Der Spiegel - 20.09.2019

(Barré) #1
wundert, die zum Start ihrer Kandidatur
mit Geywitz in Verbindung gebracht wur-
den. »Diese Herzenswärme, die ihr zuge-
schrieben wird – woher die kommen soll,
ist mir ein Rätsel«, sagt Sempf. Geywitz
sei zwar »unbestritten ein politisches Ta-
lent«, sei klug und »eine nüchterne, klar
denkende Analytikerin, die witzig ist, intel-
lektuell, mehrere Fremdsprachen spricht«.
Aber, sagt Sempf: »Klara Geywitz fehlt die
Fähigkeit zur Nähe.« Also eine Schlüssel-
kompetenz für Politiker, die gerade in der
SPD derzeit gebraucht würde.
»Wenn ich irgendwo Minister wäre, wür-
de ich sie sofort zu meiner Staatssekretärin
machen, eine bessere könnte ich mir nicht
wünschen«, sagt Sempf. »Aber für die ers-
te Reihe der Partei, und dann noch im Duo
mit Olaf Scholz, ist sie nicht die Richtige.«
Die SPD brauche nun Politiker mit Wärme.
»Aber Klara Geywitz könnte von der zwi-
schenmenschlichen Wärme her auch eine
10 000er-Geflügelfarm leiten.«
Was ihr außerdem fehle: »Sie hat in der
Personalentwicklung bei uns nichts geleis-
tet. Andere Leute sind gar nicht erst hoch-
gekommen. Da klafft jetzt ein richtiges
Loch.« Sempfs Fazit: »Ich kann diese Be-
werbung bei aller Wertschätzung für sie
nicht unterstützen.« Gesine Schwan etwa
gefalle ihm besser, auch die sächsische In-
tegrationsministerin Petra Köpping, die
mit dem niedersächsischen Innenminister
Boris Pistorius antritt.
Die Härte und Brutalität mancher Ur-
teile dürfte auch mit Geywitz’ Abgang als
Generalsekretärin der Landes-SPD zu tun
haben. Vor knapp zwei Jahren schmiss sie
den Job, sie hatte sich mit dem Minister-
präsidenten und SPD-Landeschef Dietmar
Woidke in der Debatte um eine Kreisge-
bietsreform überworfen. Woidke wollte
damit die landeseigene Verwaltung moder-
nisieren, doch die Kommunen rebellierten.
Woidke stampfte die Reformpläne ein,
Geywitz wollte die Kehrtwende nicht mit-
gehen. Ihre Gegner werfen ihr vor, mit ih-
rem Rücktritt dem Ministerpräsidenten ge-
schadet zu haben. Sie selbst sieht ihren
Schritt als Beleg für ihre Standhaftigkeit.
Allerdings ist Klara Geywitz durchaus
in der Lage zu lernen. In Berlin, zur Halb-
zeit der Regionalkonferenzen, redet sie
deutlich weniger über Wirtschaftskompe-
tenz, dafür mehr über Gleichberechtigung.
»Die Zeit der Hinterzimmermänner muss
definitiv vorbei sein«, ruft sie. Im Willy-
Brandt-Haus kommt das gut an.
Und sie sagt: »Damit die SPD wieder
stark wird, muss sich bei uns einiges ge-
waltig ändern.« Denn so, wie es jetzt sei,
»kann es nicht bleiben«.
Wieder gibt es Applaus. Wie Scholz den
Satz findet, lässt sich an seinem Gesicht
nicht ablesen. Er verzieht keine Miene.
Christoph Hickmann, Veit Medick

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Deutschland

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