Süddeutsche Zeitung - 20.09.2019

(Barré) #1
Brennende Zweifel
Österreichwill das EU-Abkommen
mit Südamerika blockieren –
und ist damit nicht allein 19

Paradiesder anderen
Bermuda ist das Ziel vieler
Steuervermeider. Doch auf
der Insel herrscht Armut 20

Reden wirüber Geld
Kilian Kleinschmidt war Leiter eines
Flüchtlingslagers – und zweifelt
an der Entwicklungshilfe 26

Aktien, Devisen und Rohstoffe 24,

www.sz.de/wirtschaft

Stuttgart– Ob Auto, Fernsehturm oder Sei-
fenblasenmischung im blauen Röhrchen:
Die Welt hat dem schwäbischem Erfinder-
geist viel zu verdanken. Das ist in der Welt
zwar schon einigermaßen bekannt. Doch
gerade im arabischen Raum sieht Baden-
Württembergs Wirtschaft noch Luft nach
oben, was die Werbung in eigener Sache an-
geht. Bei der nächsten großen Weltausstel-
lung, die im Oktober 2020 in Dubai be-
ginnt, werden sich Baden-Württemberg
und seine Unternehmen deshalb erstmals
mit einem eigenen Pavillon präsentieren.
Man darf das durchaus als Coup bezeich-
nen: Deutschlands drittgrößtes Bundes-
land ist die einzige Region, die neben den
192 angemeldeten Ländern einen eigenen
Platz auf dem Gelände bekommt.
Ohne Frage: Was Wirtschaftskraft und
Bevölkerungszahl angeht, kann es Baden-
Württemberg mit einigen vollwertigen
Staaten aufnehmen – es ist größer als Belgi-
en und hat mehr Einwohner als Griechen-
land oder Portugal. Dasselbe gilt aber auch
für Bayern oder Kalifornien. Und insbeson-
dere der amerikanische Sonnenstaat hat in-
novationsmäßig ja einiges zu bieten.
Tatsächlich habe sich Kalifornien ver-
geblich beworben, sagt Daniel Sander, Ge-
schäftsführer der Ingenieurkammer in Ba-
den-Württemberg, nicht ohne Stolz. Seine
Organisation war treibende Kraft hinter
dem „Haus Baden-Württemberg“ in Dubai
und ist mittlerweile einer von drei Part-
nern in der verantwortlichen Projektgesell-
schaft. Dass die Vereinigten Arabischen
Emirate als Gastgeber ausgerechnet die Be-
werbung aus Stuttgart erhört haben, er-
klärt Sander mit guten Kontakten heimi-
scher Unternehmer nach Dubai – vor al-
lem aber mit schwäbischer Beharrlichkeit.

Dabei ist die Idee eher als Behelfslösung
entstanden. 2015 waren einige Bauunter-
nehmer mit dem damaligen Finanz- und
Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) aus
Stuttgart auf die Arabische Halbinsel ge-
reist, um etwas für die Handelsbeziehun-
gen zu tun. Als sie in Dubai den Vorsitzen-
den des lokalen Expo-Komitees zum Ge-
spräch trafen, erkundigten sie sich nach
Aufträgen für die Weltausstellung –
schließlich investieren die Vereinigten Ara-
bischen Emirate etwa sieben Milliarden Eu-
ro in den Bau des Geländes. Doch da waren
die großen Planungen schon vergeben.

