250 Kapitel 13 | Street-Fotografie
Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal
zur normalen Porträtfotografie ist, dass
Sie ungestellte und ungekünstelte Auf-
nahmen machen. Keine Modelle, die auf
der Straße posen und keine gestellten
Szenen, keine arrangierten Sujets. Ihre
Aufgabe ist es, das Geschehen auf der
Straße zu beobachten. Das Leben dort
ist Ihr Thema und die Szene greifen Sie
exemplarisch für das Foto heraus, doku-
mentieren und halten sie fest.
Anders als ein Pressefotograf oder gar
ein Paparazzi sind dies nicht die spekta-
kulären Szenen, es gilt keine Prominen-
ten aufzuspüren, es sei denn, sie laufen
Ihnen zufällig über den Weg. Auch gilt
es nicht, Hausbrände oder Unfälle zu
dokumentieren, sondern den Alltag Ihrer Mitmenschen festzuhalten, zu
entscheiden, welcher winzige Augenblick in deren Leben auf den Chip zu
bannen sich lohnt. Das Erkennen dieser speziellen Momente bei Ihnen
wildfremden Menschen erfordert Übung, Geduld und wie ich meine, auch
eine große Portion Respekt und Zurückhaltung, auch wenn viele Kollegen
dies anders sehen. Sie gehen recht aggressiv auf die Menschen zu. Ein Bei-
spiel dafür ist der Fotograf Bruce Gilden, gut zu sehen im Video über seine
Arbeit (www.youtube.com/watch?v=kkIWW6vwrvM).
Auf der Straße wird Ihr „fotografisches Sehen“ ganz besonders gefordert.
Denn die Motive finden sich quasi ständig um Sie herum, Sie müssen ler-
nen, Sie zu sehen, zu erkennen und schnell und instinktiv umzusetzen.
Die Rechtslage
Sie haben neben dieser Aufgabe noch ein kleines Hindernis, das Ihre Foto-
grafie von Menschen auf der Straße erschwert, und das kann man unter
dem Oberbegriff „Recht am eigenen Bild“ zusammenfassen. Auf die Details
der Gesetzgebung gehe ich in Kapitel 20 dieses Buchs ein. Hier nur so viel:
Es ist Ihnen im Grunde nicht erlaubt, einen anderen Menschen ohne des-
sen möglichst schriftliche Einwilligung zu fotografieren. Und damit natür-
lich auch erst Recht nicht, diese Fotos zu veröffentlichen.
Dies ist für die Street-Fotografie ein unüberwindliches Hindernis, wie es
zunächst scheint. Aber wie Sie an der Menge der veröffentlichten Fotos
Ein Stammgast im berühmten Wiener
Kaffeehaus Hawelka unterhält sich mit
der Barista, die gerade Pause macht. Das
Bild transportiert auch über die Farbge-
bung viel von der Atmosphäre und Gemüt-
lichkeit des Kaffeehauses. Kamera: Nikon
D200 mit 50 mm f/1.8er Objektiv – Belich-
tungszeit 1/80 Sek. bei f/1.8 – Brennweite
75 mm – ISO 1600.
Foto: Carina Meyer-Broicher