Der Spiegel - 20.09.2019

(Barré) #1
SPIEGEL:Herr Herrmann, Sie sind jetzt
71 und der dienstälteste Hochschulpräsi-
dent Deutschlands, Ende September gehen
Sie nach einem knappen Vierteljahrhun-
dert in den Ruhestand. Sind Sie wehmütig?
Herrmann:Ich gehe mit einem großen
Glücksgefühl, weil wir als Universität im-
mer erfolgreicher und zu einer internatio-
nalen Marke geworden sind. Die TU Mün-
chen ist nicht mehr die Ingenieursschule
von einst. Wir haben eine Fakultät für
Wirtschaftswissenschaften, haben die Le-
benswissenschaften völlig neu aufgestellt,
sind zum dritten Mal Exzellenzuniversität
geworden. Deswegen bin ich sehr zufrie-
den mit dem Erreichten. Es ist auch vieles
nicht gelungen – darüber denke ich aber
seltener nach.
SPIEGEL:Sie gelten als der Sonnenkönig
unter den Unipräsidenten. Wie viel Macht
haben Sie angesammelt?
Herrmann:Was heißt Macht? Macht ha-
ben Sie nur, wenn Sie mit den Menschen
in einer Universität auf den unterschied-
lichsten Ebenen harmonieren. Ich habe
auch Meinungen vorgegeben. Aber letzt-
lich habe ich versucht, die Leute mit
Argumenten zu überzeugen. Wenn es
Zweifel gab, habe ich gesagt: »Lasst es uns
ausprobieren, wenn es nicht funktioniert,
machen wir es wieder rückgängig.« Das
war selten notwendig.
SPIEGEL:Zählt an Hochschulen wirklich
nur die Kompetenz?
Herrmann:Ja, die fachliche, aber auch
die pädagogische und soziale Kompetenz.
Wir müssen darauf achten, dass bei Be -
rufungsverfahren alle drei Qualitäten
beachtet werden. Vielfach fehlt die Inter-
disziplinarität. In Zukunft wird die TU
München Berufungskommissionen mit
Vor sitzenden aus einer anderen Fakultät
besetzen, um die kritische Distanz zu
sichern. Man muss nach dem Headhun-
ting-Prinzip versuchen, die besten Kandi-
datinnen und Kandidaten für eine Position
zu bekommen, auch wenn die sich ur-
sprünglich gar nicht beworben haben.
Damit muss sich aber jetzt mein Nach-


  • Vor einem Siebdruck des bayerischen Königs Ludwig II.


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Deutschland

»Im Zweifel habe ich gesagt:


Lasst es uns probieren«


HochschulenWolfgang Herrmann ist ein Universitätspräsident der Superlative:
Keiner war länger im Amt, keiner hat mehr Spenden und

Exzellenzsiegel eingesammelt als der Chef der TU München. Wie hat er das gemacht?


PETER SCHINZLER / DER SPIEGEL
Scheidender Hochschulpräsident Herrmann*: »Die Spitzenforscher nehmen wir gern«
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