30 WIRTSCHAFT Samstag, 21. September 2019
Magensäure-Medikament unter Verdacht
Sandoz und andere Hersteller ziehenPräparatemit dem Wirkstoff Ranitidinwegen Verunreinigungenvorläufig aus dem Verkehr
DOMINIK FELDGES
Der Generikahersteller Sandoz wirbt
mit dem Slogan «Vertrauen verbin-
det,Vertrauen verpflichtet».Die Toch-
terfirma desBasler Pharmakonzerns
Novartis streicht in Inseraten in der
«Schweizerischen Ärztezeitung» unter
Verwendung des Schweizerkreuzes
auch heraus,dass sie «original Schwei-
zer Generika seit1886» anbiete.Vor die-
sem Hintergrund ist es für sie wohlrat-
sam, grössteVorsicht in derVermark-
tung ihrer Produkte walten zu lassen.
Die Gesellschaft hat sich dieseWoche
denn auch entschlossen, ein für sie und
vielePatienten bedeutendes Medika-
ment wegen möglicherweise krebs-
erregender Inhaltsstoffe weltweit vor-
läufig nicht mehr an Apotheken und an-
dere Abnehmer auszuliefern.
Es handelt sich um ein Generikum,
das auf dem Präparat Zantacdesfran-
zösischen Herstellers Sanofi beruhtund
gegen verbreitete Leiden im Zusam-
menhang mit einer übermässigen Säure-
produktion im Magen eingesetzt wird.
Laut dem Schweizer Beipackzettel des
Sandoz-Produkts sind damit Magen-
und Zwölffingerdarmgeschwüre sowie
die Refluxkrankheit (Sodbrennen) ge-
meint.Auch gewisse immer wiederkeh-
rende Verdauungsstörungen werden mit
dies em Medikament behandelt.
In der Schweiz sind die betroffenen
Tabletten der Sandoz-MarkeRanimed
nur gegenVorweisung eines ärztlichen
Rezepts erhältlich. Dasselbe trifft für
dasKonkurrenzprodukt des Anbieters
Mepha zu. Beide Präparate beruhen
wie das Original Zantac auf demWirk-
stoffRanitidin. Die US-Gesundheits-
behörde FDAhatte amFreitag vergan-
generWoche bekanntgegeben, dass sie
in von ihr untersuchtenRanitidin-Pro-
dukten die Chemikalie N-Nitrosodimet-
hylamin (NDMA) entdeckt habe.Auf-
grund vonTierversuchen weiss man,
dass die Chemikaliengruppe der Nitros-
amineTumore in der Leber und ande-
ren Organen auslösen kann. Sie steht
zudem imVerdacht, auch bei Menschen
Krebs zu erregen.
NDMA geriet schon im vergange-
nenJahr in die Schlagzeilen,als aus-
kam, dass damit Herzmedikamente des
WirkstoffsValsartan verunreinigt wor-
den waren.Auch in diesemFall waren
diverse Generikahersteller betroff en. In
rund dreissigLändern – einschliesslich
der Schweiz–wurden AnfangJuli 20 18
Varianten dieses Blutdrucksenkers zu-
rückgerufen.Als Quelle derVerunreini-
gung wurde ein chinesischer Hersteller
des Wirkstoffs namens Zhejiang Huahai
Pharmaceuticals identifiziert.
