Der Spiegel - 20.09.2019

(Barré) #1
Verbandsspitzen DFB-Präsidenten seit Kriegsende
Rainer Koch und Reinhard Rauball übernehmen das Amt
kommissarisch von 2015 bis 2016 bzw. seit dem 2. April 2019

Peco Bauwens
1950 bis 1962

Hermann Gösmann
1962 bis 1975

Hermann Neuberger
1975 bis 1992

Egidius Braun
1992 bis 2001

Gerhard Mayer-Vorfelder
2001 bis 2006

Theo Zwanziger
2006 bis 2012

Wolfgang Niersbach
2012 bis 2015

Reinhard Grindel
2016 bis 2019

D


en Dribbeltrick hat so ein Routinier
wie Rainer Koch natürlich drauf:
kurz mal Selbstkritik antäuschen,
dann elegant seine Gegner aussteigen las-
sen mit dem Versprechen, dass jetzt alles
besser wird. Natürlich wieder mit ihm am
Ball, mit Rainer Koch.
Nur wenige im Deutschen Fußball-
Bund können dafür aber so zerknirscht
gucken wie der 1. Vizepräsident, etwa
beim Amateurfußballkongress in Kassel.
Da räumte Koch »mit dem Blick auf mich
und die Kollegen an der Spitze« zer-
knirscht ein, dass das Image des DFB doch
»sehr gelitten« habe, bei all den Affären.
Zum Glück hatte Koch, 60, das Rezept
für eine »gute Neuordnung« gleich parat:
»Transparenz« und »Sachaufklärung«.
Genau dafür stehe nämlich die neue Füh-
rung – nur dass die kurz nach dieser Rede
im Februar 2019 schon wieder ganz alt aus-
sah. Schließlich hieß der DFB-Chef damals
noch Reinhard Grindel, der nichts dabei
fand, sich eine Luxusuhr von einem Oli-
garchen schenken zu lassen.
Keine Frage, Transparenz und Sachauf-
klärung wären ein Anfang für einen geläu-
terten DFB – wäre da nicht auch Koch
selbst, der Prototyp jener Funktionärskas-
te, die das Ansehen des größten deutschen
Sportverbands über Jahre abgewirtschaftet
hat. Sein Leben als Funktionär begann
schon 1982. Mit 23 Jahren wurde Koch Bei-
sitzer im Kreis-Schiedsrichter-Ausschuss
München. Seit etlichen Jahren ist er Präsi-
dent des Bayerischen-Fußballverbands,
Präsident des Süddeutschen Fußball-Ver-
bands, Vizepräsident des DFB. Und zurzeit
einer von zwei Interimschefs des deutschen
Fußballs – noch bis zum kommenden Frei-
tag, wenn beim DFB-Bundestag der neue
Präsident gewählt wird.
Dann läuft es zwar auf den Freiburger
Fritz Keller, 62, hinaus, einen Mann, der
nicht unter Klüngelverdacht steht und des-


halb zum neuen Gesicht des DFB taugen
könnte. Doch auch Koch will wiederge-
wählt werden, als Vize. So leicht lässt sich
die alte Garde nicht aus dem Drehbuch
für den Neustart herausstreichen.
Koch diente sich vom DFB-Sportgericht
bis in die Führung des Verbands hoch –
und trug all jene Dinge willfährig mit, die
beim Finanzamt die Gemeinnützigkeit des
DFB gefährdet haben: luxuriöse Funktio-

