Neue Zürcher Zeitung - 21.09.2019

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Samsta g, 21. September 2019 ZÜRICH UNDREGION 19


BEZIRKSGERICHT DIETIKON


Wegen Todesdrohung verurteilt


Eine Mutter drohte in einem Klassenzimmer damit, die Lehrerin zu töten


TOM FELBER


Der zuständige Dietiker Einzelrichter
und SVP-KantonsratBenedikt Hoff-
mann hatte die Öffentlichkeit und die
Medien vor einerWoche vom Prozess
und auch von der späteren Urteils-
eröffnung ausgeschlossen.Das Bezirks-
gericht Dietikon hat nun amFreitag in
einer Medienmitteilung denAusgang
des Verfahrens bekanntgegeben:Eine
49-jährige Mutter, welche die Lehre-
rin ihres Sohnes im Klassenzimmer
mit demTod bedrohte, wurde zu einer
bedingten Geldstrafe von144 Tages-
sätzen verurteilt. Die Höhe desTages-
satzes gab das Gericht nicht bekannt.
Der Ehemann wurde von allenVor-
würfen freigesprochen.Wie das Be-
zirksgericht in der Medienmitteilung
selber bekanntgibt, handelt es sich bei
beiden Beschuldigten um Schweizer.
Der Hauptvorwurf:Laut Anklage
hatte das Ehepaar am 20. September
2017 um 8 Uhr 30 unaufgefordert das
Klassenzimmer der Lehrerin betreten,
die in der öffentlichen Schule in Dieti-
kon gerade eine Schulklasse unterrich-
tete. Die Mu tter soll der Lehrerin unter
anderem gedroht haben, sie werde sie
und ihre Kinder töten,ihrerTochter ein
Messer in denKopf stechen, und wenn
ihr der eigene Sohn weggenommen
werde, komme sie und töte dasBaby
der Lehrerin. Dem Ehepaar wurden
Gewalt und Drohung gegen Behör-
den und Beamte und zudem wieder-
holte Tätlichkeiten und dieVerletzung
der Fürsorge- oder Erziehungspflicht
gegenüber ihrem jüngeren Sohn vorge-
wor fen. In derAnklage stand, sie hät-
ten ihren Sohn wiederholt geschlagen.


Sohn geschlagen?


Wie es in der Medienmitteilung des
Einzelrichters Hoffmann heisst,konn-
ten die den Beschuldigten vorgewor-
fenen Handlungen hinsichtlich der
Verletzung der Fürsorge- oder Er-
ziehungspflicht sowie der wiederhol-
ten Tätlichkeiten, sofern sie nicht be-
reits verjährt waren, nicht mitrechts-
genügender Sicherheit nachgewiesen
werden. Deshalb gab es hier für beide
Elternteile einenFreispruch. Ein in-
zwischen widerlegterVerdacht sexu-
eller Übergriffe desVaters gegenüber
dem jüngeren Sohn seivon vornherein
nicht zur Beurteilung gestanden.
Auch geringereVorwürfe gegen den
Vater wegenWiderhandlung gegen das
Waffengesetz undFahrens ohne Berech-
tigung hätten nichterhärtetwerdenkön-
nen. Deshalb sei derVater vollumfäng-
lich freigesprochen worden.Da er drei
Monate in Untersuchungshaft geses-
sen hatte, wurde ihm eine Genugtuung
von 22 800Franken für zu Unrecht er-
littene Haft zugesprochen. Die Höhe


der Genugtuung sei dabei nicht bloss
auf dieDauer der Haft zurückzufüh-
ren,sondern auch «auf einzelne mediale
Berichte», welche die Identität des Be-
schuldigten «unzulänglich geschützt und
ihn gleichzeitig massiv vorverurteilt»
hätten,so Richter Hoffmann.
Die 49-jährige Mutter wurde der
Gewalt und Drohunggegen Behörden
und Beamte schuldig gesprochen.Das
Gericht sah es als erwiesen an, dass sie
nach derFremdplatzierung ihres jün-
geren Sohnes «in einem Zustand gros-
ser Erregung»Todesdrohungen gegen
die Lehrerin ausgestossen und auch ge-
droht hatte, die Kinder der Lehrerin zu
töten.Entgegen Berichten in der Presse
sei die Lehrerin von der Beschuldigten
aber nicht berührt, insbesondere nicht
«verprügelt» oder «gewürgt» worden.
Die Beschuldigte wurde mit einer be-
dingten Geldstrafe von144Tagessätzen
sowie mit einerVerbindungsbusse von
1000 Franken bestraft.