AggressiveVermarktung
Dass dieWirkstoffe für Generika heute
vielfach imReich der Mitte produ-
ziert werden, erklärt sich mit dem star-
ken Kostendruck, derin dieser Bran-
che herrscht.Valsartan brachte als Ori-
ginalprodukt mit dem Markennamen
Diovan Novartis jahrelang Einnahmen
in mehrfacher Milliardenhöhe ein, doch
nach demVerlust desPatentschutzes zu
Beginn dieser Dekade verkleinerte sich
das Geschäft damit für den Pharma-
konzern schlagartig. Nachahmerpro-
dukte werden meist zu einem Bruchteil
des Preises angeboten, den dasOriginal
seinerzeit gekostet hat. Dies zwingt die
Anbieter zu einer aggressivenVermark-
tung, um mittels hoherVolumen gleich-
wohl auf eine befriedigende Marge zu
kommen. Bei der jüngsten Meldung im
Zusammenhang mitRanitidin hat die
FDA weder einenRückruf angeord-
net noch einzelne Produkte oder deren
Hersteller genannt. Sie erklärte zudem,
dass man in ersten Proben kaum jene
Konzentrationen von NDMA nach-
gewiesen habe, die auch in Nahrungs-
mitteln enthalten seien. Nitrosamine
kommen unter anderem in grilliertem
Fleisch, geräuchertemFisch oder Bier
vor. Die US-FirmaValisure, die Medika-
mente über das Internet vertreibt und
sich mit strengenTests für die von ihr
angebotenen Produkte brüstet, wider-
spricht dieserDarstellung. Man sei auf
Niveaus gestossen, die sehr weit über
jenen lägen, die bei der täglichen Ein-
nahme von NDMAzulässig seien, sagen
Vertreter des Unternehmens.
Lieferantenaus China
In der Schweiz hat die Arzneimittel-
behördeSwissmedic laut einer Mittei-
lung vom Dienstagschon EndeAugust
2019 die Auslieferung sämtlicherRani-
tidin-Produkte «vorsorglich gestoppt».
Betroffen sind neben denTabletten
der Sandoz-MarkeRanimed auch jene
von Mepha sowie die Injektionslösung
Zantic des britischen Herstellers Gla-
xoSmithKline.
Aufgrund der Erfahrungen mitVal-
sartan liegt derVerdacht nahe,dass
auch bei Ranitidin Lieferanten aus
China oder anderen Schwellenländern
bei der Herstellung desWirkstoffs un-
sachgemäss gearbeitet haben. Bewahr-
heitet sich diese Annahme, dürfte der
Druck auf die Anbieter von Generika
steigen, die Produktion verstärkt wieder
in dieeigenen Hände zu nehmen.Aller-
dings sind die Anreize dafür angesichts
der niedrigen Preise, die sich für Nach-
ahmerprodukte verrechnen lassen, eng
begrenzt. Im Pharmaland Schweiz wer-
den kaum noch Generika hergestellt
- Schweizerkreuz in derWerbung von
Sandoz hin oder her.
Die US-GesundheitsbehördeFDA hat in Ranitidin-Produkteneinen möglicherweise krebserregenden Stoff entdeckt. GORAN BASIC/NZZ
Krokodillederschuhe auf Staatskosten
Der Präsident v onKongo-Brazzaville und seine Kinder leistensichein luxuriöses Leben
DAVID SIGNER,DAKAR
In San Marino sind 19 Mio.€ be-
schlagnahmt worden. Der Präsident
vonKongo-Brazzaville,Denis Sassou-
Nguesso, hatte sie aus der Staatskasse
entwendet und in einem langen Pro-
zess der Geldwäsche nach San Marino
geschleust.Das Geld gehört zu insge-
samt 69 Mio.€, die zwischen 2006 und
2011 abgezweigt wurden. Der 75-jährige
Sassou-Nguesso, der den zentralafrika-
nischen StaatKongo-Brazzaville seit
35 Jahren diktatorischregiert, benützte
das Geld offenbar vor allem, um seinen
extravaganten Lebensstil zu finanzie-
ren. So gab er beispielsweise 2,3 Mio.€
aus dieser Schatulle für Uhren aus und
allein 114000 € für einPaar Schuhe aus
Krokodilleder. Er reiste auch oft nach
Paris, wo er jeweils 11000 € für eine
Hotelübernachtung zahlte.
Um die Geldwäsche zu verschleiern,
wurde das Geld auf insgesamt 36Kon-
ten deponiert, die offiziell verschiede-
nenVerwandten des Präsidenten ge-
hörten.Für San Marino haben sich die
langwierigen und aufwendigen Nachfor-
schungen gelohnt: DieRepublik kann
das konfiszierte Geld behalten.
