Neue Zürcher Zeitung - 21.09.2019

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Samsta g, 21. September 2019 300 Jahre Liechtenstein NZZ-Verlagsbeilage 13


«Wir würden einen IWF-Beitritt begrüssen»


Für Bundespräsident
Ueli Maurer ist Liechtenstein
ein verlässlicherVerbündeter
der Schweiz. EineKooperation
in Sachen Blockchain-
Regulierung scheint ihm
einen Gedanken wert.

Die Finanzplätze Schweiz und Liech-
tenstein sindKonkurrenten und gleich-
zeitig Kooperationspartner.Wie würden
Sie dasVerhältnischarakterisieren?
Ueli Maurer: Unser Verhältnis zu
Liechtenstein ist eng. Insbesondere
imWirtschafts- undFinanzbereich be-
stehen wesentlicheBande, so beispiels-
weise der Währungsvertrag. Diese
Nähe macht uns zwar zuKonkurren-
ten,aber auch zuPartnern.Wir begrüs-
sen übrigens dieTatsache, dass Liech-
tenstein einen Beitritt zum Internatio-
nalenWährungsfonds (IWF) prüfen
möchte.Gerade offeneVolkswirtschaf-
ten mit bedeutendenFinanzsektoren
wie unsereLänder haben ein grosses
Interesse an einem gut funktionie-
renden IWF. Die Schweiz würde sich
freuen, Liechtenstein in diesemRah-
men zu unterstützen.

Was können Kleinstaaten wie Liechten-
stein und die Schweiz der zunehmenden
Tendenz «Macht vorRecht» gerade in
Finanzplatzfragen entgegensetzen?
Der SchweizerWirtschafts- undFinanz-
platz ist imVerhältnis zur Grösse des
Landes sehr bedeutend und daher sind
wir sicherlichkein Kleinstaat. Abge-
sehen davon teilen die beidenLän-
der Gemeinsamkeiten, die uns stark

machen: Sowohl die Schweiz als auch
Liechtenstein zeichnen sich durch ihre
Wettbewerbsstärke und Innovations-
fähigkeit aus.Auf diese Stärkenkönnen
sich unserePartner verlassen. Zuverläs-
sigkeit und politische Stabilität sind ge-
rade im heutigen Umfeld turbulenter
geopolitischer Entwicklungen wertvoll.
Davon profitieren insbesonderedie bei-
denFinanzplätze.

Mitdem Blockchain-Gesetz hat Liechten-
stein regulatorische Pionierarbeit geleis-
tet. Wie sinnvoll erachten Sie eine grenz-
überschreitendeRegulierung zwischen
der Schweiz und Liechtenstein in Sachen
Blockchain für Finanzdienstleister?
Die Schweiz gehört weltweit zu den be-
deutendstenFinanzplätzen und innova-
tivsten Blockchain-Standorten und ver-
fügt über ein ausgeprägtes Cluster an
Blockchain-Firmen. Mit Blick auf die
Rahmenbedingungen für Blockchain
haben wir Ende 20 18 einen umfassen-
den Bericht publiziert, der internatio-
nal grosse Beachtung fand.Auch die
Eidgenössische Finanzmarktaufsicht
(Finma) hat schon früh Pionierarbeit
geleistet.Konzeptionell verfolgen wir
aber einen anderen Ansatz als Liech-
tenstein:Wir wollen mit punktuellen
Anpassungen das SchweizerRecht bes-
ser auf Blockchain-Technologien aus-
richten, sehen indes davon ab, ein spe-
zielles Blockchain-Gesetzzuentwer-
fen.Wir beabsichtigen diesbezüglich
vor Ende 20 19 einenVorschlag an unser
Parlament zu übermitteln. Die Idee
einer grenzüberschreitendenRegulie-
rung scheint interessant, doch etwas
verfrüht. Es gibt aber durchaus klare
Bereiche,indenen internationaleKoor-

dination wichtig ist, zum Beispiel imBe-
reich der Prävention von Geldwäsche-
rei undTerrorismusfinanzierung oder
im Bereich derFinanzstabilität.