Baden-Württembergs Ausstellungs-
haus soll 13,3 Millionen Euro kosten und
ein Projekt „von der Wirtschaft für die Wirt-
schaft“ werden. Ursprünglich waren ledig-
lich für die landeskundliche Ausstellung öf-
fentliche Mittel vorgesehen – 2,8 Millio-
nen Euro. Ergebnis dieser Entstehungsge-
schichte ist ein eigenwilliges Konzept: Der
aus einem Holztragwerk und klimafreund-
lichen Materialien errichtete Pavillon soll
einerseits ein Ausweis schwäbischer Inge-
nieurskunst sein, andererseits eine Werbe-
plattform für die Sponsoren werden (gerne
aus der Automobilindustrie), und nicht zu-

letzt über Küche und Lebensart des Süd-
westens informieren.
Bis zu dieser Woche sah es so aus, als
würde der große Coup an der Finanzierung
scheitern, weil die Projektgesellschaft erst
eine Million Euro eingesammelt hat, wobei
Sander versichert, dass es für weitere
sechs Millionen mündliche Zusagen gebe.
Weil dringend Aufträge vergeben werden
mussten, damit es mit dem Spatenstich im
November klappt, hat sich die grün-
schwarze Koalition in Stuttgart jetzt bereit
erklärt, notfalls weitere drei Millionen Eu-
ro dazuzuschießen. claudia henzler

HEUTE


DEFGH Nr. 218, Freitag, 20. September 2019 HF3 17


von j. flottau, t. fromm,
f. obermaier und m. szymanski

Frankfurt/München– Wie die vertrauli-
chen Rüstungsdokumente auf die Schreib-
tische von Airbus-Mitarbeitern gelangen
konnten, ist zurzeit noch völlig unklar.
Klar ist dafür eines: Die Papiere, bei denen
es um zwei anstehende Beschaffungspro-
jekte der Bundeswehr geht, gehörten si-
cher nicht dorthin. Dass die Sache durch-
aus brisant ist, zeigt allein der Vorgang:
Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern
selbst hatte die Justiz und das Bundesver-
teidigungsministerium informiert. Man
fürchtete, es könnte sich hier um einen
rechtswidrigen Umgang von Mitarbeitern
mit Kundendokumenten handeln.
Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft
München I erklärte auf Anfrage, dass ge-
gen 17 Airbus-Mitarbeiter und mehrere
noch nicht namentlich bekannte Bundes-
wehrmitarbeiter wegen des Verrats von Ge-
schäfts- und Dienstgeheimnissen und des
Verdachts der Geheimnishehlerei ermit-
telt werde. Airbus hatte der Staatsanwalt-
schaft am Dienstag umfangreiche Doku-
mente – angeblich soll es sich um mehrere
Aktenordner gehandelt haben – überge-
ben. Sie enthielten eine interne Untersu-
chung des Konzerns.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft
gehe man nun „sehr eng abgestimmt mit
Airbus“ vor. Den Mitarbeitern des Kon-
zerns drohen im Falle einer Verurteilung
bis zu drei Jahre Haft. Auf Verrat von
Dienstgeheimnissen – und das wäre bei
der Bundeswehr der Fall – stehen bis zu

fünf Jahre. Wie es aus informierten Krei-
sen heißt, soll der Vorwurf der Korruption
nicht im Raum stehen, Geld sei angeblich
nicht geflossen. Und: Die besagten Doku-
mente sollen aus der internen Kategorie
„nur für den Dienstgebrauch“ stammen.
Das ist für die Einordnung des Falles wich-
tig. Wären sie aus der Kategorie „geheim“
oder „vertraulich“, wäre die Sache wohl an
den Staatsschutz gegangen. Airbus habe
das Verteidigungsministerium am Diens-
tag informiert, sagte Ministerin Annegret
Kramp-Karrenbauer (CDU). Seitdem lie-
fen „auch bei uns, laufen auch in der Bun-
deswehr die eigenen Ermittlungen.“
Und so alarmierte der Vorfall am Don-
nerstag auch das politische Berlin. Wenn
sensible Daten der Bundeswehr über Auf-
träge in der Industrie landen, könnte
schnell auch die Sicherheit des Landes tan-
giert sein. Der SPD-Politiker Wolfgang
Hellmich, Vorsitzender des Verteidigungs-
ausschusses, will den Vorgang auf die Ta-
gesordnung für die nächste Sitzung am
Mittwoch kommender Woche setzen. Die
bislang vorliegenden Informationen lie-
ßen noch keine Bewertung zu, sagte er der
Süddeutschen Zeitung. Deutliche Worte
richtete er an das Unternehmen: „Ich er-
warte von Airbus, dass dort alles unternom-
men wird, den Vorgang gründlich und um-
fänglich aufzuklären.“
Tobias Lindner, Verteidigungspolitiker
der Grünen, bezeichnete es als einen
„handfesten Skandal“, dass ein Rüstungs-
konzern in den Besitz von Dokumenten ge-
lange, die nicht einmal den Mitgliedern
des Verteidigungsausschusses zugänglich

