Blick, der tadellose Sitz der Militäruniform. Erst nach einigen Augenblicken
bemerkte Attilio verwirrt zwei Details an dem Mann vor ihnen, die absolut
nicht zu dem seligen Haile Selassie passten: Er war sehr groß, und er war am
Leben.
Tatsächlich war es nicht der Negus. Sondern ein Mann, der ihm in seinen
letzten vierzig Lebensjahren als Feldbursche gedient hatte. Mit einer kleinen
Verbeugung im stumpfen Winkel stellte er sich vor: Brigadegeneral
Fresenebet. Als exklusives Privileg für seine Ehrengäste, so erklärte er,
würde er ihnen den Schatz seines früheren Herrn zeigen, dessen Erinnerung
er in unverminderter Hingabe bewahre. Wenn sie ihm bitte folgen mochten,
sagte die erhabene Gestalt. Mit vor Erleichterung weichen Knien folgten ihm
Attilio und die restliche Delegation.
Das Kellergeschoss war von endlos langen Regalreihen durchzogen, in
denen sich Gegenstände aller Größen stapelten. General Mengistu hatte ganz
entgegen seiner zur Schau gestellten Verachtung für alle feudalen
Vergnügungen den Schatz von Haile Selassie nicht nur nicht vernichtet,
sondern ihm auch noch alle Geschenke hinzugefügt, welche die Staatschefs
nach seinem Aufstieg zur Macht anlässlich ihrer Besuche mitgebracht hatten.
Stoßzähne von Elefanten, Leopardenfelle, massive Sitze aus kostbarem Holz
mit Juwelenintarsien, Stromgeneratoren der jüngsten Generation,
Farbfernseher mit hochmodernen Fernbedienungen, Halsketten aus reinem
Gold so dick wie Gefängnisketten, Modelle von Unterseebooten und
Flugzeugen, eine Pfeifensammlung, eine Tiefkühltruhe, in der ein ganzes
Pferd Platz gefunden hätte, ein ausgestopftes Krokodil. Unzählige Säcke mit
Maria-Theresien-Talern mit der Prägung »1757«, jene Silbermünze, der die
Äthiopier seit Jahrhunderten vertrauten und die sie nur mit diesem Datum für
echt hielten – obwohl viele davon zu Beginn der italienischen Invasion
Badoglio hatte prägen lassen, dem diese merkwürdige Fixierung bekannt war.
Und natürlich die silbern verzierte Pistole, mit der sich Kaiser Tewodros II. in
Maqdala erschossen hatte aufgrund seiner manisch-depressiven Veranlagung
sowie der aussichtslosen Belagerung durch die Engländer. Wie auch sein
offizielles, von armenischen Kunsthandwerkern entworfenes Siegel, sein
Tintenfass und seine Kopfbedeckung. Eine der goldenen Kronen von
Menelik, wenn auch nicht das kostbarste Modell, das die Engländer im
Victoria and Albert Museum für sich behalten und Menelik am Ende seines
Exils in Bath nur dieses Exemplar mit zurück in die Heimat gegeben hatten,
jeff_l
(Jeff_L)
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