Was wünschen Sie dem Finanzplatz
Liechtenstein für die nächsten 300
Jahre?
Eine weitere gute Zusammenarbeit mit
demFinanzplatz Schweiz – und dass
es Liechtenstein gelingt, seinePosition
als wettbewerbsfähigesLand füreine
internationaleKundschaft weiter aus-
zubauen und zukonsolidieren.
Interview:JohannesJ. Schraner

Bundespräsident Ueli Maurer PD

Globaler Bloc kchain-Vorreiter mitsportlichem Elan


Von der Bankerin


zur Profi-Rennfahrerin


Die wohl schnellste Sportlerin Liech-
tensteins istFabienneWohlwend (21).
Bereits als7- Jährige begeisterte sie
sich fürRennautos undTemporausch.
In ihrer jungen Karrierekonnte die
gebürtige Schellenbergerin schon ei-
nige Erfolge feiern, obwohl sie par-
allel dazuVollzeit für die VPBank,
den drittgrösstenFinanzdienstleister
desFürstentums, tätig war. «Rennfah-
rerin ist quasi mein zweiterJob nebst
der Arbeit bei derBank.Fitnessstu-
dio undTr aining im Simulator stehen
daher jedenTag auf dem Programm.»
Seit der Saison 20 19 misst sich
FabienneWohlwend in der ersten
reinenDamen-Rennserie derWelt,

den«WSeries». Und weil sie sich im
neuenWettbewerb mit 18 Fahrerin-
nen aus 13 Nationen gut geschlagen
hat, ist ihr für die Saison 2020 ein
Startplatz auf sicher – wasFabienne
Wohlwend nun zu einem Grundsatz-
entscheid bewogen hat. «Das nächste
Jahr wird ein sehr wichtiges für mich,
denn ichwerde ins Profi-Lager wech-
seln und meine Stelle alsBanke-
rin aufgeben, um mich voll auf den
Motorsportkonzentrieren zukön-
nen. Das wird ein ganz neues Kapi-
tel in meiner Karriere.» Neben den
«WSeries» ist sie weiterhin in der
«EuropeanFerrari Challenge» und
den «GT3-Rennen» engagiert.

RennfahrerinFabienneWohlwend ist die schnellste SportlerinLiechtensteins. PD

sächlich gehört dieBankFrick in Sachen
Blockchain zu den «First Movers», den
Vorreitern. Sie hat im April erstmals zu-
sammen mit Bitcoin Suisse ein Zertifi-
kat sowohl als klassischesWertpapier als
auch als digitalesToken emittiert.Kon-
sequent umgesetztkönnen lautWögerer
«tokenisierte»Vermögenswerte direkt
zwischen zweiPersonen gekauft und
verkauft werden, ohne dass es eine wei-
tere Instanz wie eineBank zur Abwick-
lung des Handels braucht. «So sieht die
Zukunft aus. Für Finanzmarktakteure,
die sich nicht darauf einstellen, besteht
alsodas Risiko, dass ihnen das Geschäft
wegbricht»,warntWögerer.
AlsBank müsse man immerinBewe-
gung bleiben. Und wenn man auf Hinder-
nisse stosse, müsse man sie bewältigen,
um voranzukommen, beschreibtWöge-
rer sein Leitmotiv. Das gilt für ihn auch
privat.Wenn er nicht am Pult sitzt, be-
wegt sich der CEO derBankFrick gerne
und nimmt an «MudRaces» teil, extre-
men Hindernisläufen, die über Stock
und Stein, durch Schlamm undBäche
führen. Konsequenterweise schenkte
Wögerer im letzten Oktober allenAn-
gestellten in derBankFrick zum 20-Jahr-
JubiläuminFirmenfarben geschmückte
Sneakers, dieseither bei der Arbeit ge-
tragenwerden dürfen.

ThomasNäge le


«Die Blockchain-Revolution bringt
natürlich Herausforderungen und Risi-
ken mit sich. Es handelt sich um eine
noch jungeTechnologie, undFehler
können nicht ausgeschlossen werden,
auch wenn die derzeitigen Probleme oft
durch falsche Nutzung oder an Schnitt-
stellen zu Blockchains entstehen», gibt
Thomas Nägele,Präsident der Liech-
tensteiner Crypto Country Association,
zu bedenken. Die grösste Herausforde-
rung sei derzeit die Nutzerfreundlich-
keit derTechnologie. «Verliert der Nut-
zer beispielsweise seinenSchlüssel oder
wird er ihm gestohlen, verliert er – ver-
einfacht gesagt – auch den Zugang zum