seien. Mit den Details zu den Planungen
der Bundeswehr könne sich ein Unterneh-
men große Vorteile gegenüber Konkurren-
ten verschaffen. Aus Sicht des FDP-Politi-
kers Karsten Klein belaste der Vorfall „das
Vertrauensverhältnis zum Unternehmen“.
Dass Bundeswehr und Airbus in engem
Austausch stehen, liegt in der Natur der Sa-
che. Der Luft- und Raumfahrtkonzern ge-
hört zu den großen Industrielieferanten
der Bundeswehr und verkauft dort alles
von Kampf- und Transportflugzeugen bis
zum Hubschrauber. Was allerdings weni-
ger in der Natur der Sache liegt: Bereits im

Sommer 2018 sollen unbestätigten Anga-
ben zufolge bei Airbus Dokumente aufge-
fallen sein, die zu diesem Zeitpunkt gar
nicht im Besitz des Unternehmens hätten
sein dürfen. Es handelte sich dabei um Un-
terlagen zu noch nicht ausgeschriebenen
Aufträgen der Bundeswehr. Bei den Rüs-
tungsvorhaben soll es sich dem Verneh-
men nach um Kommunikationstechnik
handeln, unter anderem um die Satelliten-
kommunikation. Damit hält die Truppe
auch Kontakt zu den Soldaten in den Ein-
satzgebieten weltweit. 2009 und 2010 hat
die Bundeswehr zwei eigene Satelliten,
COMSATBw-1undCOMSATBw-2, in Be-
trieb genommen. Aber das System, an dem
Airbus beteiligt ist, ist in die Jahre gekom-
men, ein Nachfolger wird gesucht. Ferner

steht die Digitalisierung der Landstreit-
kräfte an, beginnend bei neuer Funktech-
nik. Nach Einschätzung eines Verteidi-
gungsexperten handelt es sich um milliar-
denschwere Schlüsselinvestitionen.
Dabei ist das Verhältnis der Bundes-
wehr zu Airbus ambivalent, die Zufrieden-
heit des Kunden ließ lange zu wünschen üb-
rig. Das TransportflugzeugA400Mhatte
Airbus jahrelang nicht in der versproche-
nen Zeit und Qualität liefern können. Erst
jetzt ist der Transporter dabei, sein Pan-
nenflieger-Image abzulegen.
Gleichzeitig ist der Markt für diese Pro-
dukte eng, und so leicht kommt man an
der Marktmacht von Airbus nicht vorbei.
Was politisch mitunter wohl auch gar nicht
gewünscht ist: Im europäischen Flugzeug-
bau spielt der Konzern eine Schlüsselrolle.
Mit Frankreich zusammen will Deutsch-
land das Kampfflugzeug der nächsten Ge-
neration für die Zeit nach 2040 entwi-
ckeln.
Airbus kann nun gar nicht anders, als
den Fall transparent aufzuklären. Denn
das Unternehmen muss fürchten, von wei-
teren Vergabeverfahren ausgeschlossen
zu werden, sollte es sich Vorteile verschafft
haben wollen. Dies käme zur Unzeit, denn
die Bundeswehr steht vor großen Investiti-
onen: Sie braucht neue Flieger, neue Hub-
schrauber, neue Funkgeräte. Zudem muss
die Truppe digitalisiert werden. Überfällig
ist die Entscheidung, welches Kampfflug-
zeug die Bundeswehr für die Tornado-
Nachfolge wählt. Airbus ist mit dem Euro-
fighter im Rennen. Das Ministerium prüft
aber auch den Kauf eines US-Jets.

