Süddeutsche Zeitung - 20.09.2019

(Barré) #1
Immenstadt– EineNacht hat Pfarrer Ul-
rich Gampert aus Immenstadt nun Zeit ge-
habt, sich von der Gerichtsverhandlung zu
erholen, die hinter ihm liegt. Er ist am Mitt-
wochabend ohne Verurteilung aus dem
Sonthofener Amtsgericht gegangen – wie
auch der junge Afghane Reza Jafari, dem
Gampert im Gemeindehaus der evange-
lisch-lutherischen Auferstehungskirche
14Monate lang Kirchenasyl gewährt hatte.
Dennoch, der 64-jährige Geistliche fragt
sich: War es wirklich richtig, dass er das An-
gebot des Gerichts angenommen hat, das
Verfahren „wegen geringer Schuld“ einzu-
stellen? Und das mit der Auflage, 3000 Eu-
ro an das Integrationsprojekt „Haus Inter-
national“ in Kempten zu zahlen. „Persön-
lich kann ich das akzeptieren“, sagte der
Pfarrer am Donnerstag, „aber nach wie vor
bin ich der Meinung, dass Kirchenasyl zu
gewähren keine strafbare Handlung ist.“
Und: Die zuvor angestrebte juristische
Grundsatzentscheidung ist ausgeblieben.
Das bedauert nicht nur Pastor Gampert.
„Als Landeskirche hätten wir gerne eine
grundsätzliche Klärung bekommen, ob die
Gewährung von Kirchenasyl Beihilfe zum
unerlaubten Aufenthalt ist“, sagt Oberkir-
chenrat Michael Martin. Aber die Sonthofe-
ner Amtsrichterin Brigitte Gramatte-Dres-
se hatte dezidiert klargestellt, dass es sich
um eine Einzelfallentscheidung handele.
„Das ist kein Grundsatzurteil“, hatte sie ge-
sagt und Gampert fast beschworen: „Ma-
chen wir es so? Okay, dann machen wir es
so.“ Später betonte sie aber auch: „Wenn
Sie erneut ein Kirchenasyl machen, dann
sitze ich wieder hier.“
Auszuschließen ist das nicht. Ulrich
Gampert sagte auch am Tag nach der Ver-
handlung: „Wenn die Situation wieder so
unausweichlich wäre wie in Rezas Fall,
wenn also Gefahr für Leib und Leben be-
stünde, dann würden der Kirchenvorstand


  • und damit auch ich als Mitglied – hoffent-
    lich wieder so entscheiden.“ Schließlich ge-
    he es darum, „die Bedrohung eines Men-
    schenlebens abzuwenden“.
    Gamperts Verteidiger, der Münchner
    Rechtsanwalt Franz Bethäuser, hätte indes
    lieber eine Grundsatzentscheidung erstrit-
    ten. Freilich sei er zufrieden, dass er den ge-
    gen seinen Mandanten verhängten Strafbe-
    fehl in Höhe von 4000 Euro habe abwen-
    den können. Aber Bethäusers Ziel war ein


eindeutiger Freispruch. Sein Mandant je-
doch habe auch das Wohl des jungen
Flüchtlings im Blick gehabt: „Wenn Pfar-
rer Gampert da nicht mitgemacht hätte,
weiß ich nicht, ob auch Reza Jafari straffrei
rausgegangen wäre.“
Wäre es nach Anwalt Bethäuser gegan-
gen, dann hätte vor Gericht nicht nur In-
nenminister Joachim Herrmann (CSU) als
Zeuge erscheinen müssen, sondern auch
der Chef des Bundesamtes für Migration
und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard
Sommer. Im Grunde handele es sich bei
der Vereinbarung des Bamf mit den Kir-
chen im Jahr 2015 um ein sehr diffuses
Übereinkommen, das durch die einseitig
vom Bamf erweiterte Fassung nicht besser
wurde. „Auf den ersten Blick“, so Bethäu-
ser, „ist es zwar nicht legal, jemandem zu
helfen, der illegal hier ist.“ Aber das sei ja
nur der erste Blick. „Die Frage ist doch, ob
ein Mensch illegal hier ist, wenn er sich in
die Obhut einer Kirche begibt.“ Und könne

