ihrer Kehle kam ein raues Lachen.
Attilio fühlte bei diesem Laut einen Stich im Magen. Doch noch bevor er
sich klar werden musste, an wen ihn das tiefe Lachen erinnerte, rettete ihn
Carbone, indem er weitersprach.
»Solche wie ich heißen die ›Versandeten‹. Italiener gibt es hier viele:
Ingenieure, Ärzte, Bauunternehmer, Händler. Aber niemand käme auf die
Idee, sie so zu nennen. Und weißt du auch warum? Weil sie italienische
Frauen haben. Versuch mal mit einer Äthiopierin als Ehefrau im Club
Juventus Lasagne essen zu gehen, wie die anderen es manchmal aus
Nostalgie tun, da wirst du ganz schräg angeschaut. Und dann gibt es noch
die, die sagen, dass die Frau in ihrem Bett nur eine Dienerin ist, die
überdauert hat, und das sind die Schlimmsten.«
Ein anderer Mann an Attilios Stelle hätte aus diesen Worten vielleicht
eine Anklage herausgehört, hätte vielleicht das Bedürfnis verspürt, sich zu
verteidigen. Oder hätte, um sein Schuldgefühl Abeba gegenüber
loszuwerden, das eigene Leben mit dem des früheren Kameraden verglichen
und sich in seinen gesellschaftlichen, beruflichen und finanziellen Erfolg
geflüchtet. Attilio jedoch empfand nur ein kurzes unangenehmes Gefühl, das
er zu ignorieren beschloss.
»Und ich weiß, in Italien schämt man sich für uns«, fuhr Carbone fort.
»Sie tun so, als gäbe es uns nicht. Wir erinnern sie an Sachen, von denen sie
nichts mehr wissen wollen. Sie sagen, wir sind geblieben, weil wir Faschisten
waren, sie verweigern uns sogar die Rente. Aber mir ist das egal, ich habe gut
gelebt in Äthiopien. Bis jetzt.«
In den langen Jahren, in denen Carbone Mittelsmann zwischen Attilio
und seinem Sohn und Abeba gewesen war, hatte er sehr wenig von sich selbst
geschrieben. Oft hatte er Ietmgetas Briefe einfach so weitergeschickt oder
ihnen nur eine kurze Notiz beigelegt. Erst im letzten Brief hatte er ihm
anvertraut: »Ich möchte in Italien sterben.« Attilio fand den Wunsch seines
früheren Kampfgefährten abwegig. Als hätte er gesagt, er wolle ein Kind
gebären oder Chinesisch lernen: etwas, das überhaupt nicht zu ihm passte.
Seine Gründe hatte Carbone nicht dargelegt, aus einer Scheu vor dem
schriftlichen Bekenntnis, die Attilio wiederum nur zu gut verstand –
immerhin hatte er früher selbst für eine Diktatur die Post zensiert. Nun aber
konnte er ihm persönlich anvertrauen, warum er nach einem ganzen Leben in
Addis Abeba die Stadt verlassen wollte.
jeff_l
(Jeff_L)
#1