Zwecke solcher Praktiken wie bunga bunga. ›Komischer Ausdruck‹, denkt
Piero, ›nie gehört in Italien.‹ Dafür kennt er ihn aus Tripolis, wohin er vor
zwei Jahren Berlusconi bei seinem ersten Staatsbesuch begleitete, der mit
dem berühmten Handkuss. Der italienische Botschafter in Libyen hatte ihm
erklärt, es handele sich um eine Art Gruppensex, bei der die Analpenetration
eine Rolle spiele, Gaddafis bei weitem bevorzugte Sexualpraktik.
Die anderen drei Maschinen der Fluglinie Afriqiyah parken in
gebührendem Abstand zu der des Rais. Aus ihnen werden Dutzende Koffer
ausgeladen mit all den Outfits, die er gern im Stundentakt wechselt,
außerdem sein großes Beduinenzelt, ein Großaufgebot an Funktionären des
libyschen Regimes sowie Sicherheitsleute, dreißig weiße Berberpferde
mitsamt ihren Reitern für die pompösen Feierlichkeiten zum zweiten
Jahrestag des Vertrags über Freundschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit
am morgigen Tag. Auch die Anfragen aus dem Umfeld des Oberst an das
italienische Festkomitee sind spektakulär. Das Zelt soll im Garten der
Repräsentantenvilla des Außenministeriums aufgeschlagen werden, unter
enormen Herausforderungen in logistischer, ästhetischer und
sicherheitstechnischer Hinsicht. Am Tag nach der Ankunft will er eine
Privatvorlesung – das heißt unter Ausschluss der Presse – über den Islam vor
fünfhundert vorzeigbaren Jungfrauen halten, keine mehr und keine weniger,
volljährig, aber nicht älter als fünfundzwanzig. Eine weiße Limousine für
sämtliche Ortswechsel.
Piero hält sich selbst für einen Diener des Staates. Und für einen Politiker
mit Weitblick auf das Einzige, was zählt: das Staatsinteresse. Die groteske
Perversität dieses Rockstargebarens nimmt er daher im Namen der
Realpolitik hin. Was konkret bedeutet: die italienischen Küsten frei von
Migranten und Zugang zu den Gasvorkommen der Kyrenaika, dem früheren
Land Omar al-Mukhtars. Gas, das Gaddafi trotz des zur Schau gestellten
Opfers des Beduinen-Helden schon immer gern an die Nachfahren der
faschistischen Besatzer verkauft hat. Zum großen Glück der italienischen
Herde und Heizungen.
Piero schaut auf. Auf der Landebahn wimmelt es von den Kameras der
Nachrichtensender, die Fotografen zoomen hin und her. Das schwarze Auge
eines Teleobjektivs ist genau auf ihn gerichtet, und es kommt ihm vor, als
wolle der dunkle Kreis aus kaltem Glas ihn aufsaugen. Trotz der schwülen
jeff_l
(Jeff_L)
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