Süddeutsche Zeitung - 20.09.2019

(Barré) #1
Pharmazie ist ein zulassungsbeschränkter
Studiengang. Die Stiftung für Hochschulzu-
lassung vergibt die Plätze. 20 Prozent gehen
an Bewerber mit der besten Abiturnote – im
Wintersemester 2019/2020 lag die erforderli-
che Durchschnittsnote zwischen 1,0 und 1,5.
Im Sommersemester ist sie etwas niedriger,
da es weniger Bewerber gibt. Weitere 20 Pro-
zent der Plätze gehen an diejenigen mit der

längsten Wartezeit, die übrigen 60 Prozent
vergeben die Hochschulen nach eigenen Kri-
terien. Dazu gehören beispielsweise das Er-
gebnis eines Auswahlgesprächs oder eines
fachspezifischen Tests.
Vom Sommersemester 2020 an wird das
Vergabeverfahren umgestellt. Dann soll die
sogenannte Abiturbestenquote von 20 Pro-
zent auf 30 Prozent erhöht werden. Jeder

zehnte Platz soll mittels einer Eignungsquote
vergeben werden, die zusätzlich eingeführt
wird. Diese Quote dient dem Ziel, Bewerbern
unabhängig von ihrer Abiturnote eine Chance
zu eröffnen. Die bisherige Möglichkeit, allein
über Wartesemester einen Studienplatz zu
bekommen, soll abgeschafft werden. Für Be-
werber, die noch auf Wartelisten stehen, sind
Übergangsregeln geplant. TTR

von theresa tröndle

D


er Weg in den Beruf des Apothekers
ist lang. Ein vierjähriges Pharmazie-
studium, ein praktisches Jahr und
drei Staatsexamen müssen junge Leute
wie Max Georgi hinter sich bringen, bis sie
die Approbation, die Berufserlaubnis für
Apotheker, beantragen können. Aber die
Mühen lohnen sich. Der Beruf des Apothe-
kers ist ein sogenannter Engpassberuf: Die
Zeiten, in denen Stellen unbesetzt bleiben,
sind überdurchschnittlich lang. Die Ar-
beitslosenquote im pharmazeutischen Be-
reich beträgt laut Bundesagentur für Ar-
beit 2,1 Prozent.
Angst, nach dem Studium keinen Job zu
finden, müssen Pharmaziestudenten –
2775 haben sich nach Angaben des Portals
Statista im Wintersemester 2017/2018 für
dieses Fach eingeschrieben – also nicht ha-
ben. 2014 begann Georgi sein Pharmazie-
studium an der Friedrich-Schiller-Univer-
sität Jena. Vom vierten Semester an enga-
gierte sich der 22-Jährige im Bundesver-
band der Pharmaziestudierenden in
Deutschland (BPhD); bis Ende des Som-
mersemesters war er dessen Präsident.
„Pharmazie ist ein anstrengendes und zeit-
intensives Studium. Vormittags sitzt man
im Hörsaal, nachmittags im Labor, an den
Wochenenden zu Hause am Schreibtisch“,
sagt er. Seine Entscheidung bereut er aber
nicht. „Es gibt nur wenige andere Studien-
gänge, die so interdisziplinär ausgerichtet
sind wie Pharmazie. Wir befassen uns mit
Chemie, Biologie und Physik, aber auch
mit Physiologie und Pharmakologie.“
Im Gegensatz zu anderen Studiengän-
gen ist das Pharmaziestudium durch die
Approbationsordnung für Apotheker
bundesweit einheitlich geregelt – es um-
fasst drei Abschnitte, die jeweils mit einem
Staatsexamen enden. Im zweijährigen
Grundstudium werden organische und an-
organische Chemie unterrichtet, Physik,
pharmazeutische Biologie und Grundla-
gen der Anatomie und Physiologie. Im
Fach Arzneiformenlehre beschäftigen sich
die Studenten mit der Zusammensetzung
von Cremes, Salben und Zäpfchen.
Nach dem ersten Staatsexamen vertie-
fen die angehenden Akademiker im Haupt-
studium ihre Kenntnisse in den fünf Kern-
fächern: pharmazeutische Biologie und