es tatsächlich strafbar sein, wenn ein Geist-
licher einen Flüchtling beherbergt und ver-
köstigt – bei umgehender Information der
Behörden. „Ist das schon Beihilfe zum ille-
galen Aufenthalt?“, fragt Bethäuser.
Er ist nicht der einzige, der sich aufregt.
Im Unterstützerkreis von Kirchenasylen
ist der Unmut groß: „Auch dieses Verfah-
ren gegen Pfarrer Gampert hatte im Grun-
de nur einen Zweck – nämlich künftig Kir-
chenasyl zu verhindern“, sagte Hans-Gün-
ther Schramm, einer der Sprecher vom
Ökumenischen Kirchenasylnetz Bayern.
Stephan Theo Reichel, Kurator und Ge-
schäftsführer des Vereins „Matteo – Kir-
che und Asyl“, findet es wiederum skanda-
lös, dass die drohende „lebensbedrohende
Abschiebung“ des jungen Afghanen im Ver-
fahren nun gar keine Rolle spielte.
Auch auf politischer Ebene schlagen die
Wogen hoch. Gülseren Demirel, die asylpo-
litische Sprecherin der Landtagsgrünen,
sagte: „Dass die Staatsanwaltschaft nicht

Halt vor der Kirchentür macht, lässt mich
fassungslos zurück.“ Die Freien Wähler be-
grüßten „den weisen Beschluss“ des Sont-
hofener Gerichts. Auch Kirchen müssten
sich an die geltende Rechtslage halten,
„denn wir können nicht mit zweierlei Maß
messen – hier die Kirchen, dort der Rest
der Bevölkerung“. So sieht das zwar auch
die SPD-Abgeordnete Alexandra Hierse-
mann, aber es sei schon fragwürdig, wenn
sich Geistliche an die Vereinbarungen mit
dem Bamf hielten, und dann komme der
Staatsanwalt und kriminalisiere sie.
CSU-Generalsekretär Markus Blume,
zugleich Mitglied der evangelischen Lan-
dessynode, warnte: „Kirchenasyl kann nur
eine Ultima Ratio sein und muss auf be-
stimmte Einzelfälle gemäß der Vereinba-
rung zwischen den Kirchen und dem Bamf
beschränkt bleiben. Wer Kirchenasyl dar-
über hinaus ausweiten oder gar rechtlich
verankern möchte, gefährdet das Kirchen-
asyl als Ganzes.“ dietrich mittler

Feldkirchen– DerDruck auf den Präsiden-
ten des Bayerischen Jagdverbands (BJV)
und früheren CSU-Landtagsabgeordneten
Jürgen Vocke steigt weiter an. Angesichts
der massiven Vorwürfe wegen seines Fi-
nanzgebarens haben nun auch die Jungen
Jäger Bayern Vocke zum Rücktritt aufge-
fordert. „Ziehen Sie diese unschöne Diskus-
sion nicht unnötig in die Länge“, heißt es in
einem offenen Brief, den der Landesbeauf-
tragte der Jungen Jäger, Florian Mesz, un-
terzeichnet hat. „Bereiten Sie durch Ihren
Rücktritt den Weg für eine lückenlose Auf-
arbeitung sowie einen unbelasteten Neu-
start. Die 47000 Mitglieder des BJV, die Jä-
gerinnen und Jäger und letztendlich die
Jagd im bayerischen Freistaat verdienen ei-
ne Führung ohne Fehl und Tadel.“ Es gehe
„um die Zukunft des Verbands, um dessen
Glaubwürdigkeit wie auch um die Reputati-
on der Jagd an sich“. Die Jungen Jäger, de-
nen jedes BJV-Mitglied bis zum Alter von
ungefähr 35 Jahren angehört, zählen etwa
10000 Mitglieder.
Unterdessen liegt der Bericht des unab-
hängigen Wirtschaftsprüfers über die Ver-
bandsfinanzen im Jahr 2018 vor. Das Präsi-
dium hatte den Experten auf Forderung
der Schatzmeisterin Mechtild Michaela
Maurer eingeschaltet, als sie erste Hinwei-
se auf Unregelmäßigkeiten hatte. Das Ur-
teil des Wirtschaftsprüfers ist vernich-
tend. Er hat seinen Bericht mit einem soge-
nannten Versagungsvermerk versehen.
Der Fachbegriff besagt, dass es im Jahres-
abschluss 2018 zahlreiche Hinweise auf
gravierende Gesetzesverstöße bei der Ab-
wicklung der Verbandsfinanzen gibt – und
zwar in allen möglichen Bereichen. Wie
schwer die Vorwürfe des Wirtschaftsprü-
fers sind, kann man schon an zwei Formu-
lierungen in dem Anschreiben an das BJV-
Präsidium erkennen, das er seinem Be-
richt vorangestellt hat. „Ein Versagungs-
vermerk ist die äußerste Form der Kritik ei-
nes Wirtschaftsprüfers an dem zu prüfen-
den Abschluss“, heißt es in dem knapp
zweiseitigem Schreiben. Außerdem lägen
„ernstzunehmende Hinweise für vergleich-
bare Gesetzesverstöße auch für die Ge-
schäftsjahre vor und nach dem Berichts-
zeitraum 2018“ vor.
An den Vorwürfen selbst hat sich nichts
geändert, der Wirtschaftsprüfer hält sie al-
le aufrecht. Es geht um die knapp 5000 Eu-