Anfang August konnte Roland Busch, 54,
schon malerleben, wie es ist, in der allerers-
ten Reihe zu stehen. Siemens-Chef Joe Kae-
ser musste dringend nach Asien fliegen,
um mit wichtigen Kunden zu sprechen. So
war es an Busch und Finanzvorstand Ralf
Thomas, die Geschäftszahlen für das abge-
laufene Quartal zu präsentieren und kriti-
sche Fragen zu beantworten. Die Nachrich-
ten waren nicht gut: Siemens erwartet eine
Abschwächung. „Auch wenn wir uns gut be-
haupten konnten, wurde unsere Geschäfts-
entwicklung zum Teil erheblich beein-
trächtigt“, sagte Busch und berichtete
dann aber von einigen Innovationen, die
Siemens vorhat.
Schlechte Botschaften geschickt und
gut verpacken – das muss Busch künftig
möglicherweise öfter machen. Der Auf-
sichtsrat ernannte ihn gerade zum stellver-
tretenden Vorstandsvorsitzenden – und da-
mit zum aussichtsreichsten Kandidaten
als Kaeser-Nachfolger an der Spitze des
Konzerns. Allerdings für ein Siemens, das
dann deutlich kleiner ist. Denn derzeit
wird an einer Ausgliederung des gesamten
Energiegeschäfts gearbeitet. Das neue
Rumpf-Siemens, das Busch dann führen
könnte, hat allein 30 Prozent Umsatz weni-
ger – damit geht auch ein Teil der gesell-
schaftlichen und politischen Bedeutung
des Traditionsunternehmens verloren.
„Mit der Bestellung von Roland Busch zum
stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden
betonen wir die Bedeutung der industriel-
len Digitalisierung des Unternehmens für
die nächste Generation“, teilte der Vorsit-
zende des Aufsichtsrats, Jim Hagemann
Snabe, mit.
Der hochgewachsene Busch, der gerne
schon morgens früh ins Fitnessstudio
geht, stammt aus Erlangen – wie schon
Heinrich von Pierer, der den Konzern von
1992 bis 2005 führte. Man hört Busch
seine fränkische Heimat an, dort hat er
nach der Schule auch Physik studiert und


anschließend promoviert. Ein Ingenieur
an der Spitze von Siemens – das hat es seit
Karlheinz Kaske, dem Vorgänger Pierers,
nicht mehr gegeben. Busch ist dabei ein
echter Siemensianer, schon 1994 heuerte
er in den Forschungsabteilung an und
durchlief dann viele Positionen, war auch
zwei Jahre lang in Shanghai. 2011 wurde er
Vorstandsmitglied, unter anderem für
Technologie zuständig und seit einem Jahr
auch für das gesamte Tagesgeschäft. Es wa-
ren keine einfachen Jahre für ihn: So muss-
te Busch die großen Verzögerungen bei
ICE-Auslieferungen an die Deutsche Bahn
verantworten. „Wir haben die Komplexität
des Auftrags unterschätzt“, hatte er da-
mals offen eingeräumt. Auch die an den
Kartellbehörden gescheiterte Fusion der
Bahnsparte mit Alstom hatte er betreut.
Außerdem sitzt er im Aufsichtsrat von
Osram, die ehemalige Siemens-Tochter ist
gerade Ziel eines Übernahmekampfes.
Busch, der künftig auch für Personal zu-
ständig sein wird, ist intern durchaus be-
liebt und hat einen guten Ruf, er ist dafür
bekannt, dass er sich akribisch vorbereitet
und sich inhaltlich in Themen einarbeitet.
Aber der große öffentliche Auftritt liegt
ihm nicht so, auch politisch polarisierende
Äußerungen wie von Kaeser sind von ihm
nicht bekannt. Er steht vor allem auch für
die Wandlung von Siemens zu einem Tech-
nologie- und Softwareunternehmen. „Um
mit ihrer digitalen Transformation voran-
zukommen, müssen Unternehmen über
Technologien hinweg denken“, sagte er vor
Kurzem auf einer Konferenz. Und er be-
tont immer wieder: „In fünf bis zehn Jah-
ren wird es völlig autonome Fabriken ge-
ben.“ Davon soll Siemens profitieren.
Im Konzern heißt es, Busch müsse sich
erst beweisen, dann könnte er Anfang 2021
den Topjob übernehmen. Aber Joe Kaeser
hat noch nicht klargemacht, wann er über-
haupt geht. Eines will der in keinem Fall
sein: eine lahme Ente. caspar busse

