demMann bei der
Tateine der Geldkassetten auf den
Fußgefallenist.„Wirkönnenbewei-
sen,dassdieFußverletzungvomTat-
tag ist“, sagt er.Obd ie Angeklagten
Kontakte zum kriminellen Clanmi-
lieu haben, dazu wollte sichEckert
nicht äußern.Auch zu denErmitt-
lungen gegen die drei anderen am
Überfall beteiligten Männer
schweigter.
DasVerfahren ist bisher bisFe-
bruar nächsten Jahres terminiert.
180Zeugensollenbefragtwerden.

EinOrtfür


zentrale


Debatten


Wirtschaftssenatorinschlägt
Migrationsmuseumvor

VonMelanie Reinsch

W


irtschaftssenatorin Ramona
Pop(Grüne) will sich dafür
einsetzen, dassBerlin einMigrati-
onsmuseum bekommt. Daskün-
digte dieSenatorin während ihrer
USA-ReisebeieinemBesuchdesIm-
migrationsmuseums aufEllis Island
in NewYorkan. Bisherige Versuche
seien zuvor gescheitert, doch diese
Forderung wolle sie nun mit nach
Berlin nehmen.Wo das Museum
entstehenkönne,könne sie noch
nicht sagen. Bisher gebe es nur die
Idee,die Popaber unbedingtreali-
sierenmöchte.
„Berlin braucht ein Migrations-
museum.Wirsind ein Einwande-
rungslandundhabenkeinenzentra-
len Debattenort, wo die Vielfalt in
unserem Land symbolischsichtbar
wirdundwirunsmitdenRealitäten
unseres Landes auseinandersetzen
können“,sagte PopinNewYork.So
ein Museum sei ein notwendiger
Beitrag zu einem „neuen Wir“, er-
klärte die Wirtschaftssenatorin wei-
ter,„geradeinZeitenvonRechtspo-
pulismus,indenen die Wertewie
Weltoffenheit,Vielfalt und Freiheit
alsBedrohungangegriffen“würden.

Überauspräsent
Poperklärte,dasseseinvergleichba-
resMuseum in Deutschlandbisher
nicht gebe,das sich schwerpunkt-
mäßig mit Fragen zu Migration,
Flucht und Integration beschäftige.
DabeiseiDeutschlandseitJahrhun-
dertenAusgangspunkt,Ziellandund
Durchgangsstation vonMigranten
und Geflüchteten. „Migration hat
unser Land entscheidendgeprägt.
UndDeutschlandwirdauch in den
kommendenJahren und Jahrzehn-
ten Migration erleben –und ange-
sichts des Fachkräftemangelsauch
benötigen“,ergänzte Pop. DieMi-
grationsgeschichteBerlins sei über-
auspräsent,diehistorischenundge-
genwärtigen Migrationsereignisse
überall in der Stadt noch erlebbar
und zu besichtigen,so die Grünen-
Politikerinweiter.
Ellis Island ist seit 1990 alsMu-
seumzugänglich,rund12 Millionen
Einwanderer passierten zwischen
1892und1954diekleineInsel,bevor
sie in die USA einwanderndurften.
DieGrünen-Politikerinbefindetsich
momentan auf einerDelegations-
reise an derOstküste der USA. Am
Mittwoch reiste sievonNew York
nach Boston mit demBus.Vondort
gehteszurücknachBerlin.

NACHRICHTEN


Czaja:Keine Vorteile durch


BER-Ausschuss-Tätigkeit


DerBau-Projektentwicklerund
FDP-F raktionschefSebastianCzaja
hatden VorwurfmöglicherInteres-
senkonflikteausbeidenTätigkeiten
zurückgewiesen.Davonkönnekeine
Redesein,teilteCzajamit.DieLinke
hattekritisiert,dassderFDP-Politi-
kerfüreineBaufirmatätigist,diefür
dieFlughafengesellschaftarbeitet.
CzajakontrolliertdiesesUnterneh-
menseitJuli2018imUntersu-
chungsausschussBERundhatdabei
auchZugangzu vertraulichenUn-
terlagen.Erbetonte:„Ichhabedurch
meineTeilnahmeamBER-Untersu-
chungsausschussderBaufirmazu
keinerZeitVorteilebeiderAuftrags-
vergabedurchdieFlughafengesell-
schaftverschafft.“Mitarbeiterder
FirmaBeton&Rohrbauseienseit
1992fürdieFlughäfentätig.(dpa)


Autodiebstähle rückläufig –


Berlin bleibt „Brennpunkt“


Imverg angenenJahrsindinBerlin
deutlichwenigerAutosgestohlen
wordenalsnoch2017.Wieauseiner
amFreitagveröffentlichtenStatistik
desBundeskriminalamts(BKA)her-
vorg eht,verschwanden3813Pkw
dauerhaft.2017warenesnoch4620,
einRückgangum17,5Proz ent.Im
Länderverg leichist BerlinvorHam-
burgdennochammeistenvonAuto-
diebstahlbetroffen.DieHauptstadt
sei„B rennpunktderKfz-Kriminali-
tät“.Pro100000zugelassenePkw
verschwandeninBerlin315,inHam-
burg127.Dassmehrereöstliche
Bundesländerüberdurchschnittlich
belastetsind,dürftelautBKAdarauf
zurückzuführensein,dassvondort
aus„einschnellerTransportindieim
OstenEuropasgelegenenAbsatz-
märktemöglichist“.(dpa)


SUV-Unfall: Müller will sich


mit Anwohnerntreffen


NachdemtödlichenUnfallander
InvalidenstraßekönnendieAnwoh-
neraufMaßnahmenfürmehrVer-
kehrssicherheithoffen.WiedieBerli-
nerMorgenpostberichtet,wollen
sichderRegierendeBürgermeister
MichaelMüller(SPD)undVerkehrs-
senatorinRegineGünther(Grüne)
mitden InitiatoreneinerOnline-Pe-
titiontreffen.DerUnfallhabealle
bewegt,schreibtMüllerineinem
BriefandieInitiatoren,derderZei-
tungvorliegt.„DahergebeichIhnen
vollkommenRecht,wennSiesagen,
wirmüssenunsansehen,waswir
konkrettunkönnen,damitsolchen
schrecklichenEreignissenzukünftig
vorg ebeugtwerdenkann“(BLZ)


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