Wie derVater, so der Sohn
Bereits imAugust sorgte ein Skandal
aus der Präsidentenfamilie für Schlag-
zeilen.Damals enthüllte die britische
NGO GlobalWitness, dass der Sohn des
Präsidenten, Christel Sassou-Nguesso,
der zugleich alsParlamentarier amtet,
50 Mio.$an öffentlichen Geldernabge-
zweigthatte .Nichtweniger als achtLän-
der waren in diekompliziertenTrans-
aktionen involviert, die den einzigen
Zweck hatten, dass die Herkunft des
Geldes nicht mehr zurückverfolgt wer-
denkonnte.Laut GlobalWitness spielte
dabeidie brasilianischeFirmaAsperbras,
die von derRegierung in Brazzaville den
Auftrag für eine geologische Sondierung
erhielt, eine wichtigeRolle. Sie gab den
Auftrag dann an ein zypriotisches Unter-
nehmennamens Gabox Limited weiter,
das allerdings erst zweiTage vorher ge-
gründet worden war und weder überPer-
sonal noch über Kapital verfügte. Dafür
gehörte es letztlich Sassou-Nguesso.
Die Tochter des Präsidenten, Claudia
Sassou-Nguesso, auch sie Mitglied des
Parlaments, warin eine ähnliche Affäre
verwickelt. Bei ihr ging es um 20 Mio.$
Staatsgelder, die sie unter anderem in
den Kauf eines Luxusappartements im
TrumpTower in NewYork steckte. Ein
Zusammenschluss von NGO in Brazza-
ville versuchtnun zu erreichen,dass die
parlamentarische Immunität der bei-
den Geschwister aufgehoben wird, so
dass sie für ihre Taten gerichtlichbelangt
werdenkönnten.
Im August 20 18 verurteilte ein
Schweizer Gericht ein ehemaliges Kader-
mitglied der GenferRohstoffhandels-
firma Gunvor zu18 Monaten Gefäng-
nis bedingt wegen der Zahlung von Be-
stechungsgeldern in denJahren 2008 bis
2012 imTausch gegen Öllieferungen.
Insgesamt flossen dabei über 43 Mio.$
nach Brazzaville. Nutzniesser waren auch
Familienangehörige des Präsidenten.
Geldsegen vom IMF
Die Enthüllungen rund um die präsidiale
Familie sind besonders brisant, weil der
InternationaleWährungsfonds (IMF) im
Juli nach langenVerhandlungen ein Ent-
schuldungs- und Kreditabkommen mit
Kongo-Brazzaville abschloss. DieVer-
handlungen waren verzögert worden, als
sich herausstellte,dass Brazzavilleeinen
Teil der immensen Staatsschulden ver-
schwiegen hatte. Es hatte sich 2017 näm-
lich herausgestellt, dass die Staatsver-
schuldung nicht wie behauptet 77% des
Bruttosozialprodukts ausmachte, sondern
120%, das heisst 8,7 Mrd. $. Ein weiteres
Problem war, dass ein Drittel der Schul-
den China betraf; der IMF hattekein
grossesInteresse,bei derenRückzahlung
behilflich zu sein.Am Endeerhielt der
Staat 448,6 Mio.$,verteilt auf dreiJahre,
um dieWirtschaft wieder in Schwung zu
bringen.Sie hatte vor allem unter den tie-
fen Erdölpreisen gelitten,aber eben auch
unter derverbreitetenKorruption. Des-
halb war der Kredit an politische Bedin-
gungen geknüpft:DieRegierungsführung
sollte besser und transparenter werden,
vor allem im Ölsektor. Auch intensivere
Anstrengungen im Kampf gegen dieKor-
ruption forderte der IMF.
Bald hiess es in Brazzaville, es werde
wahrscheinlich zu Einsparungen in den
Bereichen Gesundheit und Bildung
kommen. Mit anderenWorten:Das ein-
facheVolk soll die Zeche zahlen für die
Verschwendungssucht der Präsiden-
tenfamilie. Die neuesten Enthüllungen
sind nicht dazu angetan, dasVertrauen
in Sassou-Nguesso zu stärken.
Denis Sassou-
Nguesso
Präsident
EPA von Kongo-Brazzaville
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