»Nein.«
Der frühere Waffenbruder musterte ihn, dann ließ er den Motor an.
Der Citroën entfernte sich langsam, weil die Straße mit Schlaglöchern
übersät war. Kurz bevor sie um eine Steinmauer bogen, drehte sich Attilio
noch einmal um. Sein Sohn war mit seiner Familie ins Haus gegangen. Nur
die Frau stand noch draußen, die ihn als jungen Mann mehr als jeder Krieg
gelehrt hatte, was es hieß, ein Mann zu sein. Ihre Blicke begegneten sich
kurz, dann bog das Auto um die Kurve. Attilio sollte nie erfahren, ob Abeba
ihn erkannt hatte. Oder ob sie ihn für einen Agenten der Geheimpolizei
hielt – einen von denen, die ihren Sohn jahrelang gefoltert hatten.
Das Flugzeug der äthiopischen Airline überflog die Wegstrecke, die der
Junge viele Jahre später zu Fuß zurücklegen würde von Addis Abeba bis zu
Ilarias Treppenabsatz: Sudan, Sahara, Tripolis und der große Raum, das
Mittelmeer, der langsame Weg den Stiefel hinauf bis nach Rom. Der Junge,
der raus war, sollte dafür mehr als drei Jahre brauchen, für Attilio Profeti
waren es nicht einmal acht Stunden.
Wenige Wochen nach der Afrikareise mit Casati erfolgte der
Richterspruch, der seine Ehe mit Marella für beendet erklärte. Wie immer in
diesen Fällen ging das Scheidungsverlangen von dem betrogenen Ehepartner
aus. Doch auch die Scheidung, die ja häufig von den Männern gewünscht
wurde, um sich wieder zu verheiraten, interessierte Attilio wenig. Seine
Haltung zu diesem Thema erklärte er seiner Ex-Frau bei einem der letzten
kurzen Treffen jener Jahre.
Wie jedes Mal verbrachte Marella vor der Verabredung Stunden mit der
Kleiderwahl, als treffe sie einen Verehrer. Vor allem aber wappnete sie sich
mit den Worten »zivilisierter Umgang« und übte vor dem Spiegel ein
Lächeln ein, das frei sein sollte von Elend und Groll.
Attilio hatte sie mit seinen himmelblauen Augen angesehen, die ihr in
ihren Anfangsjahren weiche Knie beschert hatten.
»Weißt du, Marella, ich hätte mich ja nie scheiden lassen.«
Und dann erklärte er ihr, dass er, hätte es die Möglichkeit gegeben,
sowohl sie als auch Anita geliebt und beschützt hätte, ohne eine zu
übervorteilen. Er hätte sich um alle seine Familien gekümmert, um alle seine
Kinder. Es sei wirklich zu schade, dass das italienische Recht nicht die kluge
Einrichtung der Polygamie erlaube, welche die erste Ehefrau vor den groben