Der Spiegel - 20.09.2019

(Barré) #1
83

Wirtschaft

E


s sei das wohl beste Smartphone der
Welt, das Huawei-Manager Richard
Yu am Donnerstag in Halle A6 der
Münchner Messe präsentierte, da sind sich
die Fachleute rasch einig. Ein Supergerät
mit schnellem Prozessor und einzigarti-
gem Bildschirm, mit hoch auflösenden
Spitzenkameras, kürzeren Ladezeiten und
einem eleganten Gehäuse. Es müsste,
wenn die Zeiten normal wären für Huawei,
ein Verkaufsschlager werden.
Doch dazu wird es wohl nicht kommen,
und das ist für den chinesischen Konzern
und für Yu, den Chef der Konsumenten -
sparte, ein fast tragischer Moment. Ausge-
rechnet in dem Augenblick, in dem Hua-
wei die Konkurrenz technologisch in den
Schatten stellen könnte, wird sein neues
Hightech-Highlight wohl zum Ladenhüter.
Da mag Yu in seinem etwas schwer ver-
ständlichen Englisch noch so sehr über den
Konkurrenten Apple lästern, da mag in
dem Mate 30 Pro genannten Gerät noch
so tolle Hardware verbaut sein: Das Pro-
blem liegt in der Software. Ihr fehlt etwas,
nämlich die beliebtesten vorinstallierten
Google-Dienste, darunter der Play Store
und damit die meisten Apps, die Nutzer


von anderen Handys gewohnt sind. Ohne
sie dürfte das Telefon in Europa schwer ver-
käuflich sein. Damit wird das Superding für
viele Nutzer superuninteressant.
Google musste auf Vorgabe der US-Re-
gierung die Zusammenarbeit mit Huawei
einstellen. So kann Yu zwar verkünden,
was das Smartphone kostet – je nach Mo-
dell zwischen knapp 800 und fast 2100
Euro –, er nennt aber keinen Termin,
zu dem die Geräte in Europa und Deutsch-
land erhältlich sein werden. Dabei hatte
Huawei-Europachef Walter Ji noch kurz
vor der Präsentation getönt: »Europa ist
für Huawei der strategisch wichtigste
Markt.« Der Konzern ist nach Samsung
der zweitgrößte Handy -
hersteller und zudem der
größte Netzwerkausrüster
der Welt – und steckt in der
tiefsten Krise seiner Ge-
schichte. Das Problem ist
»dieser Politiker«, wie Yu
ihn gegenüber dem SPIE-
GELnennt. Gemeint ist Do-
nald Trump.
Mitte Mai hatte die
Trump-Administration Hua -
wei auf eine Liste von Un-
ternehmen gesetzt, die un-
ter US-Bann stehen. Die
USA verdächtigen Huawei
schon lange, Wirtschaftsspionage zu be-
treiben – etwa indem es versteckte Hin-
tertüren in seine Netzwerkhardware ein-
baut. Durch sie könnten sich Regierungs-
hacker in die Systeme einloggen. Beweise
für die Existenz solch versteckter Ein -
gänge wurden bislang allerdings nicht
vor gelegt.
»Das ist verrückt. So etwas würden wir
nie tun«, schimpfte Yu kürzlich. »Für diese
Vorwürfe gibt es keine Beweise. Das ist so,

als würde ich Sie grundlos als Verbrecher
bezeichnen. Das ist furchtbar.«
Wenige Tage nachdem US-Wirtschafts-
minister Wilbur Ross die Sanktionen ver-
kündet hatte, kündigte Googles Mutter-
konzern Alphabet an, sich an die neuen
Vorgaben zu halten, die US-Unternehmen
eine Zusammenarbeit mit Huawei verbie-
ten. Man habe keine andere Wahl, hieß es
zerknirscht in Mountain View, als die Zu-
sammenarbeit mit Huawei einzustellen.
Dass die Chinesen ein eigenes Betriebs-
system namens HarmonyOS haben, hilft
ihnen wenig. Es läuft bislang nur auf einem
Fernseher. Vor allem aber gilt es außerhalb
Asiens als chancenlos gegen das den Markt
dominierende Android. Zu -
dem musste Huawei sein
neues Luxussmartphone
mit einem eigenen App-
Store präsentieren. Doch
das Angebot ist dem Play
Store weit unterlegen,
Huawei bietet, nach eige-
nen Angaben, gerade mal
11 000 Apps – bei Google
sind es Millionen.
Der Bann der Amerika-
ner ist allerdings nicht nur
für den Konzern aus China
schmerzhaft: Mit Huawei
verliert Google einen sei-
ner größten Kunden in diesem Sektor. Die
Chinesen verkaufen Jahr für Jahr zig Mil-
lionen Smartphones, auf denen Software
vorin stalliert ist. Wenn auf diesen Geräten
keine Google-Programme mehr laufen, ver-
liert der amerikanische Internetkonzern
den Zugang zu Millionen Nutzern. Und er
verzichtet auf Einnahmen aus Werbung,
die die sonst in der Google-Suche oder auf
YouTube sehen würden. Zudem kommt
Google ein Partner abhanden, der das Be-
triebssystem Android nicht nur nutzt, son-
dern auch an dessen Weiterentwicklung
beteiligt ist. Kein anderes Unternehmen
außer Google trage so viel zu Android bei,
wie Huawei, sagt Yu. »Die neue Gesten-
steuerung in Android 10 beispielsweise
stammt von uns. Das ist Huawei-Technolo-
gie. Aber ›dieser Politiker‹ weiß das nicht.«
Dass der Fall in den USA nur maßvolles
Interesse bei den Verbrauchern weckt, hat
einen einfachen Grund: Zwar spielt Hua-
wei dort eine wichtige Rolle als Ausrüster
von Mobilfunkanbietern, als Smartphone -
hersteller sind die Chinesen auf dem US-
Markt aber nicht präsent.
Wenn Technikportale dort über neue
Huawei-Geräte berichten, dann mit Zeilen
wie: »Das beste Smartphone, das Sie nicht
kaufen können.« Eine Produktbeschrei-
bung, die – was das aktuelle Topmodell
angeht – nun vorerst auch für Deutschland
gilt. Matthias Kremp
Mail: [email protected]

Super, aber


chancenlos


UnternehmenDer chinesische
Technologiekonzern Huawei hat
ein Smartphone entwickelt, das
manche für das beste der Welt
halten. Doch das hilft ihm nichts.

CHRISTOF STACHE / AFP
Huawei-Manager Yu bei Präsentation in München: Ein fast tragischer Moment

Quelle: IDC * bei Neuauslieferungen

Smartphone-
Betriebssysteme
Marktanteile weltweit*, 2019

86,7%

Android

13,3%

iOS
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