MF-MT

(Darren Dugan) #1
138 Kapitel 8 | Die Form

Weitere Bildelemente
In den Bildbeispielen auf diesen Seiten sehen Sie fast immer eine ange-
schnittene Stirn. Zum einen ist dies zugegebenermaßen eine kleine Macke
von mir, zum anderen aber auch ein gutes Mittel, eine zu prominente Stirn
zu kaschieren. Eine zu hohe Stirn, die die Symmetrie des Gesichts stören
könnte, sei es durch einen generell hohen Haaransatz oder einsetzende
Glatzenbildung bei den Herren, kann so kaschiert werden. Das Kinn und
der Hals nehmen zwar selten einen wichtigen Bildteil ein, verdienen aber
dennoch unsere Aufmerksamkeit bei zu ausgeprägtem Kinn bei Frauen
oder fliehendem Kinn bei beiden Geschlechtern. Eine leichte Untersicht
korrigiert dies ebenso wie Unschärfe. Eine Neigung zum Doppelkinn soll-
ten Sie ebenfalls versuchen zu verstecken, indem Sie das Modell anweisen,
das Kinn nach vorne zu strecken wie eine Schildkröte. Das fühlt sich für
das Modell zunächst falsch und verkrampft an, zeigen Sie hier unbedingt
ein Foto vom Ergebnis, das wird das Modell wieder entspannen. Auch hier
rate ich zu einer leichten Aufsicht.
Natürlich lassen sich viele dieser kleinen Problemchen auch mit Make-
up kaschieren oder mindern, wie Sie schon in Kapitel 3 lesen konnten.
Auch gibt es ein paar Tricks, wie Sie in der Bildbearbeitung den einen
oder anderen Schönheitsfehler korrigieren können, davon lesen Sie
mehr in Kapitel 17.

Die persönliche Sicht
Mir ist die Nahaufnahme die liebste Form des Porträts, weil ich so ver-
suchen kann, viel von dem Menschen zu zeigen. Schwierig wird es für
mich immer bei Menschen, die mir besonders nahe stehen, vielleicht
stoßen Sie auf ein ähnliches Problem. Denn von unseren Liebsten haben
wir bereits ein Bild fest im Kopf eingebrannt. Wenn wir das jetzt durch
die Kamera betrachten, gewinnen wir ein Stück Objektivität zurück.
Und das Ergebnis entspricht in der Regel zunächst in keinster Weise
unseren Vorstellungen. Nun gilt es, unter Einsatz von Licht, Perspektive
und Pose und mit viel Geduld das Foto dem Bild im Kopf anzupassen.
Es ist eine spannende Erfahrung, auch wenn die ersten 20 Bilder dieses
Shootings garantiert gelöscht werden müssen. Aber auch bei Men-
schen, die Sie nicht so gut kennen, werden Sie auf diese Diskrepanz zwi-
schen Ihrer Wahrnehmung und den ersten Bildern treffen. Denn diese
werden zunächst nichts vom Wesen und Charakter transportieren.
Deswegen ist Menschenfotografie jedes Mal aufs Neue so spannend
und aufregend. Weil jedes Modell immer wieder eine Herausforderung
darstellt, die es zu meistern gilt.

Auch wenn bei diesem Foto die Haarsträh-
ne eigentlich nicht auf die Stirn gehört, war
der Ausdruck des Modells hier stärker als
bei anderen Fotos der Serie. Manchmal
muss man Kompromisse eingehen. Kame-
ra: Nikon D100 mit 80-200 mm f/2.8er
Objektiv – Belichtungszeit 1/750 Sek. bei
f/2.8 – Brennweite 300 mm – ISO 200.
Foto: Carina Meyer-Broicher

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