Der drückte sie und zuckte kurz die Achseln mit der Bescheidenheit des
Wohltäters. »So sind wir halt, wir Italiener«, erwiderte er. Der Nachhall
seiner Worte umfing sie wie eine Samenhülse, bevor er in den Weiten des
Saales verklang.
Natürlich gab es einen Grund, warum die Delegationen in dieser kahlen
Halle empfangen wurden. Es war Ausdruck des tiefen Hasses, den General
Haile Mariam Mengistu gegenüber dem dekadenten Prunk des Negus und der
»Feudalen« hegte – ein Begriff, der damals für alles Übel dieser Welt stand –,
die seit Jahrhunderten arme Bauern versklavten, wie seine Eltern es gewesen
waren. Das Volk hatte einen Freifahrtschein erhalten, jeden Feudalen zu
vernichten, der des Dissidententums verdächtigt wurde; in allen kebele hatte
man Handfeuerwaffen und Maschinengewehre verteilt. Arbeiter, Bauern,
junge Mütter hatten sie bereitwillig genommen und andächtig ihren kalten
Lauf geküsst, in der gleichen Unterwerfungsgeste, mit der sie zuvor ihre
Lippen auf das Kruzifix gedrückt hatten. »Ein Affe in Seidengewändern
bleibt immer noch ein Affe.« Mit diesen Worten hatte der abgesetzte Kaiser
die tiefschwarze Sklavenhaut des unbekannten Offiziers verhöhnt, der wenige
Monate nach dem Putsch alle Gegner vernichtet und die Macht ergriffen
hatte. Mengistu aber, der seine niedere Herkunft mit Stolz trug und zur
Propaganda nutzte, rührte der Primatenvergleich nicht. Unerträglich war ihm
hingegen die Unterstellung, dass er genau wie jeder gewöhnliche Feudale an
Seide interessiert war.
Doch wie Attilio und die anderen Teilnehmer der italienischen Delegation
schnell herausfanden, war die graue Halle in der Peripherie nur der Ort für
die Fassade. Die wahren Verhandlungen, die Diskussionen über gewisse
Prozentsätze, die nicht in den offiziellen Auftragsvergaben auftauchen sollten
und über Schweizer Bankkonten abgewickelt wurden, darüber wie und wann
die Bestechungsgelder unter den Verhandlungspartnern aufzuteilen waren,
fanden andernorts statt.
Mit einem Autokorso ohne Nummernschilder wurden die Delegierten,
zum Schrecken der Passanten, von der Halle zur Menelik II Avenue gefahren.
Am Zaun des Hilton stellte sich Attilio auf das Ritual des Fetascha ein, das er
schon vom Ankunftstag kannte: Die Leibesvisitationen und Durchsuchungen
der Wagen konnten, je nach Laune der Wachposten, bis zu einer halben
Stunde dauern. Doch die Karawane nahm nicht die Hotelauffahrt, sondern
bog links in die Allee ein. Attilio drehte sich um und suchte mit leiser Unruhe
jeff_l
(Jeff_L)
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