MF-MT

(Darren Dugan) #1
Kapitel 2 | Das fotografische Sehen 9

Egal, in welchem Bereich Sie Ihre Schwächen sehen, wenn Sie sie erkennen,
können Sie sie auch ausmerzen.


Die Bildkritik


Auch wenn Sie noch so selbstkritisch sind, wird es Sie auf jeden Fall wei-
terbringen, wenn Sie Ihre Fotos auch anderen zeigen und diese Sie beurtei-
len, bewundern, bewerten oder kritisieren. Auf irgendeine Weise ist jede
Meinung zum Bild interessant und nützlich, egal ob Sie vom Fotoprofi
oder Ihrer Großmutter kommt, denn jeder beurteilt das Bild unter seinen
subjektiven, technischen oder emotionalen Kriterien.


Der unvorbelastete Betrachter


Familie, Freunde und Bekannte, die sich selbst nur als Konsument mit der
Fotografie beschäftigen, sind keine Fachleute, aber in der Regel ehrlich und
spontan, wenn Sie sie darum bitten. Sie können selten kompositorische
und technische Kritik üben, liefern aber aus meiner Erfahrung häufig Anre-
gungen, warum sie ein Bild mögen oder ablehnen. Einige werden wahr-
scheinlich außer Lob nicht viel beitragen können, was daran liegen kann,
dass Ihre Bilder wirklich gut sind oder Sie der Kritiker einfach gerne hat.


Wenn Sie Antworten hören wie „Das ist aber toll“ oder auch ein spon-
tanes „Das mag ich nicht“, haken Sie einfach nach. Warum gefällt dem
Betrachter das Bild besonders gut? Ist das Modell einfach toll und hat
er den Rest vom Bild gar nicht gesehen oder mag er die Farben und das
Sujet? Lehnt jemand das gleiche Bild ausschließlich wegen des Modells ab,
findet aber die Pose und den Hintergrund toll? Ich habe oft festgestellt,
dass winzige Kleinigkeiten den Betrachter für oder gegen ein Bild einneh-
men. Auf Nachfrage bekomme ich Antworten, die durchaus weiterhelfen.
Einmal ist das eine Auge „komisch“, der Mund irgendwie nicht richtig oder
das Bild zu kalt, zu warm oder zu bunt.


Und wenn ich das Bild dann noch einmal kritisch betrachte, muss ich dem
Betrachter zumeist Recht geben, denn das Auge wirkt durch Perspektive,
Fokus und Licht wirklich nicht harmonisch, weil mein Fokus vielleicht auf
dem Mund lag. Das sagt mir zum einen, dass ich darüber andere Bild-
punkte nicht vernachlässigen darf, aber auch, dass ich den Mund nicht so
betont habe, wie ich wollte, denn sonst wäre dem Betrachter die Unstim-
migkeit am Auge, ebenso wie mir, gar nicht aufgefallen.

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