digitalimTokenrepräsentiertenRecht,
wie zum Beispiel dem Aktionärsrecht»,
erklärt derJurist.
Zudem sei die Vereinbarkeit der
Blockchain-Technologie mit der neuen
europäischen Datenschutz-Grundver-
ordnung (DSGVO) noch nicht geklärt.
Ein wesentliches Merkmal der Block-
chain-Technologie, die Unveränderbar-
keit also, sei nicht ohneWeiteres mit dem
«Recht aufVergessen» der DSGVO in
Einklang zu bringen, so Nägele weiter.
«Wir stehenamAnfang der Entwicklung
und wissen noch nicht, welche zusätz-
lichen oder neuen Dienstleistungen von
Banken angeboten werdenkönnen»,sagt
Nägele. «Banken müssen sich jetzt schon
gegenüber neuen Marktteilnehmern wie
Online-Banken behaupten. DerDruck
wirdunbestrittenermassengrösser.»
Zum Zusammenspiel der beiden
Kooperationspartner Liechtenstein und
Schweiz (siehe Nachgefragt mit Bundes-
rat Ueli Maurer) macht der Krypto-Ex-
perte eine interessante Bemerkung. «In
der täglichen Beratung sehen wir, dass
sich vor allem die Standorte Schweiz
und Liechtenstein sehr gutkombinie-
ren lassen.Das Fürstentum ist ein eta-
blierterFinanzplatz mit vereinfachtem
Marktzugang in die EU, einer inno-
vationsfreundlichen Regierung sowie
einer offenen undkompetentenFinanz-
marktaufsicht», betont Nägele. Nicht zu-
letzt hätten LiechtensteinerBanken den
Blockchain-Unternehmen selbst durch
schwere Zeiten hindurchBankdienstleis-
tungen angeboten, was imVergleich zum
Ausland ebenfalls ein oft zu hörender
Vorteil sei.Auch in seinerFreizeit geht
Nägele den Dingen auf den Grund: Er
ist begeisterterTaucher und empfindet
dieRuhe unterWasser als ebenso wohl-
tuendwie die Liechtensteiner Bergluft.

Thomas Dünser


In den Höhen über dem Rheintal
könnte erThomasDünser, den Lei-
ter der neuen Regierungsstabsstelle
fürFinanzplatzinnovation (SFI) und

«Vater» des zukunftsweisenden Block-
chain-Gesetzes, auf seinem Mountain-
bi keantreffen.Auf seinen sportlichen
Touren in die Bergwelt geniesstder
Familienmensch jene Übersicht, die –
im übertragenen Sinne – auch für sei-
nen Beruf wichtig ist. Zudem interes-
siert sichDünser sehr für Geschichte.
So fällt es ihm nicht schwer, historische
Verbindungslinien zur aktuellenPolitik
undWirtschaft zu ziehen. Und Zeiten-
wendenrechtzeitig zu erkennen, etwa
die digitaleTr ansformation.
Die Blockchain markiert fürDün-
ser diesbezüglich einen ökonomischen
Meilenstein mit weltweitenAuswirkun-
gen. Das «grössteRevolutionspoten-
zial» der neuenTechnologie sieht er vor
allem in der «Möglichkeit,Vermögens-
werteso digital abzubilden, dass sie
auch für Privatpersonen frei verfüg-
bar sind und sicher übertragen werden
können». Dadurch lasse sich eine digi-
tale Aktie –ohne Zwischeninstanzen –
künftignicht inTagen oder Stunden,
sondern in Sekundenbruchteilen an eine
Personauf der anderenSeite des Globus
transferieren.«Dies wirdeine filigrane
Aufgliederung der Wertschöpfungs-
kette ermöglichen»,istDünser über-
zeugt. Die bisherigen Dienstleistungen
einesFinanzplatzes wieVermögensver-
waltung, PrivateBanking oder Börsen-
geschäfte würden zwar weiterhin nötig
sein. Aber einKunde werde sich seine
Dienstleister sehr viel freier auswählen
können. «Das wird dasVerhältnis zwi-
schenKunden und Dienstleisternradi-
kal ändern», prophezeitDünser.

In Liechtenstein, so viel wird deutlich,
wird bereits kräftig an der Banken-
welt von morgen gearbeitet.Was ihre
«Macher» verbindet, ist derWille, den
kleinen, aber feinenFinanzplatz agil zu
halten und für die digitale Zukunft fit
zu machen.Dazu gehören nicht nur Pio-
niergeistund Innovationsbereitschaft,
sondern auch Elan und Leidenschaft.
Ganz wie im Sport. Denn darum geht
es: Herausforderungen annehmen – und
Blickvom «Känzele» auf den Finanzplatz Liechtenstein in der HauptstadtVaduz,unter anderem mit Standorten vonVPBank,LGT und Liechtensteinischer Landesbank. ROBERT AEBLI si e in Erfolge verwandeln.
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