Beschuldigte zeigt Reue

Bei der Strafhöhe sei unteranderem
zu berücksichtigen gewesen,dass die
Hinderung einerAmtshandlung «nicht
durch Gewalt, sondern Drohungen
vorgenommen» worden sei. Die Be-
schuldigte habe sich nach der uner-
wartetenFremdplatzierung ihres Soh-
nes «in einem emotionalenAusnahme-
zustand» befunden und nachträglich
Reue gezeigt. Erschwerend sei jedoch
zu berücksichtigen gewesen, «dass sie
sich zu massivsten, höchst persönlichen,
die psychische Integrität der Lehrerin
verletzenden Drohungen hatte hinreis-
sen lassen». Der Lehrerin sei in diesem
KontextkeinVorwurf zu machen,«ins-
besondere kann dem unter anderem

au ch vorgebrachten Argument nicht
gefo lgt werden,dass sie die Beschul-
digte in irgendeinerWeise provoziert
habe», heisst es in der Mitteilung.

Medien berichtenverurteilend

Die Staatsanwältin hatte eineFreiheits-
strafevon sechs Monaten gefordert,
eine Freiheitsstrafe sei ausrechtlichen
Gründen aber nicht möglich gewesen.
Unt er den gegebenen Umständen sei
der Strafantrag der Staatsanwaltschaft
als zu mild erschienen, bereits dasVor-
gehen der Beschuldigten gegenüber
der Lehrerinrechtfertige eine Strafe
von 180Tagessätzen. Als «stark straf-
mindernd» wurden allerdings «die
mediale Berichterstattung und deren
Folgen» berücksichtigt. Über die Be-
schuldigte sei «stark vorverurteilend»
berichtet worden,und ihre Identität sei
unzureichend geschützt worden. Diese
Berichterstattungrechtfertigte für den
Einzelrichter eine Strafreduktion um
20 Prozent, woraus die Geldstrafe von
144Tagessätzenresultierte.DieVerbin-
dungsbusse wurde ausgesprochen, da-
mit die Strafe für die Beschuldigte un-
mittelbar spürbar ist.
Laut dem Einzelrichter Hoffmann
bedeuten dieFreisprüche in Bezug auf
die Tätlichkeiten und dieVerletzung
der Fürsorge- oder Erziehungspflicht
nicht, dass dasVorgehen derKesb un-
angebracht gewesen sei. Die damalige
Anordnung derFremdplatzierung des
jüngeren Sohnes habe sich «für ihn und
seine Beziehung zu seinen Eltern nach
aktuellemWissensstand als gedeihlich»
he rausgestellt.

Urteile GG190020 und GG190021 vom
19.9.2 019, noch nicht rechts kräftig.