Chemie, pharmazeutische Technologie,
Pharmakologie und klinische Pharmazie.
Es folgen das zweite Staatsexamen, das
Praktische Jahr und das dritte Staatsex-
amen, nach dem die Absolventen ihre Apo-
thekerzulassung beantragen können.
„Das gesamte Studium ist sehr ver-
schult“, sagt Georgi, „das macht es zwar
einfach, wenn man direkt von der Schule
kommt, selbständig wird man dadurch
aber nicht.“ Das Wahlpflichtfach im Haupt-
studium ist neben Praktika die einzige
Wahlmöglichkeit, die Pharmaziestudieren-
de haben. Einzige Voraussetzung dafür:
Die gewählten Seminare und Übungen
müssen einen Umfang von 112 Unterrichts-
stunden und einen pharmazeutischen Be-
zug haben. An der Eberhard-Karls-Univer-
sität Tübingen kann man zum Beispiel ei-
nen Kurs zur Geschichte der Pharmazie
oder zu Pharmazie in Entwicklungszusam-
menarbeit und Katastrophenhilfe wählen.
Der BPhD, dem alle 22 Pharmazie-Fach-
schaften Deutschlands angehören, setzt
sich für mehr Wahlmöglichkeiten wäh-
rend des Studiums ein und möchte, dass
das Studium um ein Jahr verlängert wird.
Diesen Herbst beginnt Georgi sein Prak-
tisches Jahr. Sechs Monate davon wird er
in einer öffentlichen Apotheke arbeiten, so
ist es vorgeschrieben, die restliche Zeit

möchte er in der Industrie und einer Kran-
kenhausapotheke verbringen, um heraus-
zufinden, wohin es ihn nach dem Studium
zieht, denn die beruflichen Möglichkeiten
sind vielfältig. „Circa 80 Prozent der Absol-
venten arbeiten nach dem Studium in ei-
ner öffentlichen Apotheke“, sagt Tanja
Schirmeister, die das Institut für Pharma-
zie und Biochemie an der Johannes-Guten-
berg-Universität Mainz leitet. Gleichwohl
gefährden immer mehr Online-Apotheken
die Geschäfte am jeweiligen Ort. „Der Ver-
sandhandel von großen, meist ausländi-
schen Apotheken kann für die ein oder an-
dere Apotheke existenzvernichtend sein“,
sagt Christiane Eckert-Lill von der Bundes-
vereinigung Deutscher Apothekerverbän-
de (ABDA).
Gut 70 Prozent der Studierenden sind
Frauen. Vor allem sie entscheiden sich
nach dem Abschluss für die Tätigkeit in
einer öffentlichen Apotheke. Dort sind
Nacht- und Wochenenddienste sowie Teil-
zeitjobs möglich, die sich gut mit einer Fa-
milie vereinbaren lassen. Wer nach einer
längeren Pause beruflich wieder aktiv wer-
den möchte, kann an einem Wiederein-
stiegsprogramm teilnehmen, das viele Lan-
desapothekerkammern anbieten.
An der Johannes-Gutenberg-Universi-
tät Mainz können Studenten seit 2010 in

der universitären Trainingsapotheke
üben, ob es ihnen liegt, Kunden zu infor-
mieren und zu beraten. Sie schlüpfen ab-
wechselnd in die Rolle von Apotheker und
Patient und spielen verschiedene Situatio-
nen durch – ein Konzept, das es an deut-
schen Universitäten noch selten gibt. Eine
weitere Besonderheit in Mainz ist eine digi-
tale Lernplattform, die in den kommenden
zwei Jahren aufgebaut wird. Sie soll einen

Überblick über alle pharmazeutischen The-
menbereiche vermitteln. „Der Studien-
gang ist so vollgepackt, dass teilweise die
Zusammenhänge der fünf Kernfächer ver-
loren gehen“, erläutert Schirmeister. Ge-
meinsam mit Dozenten arbeiten kleine
Gruppen von zwei bis fünf Teilnehmern
ein Thema fächerübergreifend aus und
stellen die Ergebnisse Kommilitonen on-
line zur Verfügung.
Wer sich nach dem Studium als Apothe-
ker selbständig machen möchte, muss for-
mal gesehen nur über die Approbation und
eine Betriebserlaubnis verfügen. Eckert-
Lill rät jedoch dazu, sich vorab den Stand-

