Der Spiegel - 20.09.2019

(Barré) #1
hen Osten: Trump hat versprochen, die
endlosen Kriege seiner Vorgänger zu be-
enden. Gleichzeitig kündigte er das irani-
sche Nuklearabkommen, das doch die Re-
gion befrieden sollte. Er machte den Fal-
ken Pompeo zu seinem Außenminister
und festigte das Bündnis mit Irans Erzfeind
Saudi-Arabien, das nicht einmal dann brü-
chig wurde, als der Journalist Jamal Kha -
shoggi offenkundig auf Geheiß des saudi-

schen Kronprinzen in Istanbul ermordet
wurde. Zusammen mit Saudi-Arabien und
Israel will Trump die politische Landkarte
des Nahen Ostens neu entwerfen. Doch
er kann nicht Feldherr und Friedensstifter
zugleich sein.
Der Angriff gegen Saudi-Arabiens Öl-
anlagen fiel ausgerechnet in eine Zeit, in
der Donald Trump wieder einmal ohne
Nationalen Sicherheitsberater auskom-

men musste. Nur wenige Tage zuvor hatte
der US-Präsident den dritten Mann auf
diesem Posten seit Beginn seiner Amtszeit
gefeuert. John Bolton, der knurrige Hard-
liner mit Schnauzer, hatte nie einen Zwei-
fel daran gelassen, dass er das Regime in
Teheran am liebsten wegbomben würde.
In aufgeklärten Washingtoner Kreisen gilt
Bolton als schießwütiger Hitzkopf, aber
bei vielen Konservativen genießt er eine
geradezu mythische Verehrung.
Der neue Sicherheitsberater, John
O’Brien, der bisherige Chefverhandler für
Geiselnahmen, gilt zwar ebenfalls als
Hardliner, hat sich bei Trump aber einge-
schmeichelt, indem er ihn als »den größten
Geiselverhandler aller Zeiten« bezeichne-
te. Er dürfte sich in seiner Haltung zu Iran
wenig von Bolton unterscheiden.
Dass nun die Raffinerie in Saudi-Ara-
bien nur wenige Tage nach Boltons Raus-
wurf in Flammen aufging, interpretierten
Boltons Fans als Abschiedsgruß aus Tehe-
ran: »Donald Trump sollte sich bei John
Bolton entschuldigen, der immer wieder
davor gewarnt hat, dass Iran es sich zunut-
ze machen wird, wenn das Weiße Haus
Schwäche zeigt«, befand das »Wall Street
Journal«, das sonst immer in Treue fest zu
Trump hält.
In ihrer Not versucht die US-Regierung
erst einmal, eine Allianz gegen Iran zu
schmieden; der Kronprinz in Riad würde
natürlich mitmachen, die Israelis wohl
auch, vielleicht ein paar Europäer. »Der
Angriff auf die Raffinerie bietet Außen -
minister Pompeo die Chance, den Schul-
terschluss mit den Europäern zu suchen«,
sagt Peter Rough vom Hudson Institute,
einem konservativen Thinktank in Wa-
shington. In der kommenden Woche trifft
sich die Weltgemeinschaft zur Uno-Gene-
ralversammlung in New York. Bundes-
kanzlerin Angela Merkel wird erwartet,
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron,
auch der iranische Präsident Hassan
Rohani hat sich angesagt.
Seit Wochen wirbt Trump um ein Tref-
fen mit Rohani am Rande der Konferenz.
Rohani könnte noch mal gesprächsbereit
sein, doch in Wahrheit kann er so gut wie
nichts gegen den Willen von Ajatollah
Khamenei machen. Und die Iraner haben
unmissverständlich klargemacht, dass sie
nicht daran denken, sich mit Trump an


  1. September 2019


Luftangriffe auf Öl-
anlagen in Saudi-Arabien.
Obwohl sich die je-
menitischen Huthis
zu den Anschlägen
bekennen, beschuldigt
Washington Teheran.
Iran dementiert.


  1. Juli 2019


Iranische Revolutions-
wächter setzen einen
britisch beflaggten
Tanker fest. Zuvor
wurde ein Schiff mit
iranischem Rohöl vor
Gibraltar aufgegriffen.


  1. Juni 2019


Abschuss einer US-
Drohne durch iranische
Streitkräfte. Trump
stimmt einem
Vergeltungsangriff
zu, bläst die Aktion
aber zehn Minuten
vor Ausführung ab.


  1. Mai 2019


Iran erklärt den
teilweisen Ausstieg
aus dem Atom-
abkommen, sollte
es bis zum 7. Juli
keine Fortschritte
beim Abbau der
Sanktionen geben.


Mai / Juni 2019

Vier Handels-
schiffe und
zwei Tanker
werden im Golf
von Oman an-
gegriffen. Die
USA beschul-
digen Iran.


  1. Juli 2019


Iran kündigt
an, sich nicht
mehr an die im
Atomabkommen
festgelegte
Grenze zur Uran-
anreicherung
zu halten.


  1. August 2019


Teherans Außen-
minister fliegt nach
Biarritz, dem Tagungs-
ort der G 7. Der fran-
zösische Präsident
Macron versucht,
ein USA-Iran-Treffen
zu vermitteln.

DER SPIEGEL Nr. 39 / 21. 9. 2019 17

MOHAMMED HUWAIS / AFP

AHMAD AL-BASHA / AFP
Huthi-Kämpfer, unterernährtes Kind im Jemen: Krieg mit aller Brutalität
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