von caspar dohmen

W


er sich einkleiden will, findet in
diesen Tagen ein T-Shirt für
9,90 Euro im Angebot eines gro-
ßen deutschen Modeunternehmens, wel-
ches als nachhaltig beworben wird. Wer
zugreift und dabei ein gutes Gewissen hat,
irrt jedoch gewaltig. Ein Blick in die Pro-
duktangaben zeigt zwar, dass Biobaum-
wolle verarbeitet worden ist, was zweifel-
los besser für die Umwelt ist als die kon-
ventionelle Baumwolle. Allerdings bedeu-
tet dies nicht, dass die Arbeiter fair ent-
lohnt worden wären.
Bei der Verarbeitung von Biobaumwol-
le mögen Mode- und Handelsfirmen gro-
ße Fortschritte gemacht haben, was vor al-
lem daran liegt, dass Verbraucher darauf
zunehmend Wert legen, aus Gründen des
Umweltschutzes oder des eigenen gesund-
heitlichen Wohlbefindens. Ziemlich egal
sind den meisten Unternehmen und vie-
len Verbrauchern in Deutschland jedoch
bis heute die sozialen Bedingungen bei
der Herstellung von Textilien. Und die
sind weiterhin oft mies, aller Nachhaltigs-
werbung zum Trotz.


Anders lassen sich die Ergebnisse einer
aktuellen Umfrage der „Kampagne für
saubere Kleidung“ nicht interpretieren:
45 von 47 befragten Unternehmen präsen-
tierten der von den christlichen Kirchen
und Gewerkschaften unterstützten Initia-
tive keinerlei Belege dafür, dass sie Nähe-
rinnen, Färbern, Spinnern oder Baumwoll-
bauern entlang der Lieferkette einen Exis-
tenzlohn zahlen. Dazu zählen Konzerne
wie Adidas, Amazon, C&A, Esprit, Gap,
H&M, Inditex (Zara), die Otto Group oder
Primark und Puma. Ein Existenzlohn
reicht für die grundlegenden Bedürfnisse
einer vierköpfigen Familie bei Nahrung,
Wohnen, Gesundheit und Bildung der Kin-
der. Helfen würde dieser Lohn vielen, in
der globalen Textilindustrie direkt arbei-
ten 75 Millionen Menschen und noch ein-
mal ähnlich viele bauen Baumwolle an
oder verarbeiten sie.
Ein Grund für die soziale Ignoranz liegt
auch in der Verschleierung der unregulier-
ten Warenströme. Seit den 1980er-Jahren
hat sich auch in der Textilindustrie ein Ge-
schäftsmodell durchgesetzt, bei der Fir-
men die Wertschöpfung ihrer Produkte in
unterschiedliche Schritte gliedern. Fast al-