ort gut anzuschauen und sich Rat beim
Steuerberater einzuholen. Betriebswirt-
schaftliche Kenntnisse vermittelt unter
anderem die Wirtschaftsakademie Deut-
scher Apotheker (WDA) in der berufsbeglei-
tenden Weiterbildung zum Praktischen Be-
triebswirt für die Pharmazie. Während
drei Semestern geht es um kaufmänni-
schen Fragen sowie das Marketing und
Management von Apotheken. Mit einem
zusätzlichen Semester und einer Masterar-
beit kann man den MBA Health Care Ma-
nagement erwerben.
Neben dem Pharmaziestudium gibt es
weitere Wege, um im pharmazeutischen
Bereich tätig zu werden. Etwa mit einem
Abschluss in Pharmatechnik oder Pharma-
ceutical Sciences and Technology – Studi-
engänge, die im Gegensatz zum Pharmazie-
studium oft zulassungsfrei sind. Auch um
in einer Apotheke zu arbeiten, braucht es
nicht immer ein Pharmaziestudium. Zwei
Ausbildungswege führen ebenfalls dort-
hin. „Pharmazeutisch-technische Assisten-
ten (PTA) dürfen unter Aufsicht der Apothe-
kenleitung pharmazeutische Tätigkeiten
ausüben“, sagt Eckert-Lill von der ABDA.
Pharmazeutisch-kaufmännische Ange-
stellte (PKA) hingegen sind zwar ebenfalls
in Apotheken tätig, dürfen aber keine phar-
mazeutischen Tätigkeiten ausüben. Statt-
dessen kontrollieren sie das Warenlager,
überprüfen Medikamente auf ihr Verfalls-
datum, optimieren das Bestellwesen oder
kümmern sich um das Marketing.
Wer sich nach der mittleren Reife zu-
nächst für eine Ausbildung zum PTA, PKA,
Chemikant oder chemisch-technischen
Assistenten entscheidet, kann später ein
Pharmaziestudium anschließen, denn
bestimmte Berufsausbildungen qualifizie-
ren auch ohne Abitur oder Fachhochschul-
reife für das Studium. Die Voraussetzun-
gen variieren dabei von Hochschule zu
Hochschule. In Mainz werden Interessier-
ten in einem verpflichtenden Beratungsge-
spräch Fragen aus dem ersten Semester
gestellt. Das Testergebnis soll ihnen zei-
gen, wo sie stehen und ob das Pharmazie-
studium tatsächlich etwas für sie ist.
Pro Semester gibt es in Mainz bis zu drei
Plätze, auf die sich Interessierte bewerben
können. Die Bewerber ohne Abitur seien
meist extrem motiviert und diszipliniert,
sagt Schirmeister.

Stefan Laufer ist seit dem Jahr 2016
Präsident der Deutschen Pharmazeuti-
schen Gesellschaft (DPhG). Der Apothe-
ker und Professor für Pharmazeutische
Chemie lehrt an der Eberhard-Karls-Uni-
versität Tübingen.

SZ: Ist das Pharmaziestudium in sei-
ner verschulten Art noch zeitgemäß?
Stefan Laufer: Der Aufbau des Studiums
ist bundesweit einheitlich durch die Ap-
probationsordnung für Apotheker gere-
gelt. Die Studierenden sollen breit und
auf dem höchstmöglichen Niveau ausge-
bildet werden, damit man einen für alle
Bereiche gleichermaßen qualifizieren-
den Abschluss gewährleisten kann – von
der Tätigkeit in der öffentlichen Apothe-
ke bis zur Industrie. In acht Semestern
funktioniert das nur mit einem Mini-
mum an Wahlmöglichkeiten.

Warum wird die Regelstudienzeit
dann nicht erhöht?
In vielen anderen europäischen Ländern
dauert das Pharmaziestudium länger als
vier Jahre, in den USA sogar zwischen
sechs und sieben Jahre. Ich halte zehn Se-
mester für ideal. Das ist ohne zusätzliche
Gelder allerdings nicht machbar.

Welcher Voraussetzungen bedarf es?
Interessierte sollten bereit sein, das Ler-
nen zu lernen, weil in kurzer Zeit viel Wis-
sen gespeichert werden muss. Kaum ein
anderes Studium ist derart lernintensiv
wie das der Pharmazie. Es ist ein natur-
wissenschaftliches Studium, das Brü-
cken zur Anwendung der Arzneimittel in
der Medizin schlägt. Fehlende Kenntnis-
se in Chemie, Physik, Biologie und Ma-
thematik rächen sich im Studium.