BUNDESGERICHT

Sprayereie n unbestraft


Türkei scheitert mit Beschwerde


ald.· An einen Kiosk,eine Haltestelle
und eine Hausfassade wurde der Schrift-
zug «Kill Erdogan» an jenem1. Mai
2017 gesprayt, allesamt im Umkreis des
Generalkonsulats derRepublikTürkei
in Zürich.Zuvor hatte dort eine Zusam-
menrottung stattgefunden, die in einen
Farbanschlag auf dasKonsulat und an-
dere Sachbeschädigungen ausgeartet
war. Die zuständige Staatsanwaltschaft
eröffnete daraufhin gegen dreiPersonen
eine Strafuntersuchung, unteranderem
wegen Sachbeschädigung, Schreckung
der Bevölkerung und Beleidigung eines
fremden Staates.
Im Dezember 2017 stellte die Staats-
anwaltschaft die Strafuntersuchung wie-
der ein,da sich derTatverdacht gegen
die dreiPersonennicht erhärtet hatte.
In der Einstellungsverfügung erwog sie,
der Anfangsverdacht habe darauf be-
ruht, dass die drei betroffenenPersonen
in der Nähe desTatorts verhaftet wor-
den seien. Zudem habe einer der drei
eineRegenhose mitFarbrückständen
bei sich gehabt.AufBild- undVideoauf-
zeichnungenkonnten die Täter jedoch
nicht identifiziert werden,auch habe die
Forensik amTatort keine brauchbaren
Spuren sicherstellenkönnen. Bei der
Person mit derRegenhosekönne aus-
serdem nicht ausgeschlossen werden,
dass sie lediglich in der Nähe desTatorts
gestanden habeund dabeiFarbspritzer
auf ihre Kleidung gelangt seien.
Was den Schriftzug «Kill Erdogan»
anbelange, erscheine es fraglich, ob da-
mit eine öffentlicheAufforderung zu
Verbrechen oderGewalttätigkeiten
oder eine Beleidigung eines fremden
Staates vorliege, wie ursprünglich unter-
sucht wurde. Gegen die Einstellung der
Strafuntersuchung gelangte das türki-
sche Generalkonsulat an das Zürcher
Obe rgericht, das die Beschwerde ab-
wies. Das Konsulat zog die Beschwerde

deshalb weiteran das Bundesgericht.Es
sei betrübt darüber, «dass dieVorinstanz
in ihren Beschlüssen dasRecht unrichtig
angewendet habe», und mit Sorge erfüllt
«um eine gravierende Beeinträchtigung
der freundschaftlichen Beziehungen
zwischen der Schweiz und derTürkei».
In seinem amFreitag publizierten
Entscheid weist das Bundesgericht die
Beschwerde derRepublikTürkei aller-
dings ebenfalls ab. Es hält fest, in Bezug
auf die Einstellung der Strafverfahren
wegen Sachbeschädigung seien die Be-
schwerden desKonsulats ungenügend
begründet. Bezüglich der weiteren gel-
tend gemachten Straftatbestände habe
das Obergericht die Beschwerdeberech-
tigung des Generalkonsulats zuRecht
verneint. Denn diese zielten in erster
Linie auf den Schutz vonkollektiven
Rechtsgütern wie etwa dem Sicherheits-
gefühl der Bevölkerung.
Um alsPrivatkläger zur Beschwerde
legitimiertzu sein, wie es dasKonsu-
lat als gegeben ansah, muss dasKon-
sulat durch eine Straftat geschädigt
worden sein. Als geschädigt gilt, wer
in seinenRechten unmittelbar verletzt
worden ist und damitTräger des ge-
schützten oder mitgeschütztenRechts-
guts ist.Die fraglichen Straftatbestände
(Schreckung der Bevölkerung, Land-
fri edensbruch und Beleidigung eines
fremden Staates) zielten allerdings in
erster Linie auf den Schutzkollektiver
Rechtsgüter, hält das Bundesgericht
ebenfalls fest.Da das türkischeKon-
sulat davon allenfalls mittelbar beein-
trächtigt sei, gelte es auch nicht als ge-
schädigt.Das Obergericht habe daher
zu Recht erwogen, dass das General-
konsulat nicht unmittelbar in seinen
Rechten verletzt worden sei.

Urteil 6B_856/2018, 6B_857/2018, 6B_858/
2018 vom 19.8.19 – BGE-Publika tion.

