weißt du doch, oder?«
Sie fährt ihm ordnend durchs Haar wie einem Kind, nimmt die
Fernbedienung und hält sie auf den großen Fernseher. »Komm, wir wollen
mal sehen, was in der Welt so passiert.«
Über den Fernsehschirm flimmern die Bilder einer offiziellen Trauerfeier.
Dutzende schwarz gekleidete Würdenträger drängen sich im deprimierenden
Barock einer großen Kirche.
»Wer ist gestorben?«
Attilios Stimme ist plötzlich klar, sein Blick völlig unvernebelt. Er ist
wieder da, präsent.
»Lass mich kurz hören ...«, meint Anita. »Ach, ja: Francesco Cossiga.«
»Der Präsident?«
»Ex. Er ist schon lange nicht mehr Präsident.«
»Wie alt war er?«
»Tja, mal sehen ... da steht, er war Jahrgang ’28. Also ...«
»Dreizehn.«
Anita dreht sich erstaunt zu ihm.
»Was?«
Attilios Augen glitzern fröhlich wie bei einem kleinen Jungen.
»Jünger als ich.« Er zeigt mit großer Befriedigung auf die Bilder der
Trauerfeier. »Aber er ist tot. Und ich lebe.«
Anita streichelt ihn sanft. »Ja, Liebling. Du lebst. Das ist wunderbar.«
Die Nachrichten laufen weiter. Die Sprecherin mit eisblauen Augen und
gleichfarbiger Jacke liest vom Teleprompter: »... Der politische Streit erfasst
nun auch die Finanzierung durch die Region, hundertachtzigtausend Euro mit
einer Laufzeit von zwei Jahren, die im vergangenen Februar 2010 für die
Fertigstellung des Parco Radimonte in Affile genehmigt wurden, einer
Kommune im Hinterland von Rom. Die Opposition verlangt die Rückzahlung
der Finanzmittel, um stattdessen ein Mausoleum zu Ehren Rodolfo Grazianis
zu errichten ...«
Niemand hört der Journalistin mehr zu: Anita ist in die Küche gegangen,
Attilio in seinem Sessel eingeschlafen.
Der junge Attilio Profeti spricht nicht gern ins Leere. Es ist anstrengend
genug, gegen den Wind anzureden. Bei seinen Erklärungen wendet er sich
nur an die, die mit den Augen aufs Meer blicken, denn er weiß, wer mit