Wo können Pharmazeuten arbeiten?
Sie können in Krankenhausapotheken
oder staatlichen Einrichtungen wie
Ministerien und Behörden bei der Erar-
beitung von Gesetzen mitwirken, bei
Prüfinstitutionen Arzneimittel analysie-
ren oder als Sanitätsoffizier bei der
Bundeswehr anfangen. Ein wichtiges Be-
schäftigungsfeld ist auch die pharmazeu-
tische Industrie – von der Entwicklung
über die Herstellung bis zur Zulassung
und Qualitätssicherung von Arzneimit-
teln. Ein großer Teil der Absolventen ent-
scheidet sich zwar nach wie vor für die

Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke


  • es werden jedoch Jahr für Jahr weni-
    ger, weil die Berufsfelder außerhalb der
    klassischen Apotheke stärker werden.
    Oftmals gibt es dort auch besser geregel-
    te Arbeitszeiten und mehr Gehalt.


Verdienen Apotheker so schlecht?
Das Gehalt ist unangemessen – vergli-
chen mit der Ausbildung. Angestellte
Apotheker werden tariflich bezahlt. Be-
rufsanfänger verdienen nach dem Bun-
desrahmentarifvertrag im ersten Berufs-
jahr 3463 Euro brutto, ab dem elften
4199 Euro brutto. Höhere Gehälter gibt
es in der Industrie. Die meisten Firmen
bezahlen ihre Angestellten nach den Ta-
rifen des Verbands angestellter Akademi-
ker und leitender Angestellter der Che-
mischen Industrie (VAA). Mit Promotion
sind es gut 77000 Euro brutto im Jahr.

interview: theresa tröndle

Neues Vergabeverfahren


SZ SPEZIAL – SCHULE, HOCHSCHULE UND WEITERBILDUNG


Kaumein Studium sei so lern-
intensiv wie das der Pharmazie,
sagt Stefan Laufer.FOTO: PRIVAT

Herr der Pillen


Wer Apotheker werden will, muss ein komplexes Studium absolvieren.


Aber auch weniger beschwerliche Wege führen zu Jobs im Pharmabereich


„Das Gehalt ist


unangemessen“


Apotheker verdienen weniger
als Pharmazeuten in Firmen

DEFGH Nr. 218, Freitag, 20. September 2019


LERNEN


Einige Ausbildungen öffnen
auchAspiranten ohne Abitur
die Tür zum Studium

Drei bestandene Staatsexamen sind erforderlich, um als Apothekerin oder Apotheker arbeiten zu dürfen. Mit die berühmteste Apotheke Deutschlands ist die Löwenapotheke in Neuruppin in Brandenburg. In dem
Hauswurde vor 200 Jahren Theodor Fontane geboren. Der Apothekerssohn hatte selbst in diesem Beruf gearbeitet, bevor er als Journalist und Romancier erfolgreich wurde. FOTO: KAI HORSTMANN / IMAGO


22-23


Zwei Sonderseiten
zum ThemaMBA &
Executive MBA

Tel: 089 - 384 054 - 0
http://www.glasmacher.de

ERFOLGREICHE
SCHULZEIT

Wir kennen über 200 Internate
in England persönlich. Mit uns fi nden
Sie genau das richtige für Ihr Kind.

Glückliche Kinder
sind unsere Mission.

Internate & Summer Schools in Großbritannien


http://www.stanford-ackel.com

Erfahren Sie m ehr über einen Aufenthalt an einem briPschen In ternat wä hrend der Schulzeit oder einen
Sprachkurs in den Ferien und lernen Sie die Aufnahmeleiter/-innen von ausgewählten Schulen persönlich ke nnen.

INFOABEND IN MÜNCHEN
Donnerstag, 26.09.2019 ab 19:00 Uhr
Widenmayerstr. 49, 80538 München

Isar-Realschule Huber-Realschule


Wirtschaftsschule München-Ost


Isar-Grundschule Isar-Mittelschule


Isar-Fachoberschule


Unsere Idee macht Schule - 'àS jeden Schüler die richtige Schule
http://www.schulverbund.de

SCHULVERBUND MÜNCHEN
Kohlstraße 5, 80469 München beim Isartor, Tel. 0 89/29 70 29 – 29 33 33

LERNEN - Schule, Hochschule und Weiterbildung

Erscheinungstermin: Freitag, 18. Oktober 2019 (Anzeigenschluss: Dienstag, 8. Oktober 2019)
Erscheinungstermin: Freitag, 8. November 2019 (Anzeigenschluss: Dienstag, 29. Oktober 2019)
Erscheinungstermin: Freitag, 6. Dezember 2019 (Anzeigenschluss: Dienstag, 26. November 2019)

Kontakt: [email protected], (+49 (89) 21 83-81 40 oder -90 72
Free download pdf