Aktivisten suchen Dialog


Während der Klimawoche sollen Politiker Farbe bekennen


fsi.·Jugendliche tragen mit Gurten
über den Schultern «Gehzeuge» –
Lattengestelle mit den Dimensionen
einesAutos – durch die Stadt und füh-
ren denPassanten vorAugen, wie viel
Platz einFahrzeug mit einem einzigen
Insassenbeansprucht. Mit dieser pfiffi-
gen Aktion eröf fnete der Klimastreik
Zürich diesenFreitag die internationale
Klimawoche.
Ab Montag folgen weitereAktions-
tage , an denen die jungen Klimamah-
ner dieMedien an ihre Informations-
und Aufklärungsrolle erinnern. Sie wol-
len die Bevölkerung auf das derzeit vor
sich gehende6. globale Massensterben
aufmerksam machen, den Zürcher Ge-
meinderat mit einem Besuch auf der
Ratstribüne in die Pflicht nehmen und
die Konsumenten für den «Gemüseras-
sismus» sensibilisieren.DieserAusdruck
steht für die systematischeVernichtung
von hochwertigen Nahrungsmitteln, die
nicht den Normmassen der Grossvertei-
ler entsprechen.
Für denFreitagnachmittag schliess-
lich wird nach längererPause zu einem
Earthstrike vor demRathaus sowie auf
dem Münsterhof aufgerufen.Die Klima-
krise lege schliesslich auchkeine Pause
ein und deshalb sei es wichtig, dass man
sich wieder Gehör verschaffe, betonten
vier Aktivistinnen undAktivistenam
Freitagvormittag an einer Medienkon-
ferenz imJugendkulturhaus Dynamo.
Der Klimastreik stehe nicht im Zen-
trum ihrer Bewegung, halten die jun-
gen Leute fest.DasWort Streik klinge
halt kämpferisch, und eine Klima-
woche sorge fürAufmerksamkeit.Aber
viel wichtiger sei der Dialog; der Um-
denkprozess müsse nämlich möglichst
breitflächigangestossen werden.Das
versucht man mit dem «Klimablatt»,
einer über Crowdfunding finanzier-
ten Zeitung, die in drei Sprachen und
in einer Gesamtauflage von1067 000

Exemplaren in allenLandesteilen ver-
teilt wird.
Der Inhalt des «Klimablatts» wurde
von Wissenschaftern von ETH und
Universität Zürich auf denWahrheits-
gehalt geprüft, und die Zeitung wurde in
einer Zürcher Druckerei aufRecycling-
papier gedruckt. Am Montag, dem Tag
der CO 2 -Debatte im Nationalrat,wird
das Extrablatt in jeden vierten Haus-
halt der Schweiz verteilt.Werbestopp-
Kleber auf den Briefkästen werden da-
bei respektiert, und die Leser sind auf-
gefordert,die Zeitung weiterzureichen,
statt sie zum Altpapier zu legen.
Um auch diePolitik einzubinden,
entwickelte die Bewegung ausserdem
die Klima-Charta.Das istein Frage-
bogen,der an sämtlicherund4600 Kan-
didaten für die nationalenWahlen im
Herbst verschickt wurde und in wel-
chem diese zu ihrer Haltung zumThema
Klimawandel Stellung nehmen. Etwas
mehr als 500Rückmeldungen sind bis-
her eingegangen, darunter auch solche
von politischen Schwergewichten.
Die Antworten werden auf
http://www.klimacharta.chveröffentlicht.Dort
kann man die Kandidaten auch nach
Herkunft und Alter, nicht aber nach
politischerPartei eingrenzen. Denn die
Charta soll als Plattform für Diskus-
sionen für alle offen sein,auch für jene
Politiker, welche dieForderungen der
Klimabewegung nicht unterstützen.
Auch Nichtpolitiker sind zur Diskus-
sion eingeladen.Viele Leute sähen in
ihnen«Kommunisten», die Forderungen
stellten,ohne selberkonkrete Lösungen
vorzuschlagen,sagt einer derAktivisten.
«Ab er es wäre eine seltsameWelt,in der
die Jugendlichen diePolitik definieren
sollen.» Mit der Klima-Chartakönnten
sich diePolitiker nunseriös mit deren
Anliegen auseinandersetzen. «System
Change»stehefür Systemwandel, nicht
für Systemwechsel.

DerDietiker Richter (im Bilddas Bezirksgebäude) belegte die Schweizerin mit einer
bedingten Geldstrafe und einer Busse von 1000Franken. SIMONTANNER / NZZ

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