le Modemarken konzentrierten sich heute
auf Design und Vermarktung von Mode –
das sind die lukrativsten Felder. Die Pro-
duktion haben sie mehr und mehr in Nied-
riglohnländer verlagert. Der Anteil der
dortigen Produzenten an der Wertschöp-
fung ist jedoch wesentlich geringer als der
ihrer Auftraggeber. Das liegt an den un-
gleichen Machtverhältnissen zwischen
beiden Akteursgruppen, die sich daraus
ergeben, dass einer kleinen Zahl großer
und bekannter Auftraggeber eine Vielzahl
namenloser Produzenten gegenüber-
steht.
Bestes Beispiel ist Bangladesch. Nach
dem tragischen Unglück von Rana Plaza
mit 1136 Toten hat sich die Situation bei Si-
cherheit und Feuerschutz in den 4000 für
den Export produzierenden Firmen deut-
lich verbessert, übrigens auch dank der
Hilfe von Modeunternehmen aus Europa.
Aber die Gewinnmargen dort sind trotz
besserer Fabriken weiter unter Druck,
und damit haben die Firmen auch nur ge-
ringe Spielräume für Lohnerhöhungen.
Dabei würden 50 Cent für ein T-Shirt
schon reichen.
Fragt man die Auftraggeber, also die
großen Modefirmen, warum sie dieses
Geld nicht direkt ihren Zulieferern zahlen,
kommt gewöhnlich der Einwand, das
ginge nicht, weil dort auch Konkurrenten
fertigten. Das ist richtig. Aber ein Unter-
nehmen, dass sich für Existenzlöhne aus-
spricht, müsste diesen Wettbewerbsnach-
teil eben in Kauf nehmen. Überhaupt müs-
sen Unternehmen ein Stück der grenzenlo-
sen Flexibilität aufgeben, die sie in der
heutigen globalen Wirtschaft haben,
wenn sich für die Arbeiter etwas zum Bes-
seren verändern soll.
Viel wäre gewonnen, wenn sie etwa ihre
Zulieferer möglichst komplett auslasten
und einen fixen Betrag für die Beschäftig-
ten je Kleidungsstück reservieren wür-
den. Aber dazu kommt es bislang kaum.
Selbst kleine Initiativen wie die des fairen
Handels, der eine Lieferkette mit Existenz-
löhnen aufbauen will, verkümmern man-
gels Nachfrage durch Unternehmen. Und
selbst die lobenswerte Initiative ACT, auf-
gesetzt von einigen Konzernen mit dem
Ziel, Branchentarifverhandlungen in den
Produktionsländern einzuführen und auf
diese Weise höhere Löhne zu erreichen,
kommt nicht vom Fleck, weil nicht genü-
gend Unternehmen mitmachen.
Aus heutiger Sicht spricht insofern al-
les dafür, dass die Politik handeln muss.
Sie muss dafür sorgen, dass die Beschäf-
tigten, die unsere Bekleidung herstellen,
von ihrer Arbeit leben können.

192 Länder, ein Ländle


Baden-Württemberg bekommt als einzige Region einen Pavillon auf der Expo in Dubai – und sticht Kalifornien aus


WIRTSCHAFT


Brisante Dokumente bei Airbus


Für den Luft- und Raumfahrtkonzern ist die Sache gefährlich: Mitarbeiter waren im Besitz vertraulicher Akten
der Bundeswehr – über Aufträge, die noch nicht ausgeschrieben waren. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft

Die Beziehungen zwischen dem Konzern und der Bundeswehr sind eng: Ein AirbusA400M Atlas, ein Transportflugzeug, steht auf dem Fliegerhorst Wunstorf. FOTO: GATEAU/DPA

NAHAUFNAHME


„In fünf
biszehn Jahren
wird es völlig
autonome Fabriken
geben.“
Roland Busch
FOTO: DPA

Ein Stück Baden-Württemberg in der Wüste: So könnte der Pavillon auf der Expo
in Dubai aussehen. FOTO: BADEN-WÜRTTEMBERG EXPO 2020 DUBAI GMBH/OH

Physiker aus Franken


Roland Busch hat gute Chancen, neuer Siemens-Chef zu werden


TEXTILINDUSTRIE

Leere Versprechen


Das Problem der Modeindustrie


sind ignoranteKunden und


die unübersichtliche Fertigung


Airbus muss den Fall nun schnell
aufklären, denn es stehen
große Geschäfte auf dem Spiel
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