ro Aufwandsentschädigung, die Vocke bis-
her pro Monat steuerfrei und ohne Sozial-
abgaben für sein Ehrenamt bezogen hat,
die Nutzung seines Dienstwagens, die Be-
schäftigung von Vockes Tochter bei einer
Tochtergesellschaft des Jagdverbands,
Spesenabrechnungen und dergleichen
mehr. Außerdem soll Vocke dem BJV regel-
mäßig private Kosten in Rechnung gestellt
haben, etwa für die Unterbringung seines
Dackels in einer Hundepension oder für sei-
ne Lieblingskekse. Es geht aber auch um
die Abwicklung des Druckauftrags für die
VerbandszeitschriftJagd in Bayern, der ein
Volumen von 450 000 Euro im Jahr hat.
Nach Überzeugung des Wirtschaftsprüfers
haben alle diese Unregelmäßigkeiten und
Gesetzesverstöße ein solches Gewicht,
dass die Gemeinnützigkeit des Jagdver-
bands gefährdet ist.

Für den Vorsitzenden des Memminger
Jagdvereins, Andreas Ruepp, ist der Be-
richt des Wirtschaftsprüfers eine Bestäti-
gung. Er gelangte schon früh zu der Über-
zeugung, dass die Vorwürfe so schwerwie-
gend sind, dass sie ein Fall für die Staatsan-
waltschaft sind. Deshalb zeigte Ruepp
Vocke wegen des Verdachts der Untreue
und Unterschlagung an. Seit dies im BJV
bekannt worden ist, ist Ruepp massiven in-
nerverbandlichen Angriffen ausgesetzt.
„Der Bericht des Wirtschaftsprüfers zeigt,
dass meine Anzeige richtig war und ist“,
sagt Ruepp. „Deshalb bleibe ich auch bei
meiner Forderung, dass Vocke vom BJV-
Vorsitz zurücktreten soll.“ Vocke selbst
wollte sich auf Nachfrage nicht mehr äu-
ßern. Noch in der vergangenen Woche hat-
te der 76-jährige Jurist, der das Amt des Jä-
gerpräsidenten inzwischen 25 Jahre inne-
hat, seinen Rücktritt nicht ausgeschlos-
sen, sollte es zu Versäumnissen gekom-
men sein. christian sebald

von dietrich mittler

W


ieder einmal sollte ein bayeri-
sches Gericht die Grundsatz-
frage klären, ob es für Geistli-
che strafbar ist, wenn sie Kirchenasyl
gewähren. Der Sonthofener Amtsrich-
terin war die Erleichterung anzuse-
hen, als sich der angeklagte Pfarrer
auf die von ihr vorgeschlagene Einstel-
lung des Verfahrens wegen geringer
Schuld einließ. Selbst das Oberlandes-
gericht München hatte es 2018 in sei-
ner Entscheidung zum Kirchenasyl
tunlichst vermieden, von einem
Grundsatzurteil zu sprechen.
Jedes Gericht könne „nur die gelten-
den Gesetze anwenden“, so hatte die
Sonthofener Richterin zu Recht argu-
mentiert. Es sei Sache der Politik, eine
Lösung zu schaffen, wie die Justiz mit
den Geistlichen umgehen soll. Heißt
im Umkehrschluss: Der Staat lässt die
Gerichte im Regen stehen. Um den Un-

