Neue Zürcher Zeitung - 21.09.2019

(nextflipdebug5) #1

38 REFLEXE Samstag, 21. September 2019


Österreich s Rentenpoli tik


Wo bleibt


der Aufstand der Jungen?


MatthiasBenz, Wien· ÖsterreichsParlamentarier
haben wieder einmal gezeigt, dass sie nicht zu ver-
antwortungsvollerPolitik fähig sind.Schon imFrüh-
sommer hatten dieParlamentsparteien begonnen,
imwildenSpielwechselnderKoalitionenkurzfristige
Wahlgeschenkezuverteilen.Nun,knappeineWoche
vor der Nationalratswahl, ist nochmals eines drauf-
gelegt worden. In der Nacht zumFreitag haben die
GrossparteienÖVP, FPÖ und SPÖ dieRentner mit
einer kräftigen und ausserplanmässigenPensions-
erhöhung beschenkt, die die jungen Generationen
Hunderte von Millionenkosten wird.
Den Vogel abgeschossen haben aber SPÖ und
FPÖ. Ohne jegliche Ankündigung und Diskussion
ist mit ihrenStimmen eine neueFrühpensionie-
rungs-Regelung beschlossen worden, mit der Men-
schenkünftignach45BeitragsjahrenohneEinbusse
in Rente gehenkönnen. Österreich hatte lange und
mühevoll darum gerungen,von der weitverbreite-
tenPraxisderFrühpensionierungenwegzukommen.
Jetzt bekommt man wieder eine «Rente mit 62 oder
63»–ähnlich,wiesieinDeutschlandeingeführtwor-

den ist und dort vor allem beiFacharbeitern beliebt
ist.Dasbringt das bereitsjetztnicht tragfähige öster-
reichischeRentensystem noch weiter in Schieflage.
AlldasisteinSchlaginsGesichtderjungenGene-
rationen, die die Zeche bezahlen werden.Aber wo
bleibt derAufstand derJungen? Es ist nichts zu
hören.Auch in Österreich sind die Schüler diesen
Freitag in 700 Städten und Gemeinden zum gros-
sen Klimastreik auf die Strassegegangen. So wich-
tig die Klimapolitik ist, bei derRente geht es auch
ums Eingemachte.Wann blasen dieJungenauch in
dieser Sache zum Protest gegen diePolitik?Zudem
wäre es an der Zeit, dass ÖsterreichsParlamenta-
rier sich selbst die Hände binden. InVorwahlzeiten
wie diesen sollte es eineRegel geben,dassdas Parla-
mentkeine Beschlüsse mehr fassen darf. Österreich
hatgeradewiedereinTrauerspielparlamentarischer
Demokratie erlebt.Aus kurzfristigem Kalkül sind
wichtigenWählergruppenmilliardenschwereWahl-
geschenke gemachtworden.So kommtden Bürgern
dasVertrauenabhanden,dassdiePolitikdielangfris-
tige nProbleme desLandes lösenkann.

Rudolf Hermann· Frühherbst ist die schöne Zeit,
wenn die schwedischenKoalitionsparteien ihren
Wählern kleine Geschenke zu machen pflegen.
Im September nämlich präsentiert dieRegierung
den Budgetvorschlag für daskommendeJahr, und
dieser enthält jeweils manch eine freudige Über-
raschung. Für eine von ihnen waren diesmal die
Grünen besorgt, die bereits im sechstenJahr zu-
sammen mit den Sozialdemokraten regieren.
SieholtenihrealteIdeeeinesausöffentlichenMit-
teln finanzierten«Weiterbildungsjahrs» für Arbeit-
nehmer wieder hervor. Und die Grünen-Co-Chefin
Isabella Lövinkonnte vor Medien zufrieden feststel-
len,dassdiedafürnötigeeineMilliardeKronen(um-
gerechnet 100 Mio. Fr.) im Budget bereitsreserviert
sei.Die Idee besteht darin,dassArbeitnehmer, die in
ihremJob unzufrieden sind und ihreArbeit deshalb
nicht mit dem nötigen Engagement ausführen, die
Chance haben sollten,sich für gewisse andere Tätig-
keitenumschulenzulassen.Dasbewirke,sodieArgu-
mentation der Grünen,dass es zu einer effizienteren
Nutzung von Arbeitskraftkomme, und werde sich

darin niederschlagen, dass Arbeitnehmer sich weni-
ger krankschreiben liessen.Ausserdem lasse sich das
Systemsosteuern,dassUmschulungenfürBerufsfel-
der, in denenes derzeit anFachkräften mangle, be-
vorzugt unterstützt würden.
Das Füllhorn der aus Steuergeldern finanzier-
ten Sozialleistungen über gewissen Segmenten der
Bevölkerungauszuschütten,ist in Schweden zwar
generell populär,doch imFall des«Weiterbildungs-
jahrs» schlug den Grünen verbreitete Skepsis ent-
gegen. Die bürgerliche Opposition kritisierte, dass
es angesichts bestehender Unterfinanzierung von
Polizei, Gesundheitsdienst oder Altersbetreuung
etwas verwegen sei,mit einer solchenIdee zukom-
men. ÖkonomischeKommentatoren merkten an,
dass Schweden auf eineKonjunkturabkühlung zu-
steuere und jetzt kaum derrichtigeMoment sei,
auf diese Art Geld auszugeben. Und sogar die Ge-
werkschafts-Dachorganisation meldete Bedenken
an: Besser sei es doch wohl, denjenigen zu helfen,
die imArbeitsmarkt ungenügend etabliert seien,als
solchen, die bereits einenJob hätten.

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