Der Spiegel - 20.09.2019

(Barré) #1

DER SPIEGEL Nr. 39 / 21. 9. 2019 49


präsentieren würde. Scholz, so analysier-
ten es die berufsmäßigen Strategen in der
Hauptstadt, brauche eine Frau, die seine
Schwächen wettmachen könnte, seine Un-
nahbarkeit, den Hang zur Besserwisserei,
die fehlende Leidenschaft im Auftritt.
Katarina Barley hätte solch eine Ergän-
zung sein können, doch die ehemalige
Justizministerin hatte sich aus privaten
Gründen bereits vorher aus dem Rennen
genommen. Allzu viele Frauen, die infrage
kamen, waren nicht mehr übrig.
Am Ende präsentierte er Geywitz, 43,
Politikwissenschaftlerin, Mutter dreier
Kinder und bis vor Kurzem direkt gewähl-
te Abgeordnete des Brandenburger Land-
tags. Doch bei der Wahl am 1. September
unterlag sie im Wahlkreis Potsdam I knapp
ihrer grünen Konkurrentin.
Für den Wahlkampf um den Parteivor-
sitz war das nicht gerade ein Schub. Was
mittlerweile allerdings schwerer wiegt:
Geywitz schafft es nicht, Scholz’ Schwä-
chen auszugleichen. Stattdessen wirkt es
manchmal, als verstärke sie diese noch.
Sie ist ihm zu ähnlich.


Geywitz sagt dazu: »Ich bin 43 Jahre alt
geworden, ohne ein einziges Mal in mei-
nem Leben mit Olaf Scholz verglichen wor-
den zu sein. Und plötzlich lese ich über
mich, ich sei quasi Frau Scholz. Das finde
ich etwas absurd.« Aber ist es das wirklich?
Dienstagabend, Berlin. Geywitz und
Scholz sind mit den anderen Bewerber -
duos zur zwölften Regionalkonferenz ins
Willy-Brandt-Haus gekommen, mehr als
tausend Genossen wollen die Kandidaten
sehen. »Die nächste Frage geht an Klara
und Ralf«, sagt die Moderatorin. Geywitz
nimmt sich das Mikro. »Der Ralf heißt in
dem Fall Olaf, aber das ist schon in Ord-
nung«, ruft sie. Lacher im Atrium. Immer-
hin. Gelungene Pointen liefert dieses Duo
eher selten. Selbst der als Griesgram ver-
schriene Ralf Stegner ist meist witziger.
Als Favoriten gelten die beiden trotz-
dem. Viele Genossen, vor allem die eher
passiven unter den knapp 430 000 Mit-
gliedern, dürften sich bei der Wahl auch
von der Frage leiten lassen, wen von den
Bewerbern sie kennen und wem sie zu-
trauen, auf Augenhöhe mit der Kanzlerin
zu verhandeln. Da ist ein Finanzminister
und Vizekanzler klar im Vorteil – und da-
mit auch Geywitz. Hinzu kommt, dass die
vielen linken Duos sich gegenseitig die
Stimmen klauen könnten. Scholz und Gey-
witz zählen zu den Pragmatikern.


Doch bislang läuft es nicht so rund.
Zwar ist nicht klar, welchen Einfluss die
Regionalkonferenzen haben, schließlich
nimmt nur ein Bruchteil der Parteimitglie-
der daran teil. Doch da es keine belast -
baren Umfragen gibt, sind die Auftritte
vor der Basis bislang der einzige Indikator
dafür, wo die Kandidaten stehen.
Geywitz und Scholz sind Profis, aber
weder sie noch er besitzt die Gabe, das
Publikum auch mal mitzureißen. Insofern
dürfte Geywitz’ Strategie, lieber über Wirt-
schaftskompetenz zu reden, auch mit einer
realistischen Selbsteinschätzung zu tun ha-
ben: Bierzelt kann sie ohnehin nicht.
Scholz und Geywitz füllen mühelos die
fünf Minuten, die alle Duos am Anfang
jeder Veranstaltung haben, um vorzustel-
len, wohin sie die SPD führen wollen. Aber
was genau sie auf der Bühne eigentlich ge-
sagt haben, ist meist gar nicht so einfach
zu erinnern. Ihre Auftritte rauschen durch.
Und sie liegen seltsam quer zu den Emo-
tionen und Sehnsüchten, die derzeit durch
weite Teile der Partei wabern.
Viele Genossen wünschen sich nach all
den Jahren der Kompromisse in der Re-
gierung wieder mehr Klarheit, Unverwech-
selbarkeit. Geywitz und Scholz hingegen
stehen für eine Politik des Machbaren. Tei-
le der Partei träumen von der Opposition,
die beiden schätzen das Regieren.
Wie ist ihr Verhältnis? Seit einiger Zeit
sitzen die beiden zusammen im Parteivor-
stand. Scholz’ Frau Britta Ernst ist Minis-
terin in Brandenburg und kennt Geywitz
gut. Geywitz und ihr Partner sollen sich
schon vor der Kandidatur privat mit
Scholz und seiner Frau getroffen haben.
Geywitz ist tief in der Brandenburger
SPD verankert. Sie studierte schon in Pots-
dam und war 15 Jahre lang Landtagsabge-
ordnete. In der Landes-SPD arbeitete sie
fast ein Jahrzehnt lang an führender Stelle,
fünf Jahre als stellvertretende Vorsitzende,
vier Jahre als Generalsekretärin.
Hört man sich in der Landespartei über
Geywitz um, kommt ein ambivalentes Bild
heraus. Die einen halten sie für eine weit-
sichtige Strategin, eine kluge Frau und, wie
es heißt, eine »echte Sozialdemokratin«.
Mit ihrem Einsatz für ein Paritätsgesetz
im Landtag habe sie ein Signal für die Stär-
kung von Frauenrechten gesetzt. In Bran-
denburg muss künftig die eine Hälfte der
Listenplätze an Frauen und die andere an
Männer vergeben werden.
Andere halten sie für eine kühle Macht-
politikerin, die in Seilschaften denkt und
ihr eigenes Fortkommen im Zweifel über
das Schicksal ihrer Partei stellt.
Was niemand behauptet, nicht einmal
die, die ihr Gutes wollen: dass Geywitz
eine große Menschenfängerin wäre.
Harald Sempf geht noch etwas weiter.
Der Schatzmeister der Brandenburger
SPD hat sich über manche Attribute ge-

»Klara Geywitz
fehlt die Fähigkeit
zur Nähe«,
sagt ein Parteifreund.

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