viel kleiner und von entschieden geringerem Wert. Und dann am Ende des
letzten Gangs im Keller: Haile Selassies Thron.
Ein Prunkstück, gefertigt von französischen Goldschmieden, die auch das
persönliche Wappen des Negus entworfen hatten. Und doch war Attilio bei
seinem Anblick in diesem vollgestopften Lager irgendwie enttäuscht. Für
einen Kaiserthron war er klein. Zu zerbrechlich zwischen den Stapeln aus
Schätzen und wild durcheinandergeworfenem Kram. Zart und zierlich, genau
wie der letzte König der Könige.
Der Brigadegeneral durchschritt die Regalreihen in seiner
Unteroffiziersuniform, die zwar sauber, aber vom täglichen Waschen mit der
groben Derg-Seife an vielen Stellen angegriffen war. Die geheimnisvolle
Ähnlichkeit, die er bis auf die Statur mit dem ermordeten Negus teilte, wie
ein altes Ehepaar, das jahrzehntelang zusammengelebt hat, hatte ihn zu einem
Doppelgänger gemacht, zu einem heimlichen Untermieter. Mengistu ließ ihn
hier wohnen, in den Winkeln des Palastes, aus denen sein geliebter Herr dem
unrühmlichen Ende entgegengezerrt worden war, der einzig verbliebene
Hüter eines untergegangenen Kultes. Wie der letzte Zeuge der Größe des
Negus Negest, seiner Pracht und Herrlichkeit, die über den menschlichen
Horizont hinaus ins Mythische reichten und zurück bis in die Zeiten seines
Vorfahren König Salomon, der sich mit der Königin von Saba vereint hatte
und so die Dynastie der Negussen begründet hatte. Fresenebet führte die
Gäste durch die Gänge dieser geschmacklosen Schatzkammer, die eine
Mischung aus Lager, Trödelladen und Aladins Zauberhöhle war, wo moderne
Langfinger ihr Diebesgut horteten. Und die Dienerschaft, die die Schätze des
Jubilee Palace mit ungebrochenem Eifer abstaubte, polierte und wischte, als
handele es sich bei dem Sturz des Negus nur um einen für diesen
archaischen, zeitlosen Prunk irrelevanten Zwischenfall, verbeugte sich vor
dem vorbeischreitenden Offiziersburschen, als sei er selbst der Kaiser.
Fresenebet ließ unbeeindruckt den gutmütigen, nicht fokussierten Blick von
Königen über sie und ihren Kniefall gleiten. Und präsentierte die mehr oder
weniger kostbaren Exponate den ausländischen Würdenträgern und
westlichen Auftragnehmern. Die alle mit einem der blutrünstigsten Regimes
seiner Zeit Geschäfte machen wollten, einer Kategorie, der es auf diesem
Planeten in den vergangenen Jahrzehnten an Konkurrenz wahrlich nicht
gemangelt hatte, von den Roten Khmer in Kambodscha über die
jeff_l
(Jeff_L)
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