närsreisen zu großen Turnieren, dubiose
Beraterverträge, First-Class-Catering und
Saufgelage bei Weihnachtsfeiern und Ta-
gungen. Koch war es auch, der die Fehl -
besetzung Grindel ins Amt gecoacht hatte.
Schon in der Sommermärchen-Affäre
um die mutmaßlich gekaufte Fußball-WM
2006 stand Koch für den Korpsgeist der
Funktionäre. So half er dem gestrauchel-
ten DFB-Boss Wolfgang Niersbach 2015,
Gesicht und Geld zu wahren. Koch lobte
den scheidenden Präsidenten als »immer
loyal«. Über Niersbachs Halb- und Un-
wahrheiten im Umgang mit der Affäre ver-
lor er kein Wort. Außerdem durfte Niers-
bach die mit über 400 000 Euro dotierten
Posten bei Fifa und Uefa erst mal behalten.
»Transparenz« und »Sachaufklärung« –
dass beim DFB hehre Worte oft nur leere
Worte sind, zeigt nun auch der Umgang
mit einem Fragenkatalog des SPIEGEL.
Darin ging es vornehmlich um ein pikantes
Papier aus der DFB-Verwaltung. Eine Liste
mit dem Titel: Ȇbersicht monatliche
Aufwandsentschädigungen Ehrenamtliche
Mitarbeiter«. Wie daraus hervorgeht, kas-

sieren die Präsidiumsmitglieder Summen,
die teilweise an Professorengehälter heran-
reichen. Rainer Koch, im Hauptberuf Rich-
ter in München, bekommt demnach inklu-
sive Sachleistungen knapp 7000 Euro mo-
natlich vom DFB. Und die Einzelposten
provozieren Fragen.
So stellte der Verband seinem Vize eine
Mercedes-E-Klasse, die Koch auch privat
nutzen durfte. Listenpreis brutto des
Dienstwagens: 80 259,55 Euro. Die Be-
triebskosten übernahm der DFB, Tankkar-
te inklusive, alles im Namen der Gemein-
nützigkeit. Für das Rundum-sorglos-Auto
stand Koch mit einem geldwerten Vor -
teil von 803 Euro in der Liste. Monat für
Monat. Die mussten versteuert werden,
aber auch das war kein Problem: Selbst
die Steuern zahlte der Verband. Dafür
sind in der Rubrik »Steuerübernahme«
654,04 Euro eingetragen.
Wieso der gemeinnützige DFB die Steu-
ern übernimmt, warum in dieser Höhe,
bleibt ein Rätsel, das der Verband aufklä-
ren könnte. Doch elf Fragen zu den Dienst-
wagen-Usancen beantwortete er mit nur
zwei Sätzen: Das alles verstoße nicht ge-
gen die DFB-Regularien, und steuerlich
sei daran auch nichts auszusetzen. Ende
der Durchsage, Ende der Transparenz.
Es dauerte Wochen, bis Koch sich dann
doch noch in einem Gespräch erklärte.
Zunächst stellte er klar, dass er gar nicht
ehren-, sondern nebenamtlich im DFB
arbeite. Beim Kongress der Amateure in
Kassel hatte er dagegen von »unserem eh-
renamtlichen Engagement« gesprochen,
als gehörte er auch zu denen, die nur um
der Ehre willen dabei sind. Gerade so, wie
es wohl passt.
Dann las er aus der DFB-Vergütungs-
ordnung vor, wonach die Präsidiumsmit-
glieder Anspruch auf einen Dienstwagen
haben und ebenso auf Steuerersatz. Mehr
gebe es dazu im Grunde nicht zu sagen.
Alles legal, mit der Ausstattung des Wa-
gens habe er auch »nichts zu tun«. Dass
die Regularien des DFB nicht vom Him-
mel gefallen sind, sondern maßgeblich von
Mitgliedern des Präsidiums mitbestimmt
wurden, ließ Koch als Einwand abtropfen.
Das Gleiche beim Fliegen: Wer es als
Funktionär ins Präsidium schafft, darf auf
Verbandskosten in der Businessclass ab-
heben. Also fliegt Koch grundsätzlich vor-

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Sport

Hehre, leere Worte


DFB Großer Dienstwagen, teure Flüge: Interne Papiere zeigen, dass
Vizepräsident Rainer Koch vom alten Schlag ist. Kurz vor seiner erhofften
Wiederwahl gibt er sich als Reformer – ein durchsichtiges Manöver.

Fotos: Ullstein Bild, Action Press, Witters (2), AP, T&T, Getty Images, Picture Alliance

Beim Dienstwagen endet
die Transparenz des
DFB: elf Fragen, nur zwei
Sätze als Antwort.
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