mut der Kirchen im Zaum zu halten,
gab der frühere Ministerpräsident
Horst Seehofer – nun Bundesinnenmi-
nister – zwar gerne unverbindliche
Statements ab. Mal sagte er Pfarrern
seine Unterstützung beim Kirchen-
asyl zu, mal äußerte er als Christ Re-
spekt vor der „Tradition des Kirchen-
asyls“. Wirklicher Schutz für die Geist-
lichen? Fehlanzeige. Dabei trugen die
vielfach dazu bei, dass das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge falsche
Bescheide korrigierte.
Stattdessen lautet bei den Regieren-
den die Devise: wegducken. Die Zusi-
cherung von Innenminister Joachim
Herrmann, kein Kirchenasyl mehr
durch polizeilichen Zwang zu been-
den, ist durch keine schriftliche Anwei-
sung belegt – zumindest hat die noch
kein Amtsgericht gesehen. Politischer
Mut sieht anders aus. Der ist derzeit
nur bei Pfarrern wie Ulrich Gampert
aus Immenstadt zu beobachten.

München – Das Wahlkampfplakat der
NPD mit dem Spruch „Geld für die Oma
statt für Sinti und Roma“ ist keine Volksver-
hetzung. Das hat das Verwaltungsgericht
München am Donnerstag entschieden.
Der Richter erklärte, die Darstellung habe
zwar einen diskriminierenden Charakter,
überschreite aber nicht die Grenze zur
Strafbarkeit. Im Prozess hatte der Zentral-
rat Deutscher Sinti und Roma gegen die
Stadt Ingolstadt geklagt.
Während des Bundestagswahlkampfs
2017 hatte der Verband die Stadtverwal-
tung aufgefordert, die dortigen NPD-Plaka-
te mit dem Spruch zu entfernen. Die Kom-
mune sah dafür keine Rechtsgrundlage
und verwies auf die Meinungsfreiheit. Be-
reits 2017 scheiterte der Zentralrat mit ei-
nem Eilverfahren. Diese Entscheidung be-
stätigte das Gericht nun.
Zur Verhandlung erschienen weder Ver-
treter des Zentralrats noch der NPD. Der
Rechtsdirektor der Stadt Ingolstadt beton-
te im Verfahren, es handele sich bei der
Wahlwerbung um eine „geschmacklose
Darstellung“. „Wir hätten das Plakat gerne
runtergeholt, aber wir durften nicht.“ So-
lange der Inhalt nicht strafbar sei, hätten
die Kommunen wenig bis gar keinen Hand-
lungsspielraum, befand auch das Gericht.
Es bräuchte eine Gesetzesänderung, damit
man Plakate wie das der NPD verbieten
könne, sagte der Richter am Ende der Ver-
handlung. dpa


KOMMENTAR

Der politische Mut fehlt


von matthias köpf

Kiefersfelden– Das,was heute „eine Land-
mark“ genannt wird, hatten sie in Kiefers-
felden früher auch schon. Der rauchende
Kamin des Zementwerks überragte jahr-
zehntelang den Ort im Inntal direkt an der
Grenze zu Tirol. Doch nachdem diese Gren-
ze mit der europäischen Einigung an Be-
deutung verloren hatte, ging es mit der ört-
lichen Wirtschaft bergab. Nicht nur die
Zöllner zogen ab, sondern auch die Logis-
tikfirmen. Die Marmor- und die Zement-
werke mussten schließen, der Kamin ist
längst gesprengt. 1000 Arbeitsplätze habe
der Ort seither verloren, sagt Bürgermeis-
ter Hajo Gruber. Nicht dass es eine nen-
nenswerte Arbeitslosenquote gäbe, und
der Freizeitwert der Gegend ist so hoch wie
der Wilde Kaiser gleich nebenan. Aber ein
reines Schlafdorf an der Autobahn wollte
Kiefersfelden auf keinen Fall werden. Statt-
dessen soll es nun wirtschaftlich wieder
bergauf gehen, und eine neue „Landmark“
entsteht dabei auch: Die Bergsport-Firma
Dynafit wird direkt an der Inntalautobahn
einen Hauptsitz bauen, der für sie selbst
und den Ort ein starkes Zeichen setzt.
Vorbild ist der oft als Kristall beschriebe-
ne Sitz, den die Oberalp-Gruppe 2011 bei
Bozen für ihre Outdoor-Marke Salewa ge-
baut hat – „eine Landmark“ eben, so nennt
Heiner Oberrauch auch dieses Gebäude.
„Wenn du auf der Autobahn vorbeifährst,
dann weiß du: In einer Stunde bist du am
Gardasee, in zwei Stunden bist du am
Meer.“ Nicht nur die Mitarbeiter identifi-
zierten sich mit dem Haus, sondern auch
die Menschen in der Region. Das Gebäude
stehe für das Unternehmen und für die
Stadt. „Mein Wunsch ist, dass das Gleiche
wie in Bozen auch in Kiefersfelden pas-
siert“, sagt der Oberalp-Chef Oberrauch.
Die Firmengruppe seiner Familie hat 1990
Salewa und 2003 auch Dynafit übernom-
men und baut diese Marke seither vom Spe-
zialisten für Skischuhe und Bindungen

