Der Spiegel - 20.09.2019

(Barré) #1

ne mit, selbst auf Kurzstrecken im Inland.
Und kaum ein Funktionär fliegt so fleißig
wie Koch: Er ist Mitglied des HON Circle,
der höchsten Stufe im Meilenprogramm
der Lufthansa. Um es in diese Extraklasse
der Vielfliegerei zu schaffen, muss man
in zwei Kalenderjahren hintereinander
600 000 Meilen zusammenbekommen;
macht grob geschätzt 70-mal in der Busi-
nessclass von Frankfurt nach New York.
SPIEGEL-Fragen dazu ließ der DFB zu-
nächst unbeantwortet. Im Gespräch ver-
wies Koch dann wieder auf die DFB-Re-
gularien, die das erlauben, und dass er die
Zeit im Flieger zum Arbeiten nutze. Dafür
empfehle sich die Businessclass.
Noch delikater als der Luxus, den das
Amt im gemeinnützigen DFB so beschert,
ist aber die Tatsache, dass Koch noch eine
halbe Stelle am Oberlandesgericht Mün-
chen hat. Obwohl er Spitzenämter in drei
Verbänden besetzt. Obwohl er mit der


Nationalelf auf Reisen geht. Obwohl er, im
Präsidium zuständig für die Amateure,
DFB-Pokalspiele abklappert. Oder auch
mal nach Norwegen fliegt, um Trondheim
in der Champions-League-Quali der Uefa
spielen zu sehen. Wie schafft der Mann
das alles? Er dürfe eben als Richter jeder-
zeit und überall arbeiten, auch abends und
am Wochenende, lässt Koch dazu wissen.
Wer bei all den Fußballterminen im
Hauptberuf noch halbtags als Richter ar-
beiten kann, muss allerdings ein Meister
der Selbstorganisation sein – oder Bezie-
hungen und Gönner haben, die sein Wir-
ken beim DFB großzügig begleiten.
Diesen Verdacht nährt eine auf den ers-
ten Blick seltsame Volte im Zusammen-
hang mit Kochs halber Richterstelle. Die
DFB-Aufwandsentschädigung von 3600
Euro im Monat, die einem DFB-Vize zu-
steht, ließ sich der Funktionär freiwillig
auf 2550 Euro kürzen. Er tat das in Ab-

sprache mit seinen Vorgesetzten im Baye-
rischen Justizministerium, wie er DFB-Ge-
neralsekretär Friedrich Curtius Ende 2016
schriftlich mitteilte.
Als Grund nannte er verschwurbelt die
»der Höhe nach gegebene Begrenzung der
Nebentätigkeitsgenehmigung«. Im Klar-
text: Koch bekam vom DFB laut Liste oh-
nehin schon einen Verdienstausfall von
3474,46 Euro, weil er die volle Richterstel-
le aufgegeben hatte. Wenn er jetzt aber
noch zusätzlich 3600 Euro vom Verband
kassiert hätte, als Aufwandsentschädigung,
pauschal, ohne Nachweis von Kosten,
wäre die Nebentätigkeit nur schwer zu ge-
nehmigen gewesen. Schließlich hätte er
dann mit dem halben Job beim DFB etwa
so viel verdient wie auf einer ganzen Stelle
als Richter. Deshalb wurde die Entschä -
digung auf immer noch wohlwollende
3000 Euro gedeckelt – 2550 vom DFB,
450 Euro für einen anderen Nebenjob.
Der DFB sagt, die »Aufwandsentschädi-
gung und der Verdienstausfall« von Koch
seien »in keiner Weise zu beanstanden«.
Rückendeckung bekommt Koch vom
bayerischen Justizministerium. Auf die
Frage, wie viele Tage Koch jedes Jahr am
Oberlandesgericht München verhandelt,
heißt es: »Beim 4. Strafsenat, dem Herr
Dr. Koch im fraglichen Zeitraum angehör-
te«, seien »Sitzungstage nur sehr selten,
da es sich um einen Senat handelt, der
nahezu ausschließlich im Beschlusswege,
ohne mündliche Verhandlung entschei-
det«. Für Koch die perfekte Lösung. Er
sagt, er komme auf seine Dienststunden.
Für diesen »Beschlussweg« ist der Fuß-
ballfunktionär offenbar hoch qualifiziert.
Im Dezember 2017 wurde der Halbtags -
jurist zum Vorsitzenden Richter befördert.
Nun aber besinnt sich Koch anders. Wenn
er am Freitag als DFB-Vize wiederge -
wählt wird, will er sein Richteramt ruhen
lassen, ab dem 1. Januar. Etwa wegen der
SPIEGEL-Anfrage? Er habe keine Lust auf
die Diskussion, ob er DFB- und Richter-
amt ordentlich unter einen Hut bekomme,
gibt er zu. Ohnehin werde ihm bald aber
wohl die Zeit für die Justiz fehlen. Die ge-
plante DFB-Satzungsreform sieht vor, dass
Präsidiumsmitglieder bevorzugt hauptamt-
lich arbeiten sollen.
Außerdem winkt noch ein weiteres Amt.
Der designierte Präsident Keller will nicht
in die Gremien von Fifa und Uefa einzie-
hen. Dafür Koch, der sich um einen Sitz
im Uefa-Exekutivkomitee bewerben will.
Auch diese Aufgabe, so Koch, wäre zeitlich
nur zu schaffen, wenn er als Richter auf-
hörte. Und noch etwas ließe sich mit dem
Justizjob wohl nur schwer vereinbaren.
Der Uefa-Posten ist mit 160 000 Euro im
Jahr dotiert.
Jürgen Dahlkamp, Gunther Latsch,
Jörg Schmitt

DER SPIEGEL Nr. 39 / 21. 9. 2019 107


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DFB-Präsidiumsmitglied Koch: Meister der Selbstorganisation
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