zum Ganzjahresausstatter für tempoorien-
tierte Outdoor-Sportler um. „Eine Marke
braucht eine Heimat“, sagt Oberrauch, und
diese Heimat soll wohl von 2022 an nicht
mehr das gewerbegraue Aschheim im Os-
ten Münchens sein, sondern die neue, im
besten Fall rund 20 Millionen Euro teure
Landmark in Kiefersfelden, dem „Tor zu
den Bergen“. Auch die rund 100 Mitarbei-
ter in Aschheim, alles bergsportbegeister-
te Leute, hätten nach der Umzugsankündi-
gung „tosenden Applaus“ gespendet.
Das, was in einigen Jahren bei der Fahrt
durchs Inntal kaum mehr zu übersehen
sein wird, ist das Ergebnis eines Architek-
tenwettbewerbs, zu dem Oberalp neun in-
ternational renommierte Büros eingela-

den hatte. Als Sieger ging ein Entwurf des
Büros Barozzi Veiga aus Barcelona hervor.
Die bei anspruchsvollen Bauherren gerade
sehr gefragten Fabrizio Barozzi und Alber-
to Veiga haben in den vergangenen Jahren
eine große Zahl von Museen, Hochschulen,
Theatern, Instituten und Konzerthallen ge-
baut und dafür etliche Preise erhalten, dar-
unter 2015 den Mies-van-der-Rohe-Preis
der EU für die neue Philharmonie in Stet-
tin mit ihrem spitzzackigen Dach.

Für Kiefersfelden setzen sie auf klare
Formen und Kanten: Zwei aufgestellte, ein-
ander zugewandte und leicht ineinander
verschränkte Dreiecke mit einer transpa-
rent wirkenden Außenhaut sollen immer-
hin 30 Meter aufragen – wenig im Ver-
gleich zu den Bergen rundum, aber deut-
lich höher als die benachbarten Bauten, an
denen zum Teil schon gearbeitet wird.
Denn die Dynafit-Zentrale wird das
zwar augenfälligste Gebäude, aber sie wird
nicht die größte Fläche einnehmen in dem
sieben Hektar großen Gewerbegebiet, dass
die Gemeinde ausgewiesen hat. So wird
dort die Unterberger-Gruppe aus Tirol ihr
„Kaiserreich Kiefersfelden“ bauen, unter
anderem ein Hotel mit 200 Betten auf sie-
ben Etagen und eine „Genusswelt“ mit Lä-
den und Restaurants sowie ein Schnellres-
taurant und eine Tankstelle für die Auto-
bahn-Kundschaft. Auch in der Dynafit-
Zentrale soll es ein Restaurant, einen Ver-
anstaltungssaal und andere öffentliche Flä-
chen geben, darunter zwar keine riesige
Kletterhalle wie in Bozen, aber wohl eine
Boulder-Zone zum Querklettern.
Der Bürgermeister ist nicht nur von der
Außenwirkung des Projekts überzeugt,
sondern rechnet auch mit einer großen Bin-
nenwirkung in Kiefersfelden: „Das wird
uns gut tun und wieder Leben ins Dorf brin-
gen“, sagt Hajo Gruber. Nur was den Ver-
kehr betrifft, ist ihm in Kiefersfelden sogar
deutlich zu viel los, aber auch da hat Gru-
ber Hoffnung: In Österreich sind bald Nati-
onalratswahlen, und beim Wahlkampf drü-
ben in Kufstein haben Tirols Landeshaupt-
mann Platter und Ex-Kanzler Kurz öffent-
lich zugesagt, von der Grenze bis Kufstein
Süd die bis vor ein paar Jahren gültige Aus-
nahme von der Autobahnmaut wieder ein-
zuführen, damit sich die Mautvermeider
am Weg in die Skigebiete nicht mehr durch
Kiefersfelden und Kufstein quälen. Gegen
die Staus in der anderen Richtung hätte
Gruber gerne eine dritte Spur für die Grenz-
kontrollen, wie sie gerade bei Salzburg ge-
baut worden ist. Der scheidende bayeri-
sche Verkehrsminister Hans Reichhart ha-
be ihm dafür ein Raumordnungsverfahren
in Aussicht gestellt, über das Kiefersfelden
dann sogar den lange ersehnten Lärm-
schutz zur Autobahn hin erhalten könnte.

Regensburg– Fürden gewaltsamen Tod
seiner Eltern und seiner Schwester muss
ein 41 Jahre alter Mann aus Niederbayern
auf unbestimmte Zeit in die Psychiatrie.
Der Angeklagte sei wegen Schuldunfähig-
keit freigesprochen worden, sagte ein Jus-
tizsprecher am Donnerstag. Zum Tatzeit-
punkt sei der Mann nach Überzeugung des
Gerichtes wegen Wahnvorstellungen nicht
steuerungsfähig gewesen. Anfang März
hatte der 41-Jährige in Mallersdorf-Pfaf-
fenberg (Kreis Straubing-Bogen) seine 72
und 69 Jahre alten Eltern und seine 37-jäh-
rige Schwester mit Faust- und Hammer-
schlägen sowie Fußtritten getötet. Das Ur-
teil ist noch nicht rechtskräftig.
Nach seiner Festnahme war er in eine
psychiatrische Klinik gekommen. Zum Pro-
zessauftakt am Mittwoch vor dem Landge-
richt Regensburg hat er die Tat zugegeben.
Er begründete den brutalen Angriff auf sei-
ne Familie damit, dass er habe verhindern
wollen, nach einem Streit in eine psychia-
trische Einrichtung gebracht zu werden.
Aufgeflogen war die Tat, als Verwandte die
Polizei alarmierten, weil sie ihre Angehöri-
gen seit Tagen nicht erreichen konnten. Po-
lizisten öffneten gewaltsam die Tür und
fanden die Leichen.
In seinen letzten Worten vor dem Urteil
sagte er, die Tat wäre nicht geschehen, wä-
re seine Familie nicht durch schwarze Ma-
gie in Streit gebracht worden. dpa


Neun international renommierte
Büros beteiligten sich
an dem Architekturwettbewerb

„Das wird uns gut tun und
wieder Leben ins Dorf bringen“,
sagt der Bürgermeister

Seit inzwischen
25 Jahren steht
Jürgen Vocke an
der Spitze des
Bayerischen
Jagdverbandes. Doch
nun fordern ihn
auch die Jungen
Jäger zum Rücktritt
auf.FOTO: STEPHAN RUMPF

Druck auf Vocke wächst


Prüfbericht sieht Gesetzesverstöße durch Jagdverbandschef


Unzufriedenheit mit Richterspruch


Pfarrer Gampert, der Kirchenasyl gewährte, hätte sich vom Gericht ein Grundsatzurteil gewünscht. Damit ist er nicht alleine


Von der Inntalautobahn aus
wird die Dynafit-Zentrale
kaum zu übersehen sein
(oben), im Inneren soll es
eine Kletterzone geben.
Vorbild für die Außen-
wirkung ist der Salewa-Sitz
bei Bozen (Mitte).
FOTOS: SALEWA/ARCHITEKTURBÜRO
CINO ZUCCHI ARCHITETTI,
OBERALP-GRUPPE/BAROZZI VEIGA (2)

Ein zweiter


Bergkristall


In Kiefersfelden entsteht direkt neben der Inntal-Autobahn
der Hauptsitz der Sportfirma Dynafit. Die Region freut’s

41-Jähriger muss nach


Bluttat in Psychiatrie


Das Verfahren gegen Pfarrer Ulrich Gam-
pert aus Immenstadt wurde am Mitt-
woch eingestellt. FOTO: BENJAMIN LISS/DPA

NPD-Plakat keine


Volksverhetzung


Zentralrat der Sinti und Roma
unterliegt mit Klage

DEFGH Nr. 218, Freitag, 20. September 2019 (^) BAYERN – R17

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